Doch die Inquisition schlägt zu, verhaftet Jesus und will ihn anklagen. Es droht der Scheiterhaufen. Der Großinquisitor lässt Christus festnehmen und in ein Verlies des Heiligen Tribunals werfen.
In der Nacht vor dem Prozess besucht der Grossinquisitor den Gefangenen in seiner Zelle: Er klagt ihn an, dass er kein Recht habe, wieder auf Erden zu erscheinen und die von ihm, dem Großinquisitor, geschaffene Ordnung zu stören. Christus habe die Menschen viel zu hoch eingeschätzt: Sie wollten die von ihm angebotene Freiheit nicht; nur wenige Auserwählte seien stark genug, diese furchtbare Gabe zu ertragen. Er hingegen werde der Menschheit das Glück bringen, indem er sie zu absolutem Gehorsam, zur Übernahme der von ihm geschaffenen Vorstellungen von Gut und Böse und zur Entpersönlichung zwinge. Wenn der Mensch moralisch versklavt sei, werde er zur Belohnung Brot erhalten. Alle Menschen würden glücklich sein, bis auf die wenigen „Übermenschen“, die um das
Geheimnis wüssten und über die Menschheit herrschten.
Innere Emigration, Kirchenaustritte, Missbrauchsfälle, Geldwäsche, Ehe- und Sexualmoral, Umgang mit Minderheiten und Randgruppen – Die Kirche als erste globale und mächtigste Institution der Menschheit steht vor der größten Richtungsentscheidung. Dogma oder Barmherzigkeit? Gerechtigkeit oder Liebe?
Institution oder Menschlichkeit? Wie wird der neue Papst darauf reagieren? Welche Antworten und richtungsweisende Entscheidungen wird der Stellvertreter Gottes auf Erden geben? Das Maß zwischen unverhandelbarem Glaubenskern und modernen, den heutigen Bedürfnissen und Lebenswelten der Menschen angepasster Glaubensinterpretation zu finden, stellt die Kirche vor eine Zerreissprobe.
Fjodor Dostojevskis Text „Der Großinquisitor“ - geschrieben zwischen 1878–1880 - ist aktueller denn je.Dowstojevski lässt den Großinquisitor Anklage erheben gegen Jesus Christus. Als mächtiger Kirchenmann geht er mit Jesu Lehre ins Gericht. Wortgewaltig, spannend und berührend stellt Dostojevski jene Fragen, die sich die Menschen bis heute stellen und damit ein Werk, das deshalb zur Weltliteratur zählt, weil es Sinnbild für die Spannung zwischen Ideal und Realität in mächtigen Institutionen ist; egal ob Kirche, Staat, globale Institutionen oder Firmen ist.
mit: Bernhard James Lang
Regie: Bernhard Moritz
Bühne Hannes Schlack
Kostüm Silvia Fritz
6./ 8./ 23./ 25. Juni 2013, 20 Uhr