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"Future 6" - Choreographien von Jiří Bubeníček, Itzik Galili, Eric Gauthier, Marco Goecke, Cayetano Soto und Stephan Thoss in Stuttgart

Premiere am Freitag, 11. Januar um 20:00 Uhr, Theaterhaus Stuttgart, T1. -----

Einen Blick nach vorn wirft Gauthier Dance mit der neuen Produktion Future 6. Denn Eric Gauthier ist davon überzeugt: Diese Choreographen stellen schon heute die Weichen für den Tanz von morgen. Unter den sechs Stücken befinden sich fünf Uraufführungen.

Cayetano Soto tanzte beim ballettTheater München, bevor er seine steile Karriere als Choreograph begann. Seine stilistische Bandbreite beeindruckt ebenso wie seine ausgefallenen Ideen. Für das Königliche Ballett Flandern erzählte er in M/C von der Freundschaft zwischen Marilyn Monroe und dem Schriftsteller Truman Capote, und in seinem Sensationserfolg Canela Fina ließ er das Balé da Cidade de São Paulo inmitten köstlich duftender Zimtwolken tanzen. Soto haben es vor allem die Suchenden angetan – Menschen und Künstler, die nicht ins Konzept passen. So wie La Lupe, die Queen of Latin Soul, die er schon als Jugendlicher bewunderte und die ihn nun zu seiner choreographischen Hommage Malasangre inspiriert hat. Malasangre, der spanische Ausdruck für boshaft oder gekränkt, ist dabei nicht die kubanische Sängerin, sondern die pauschale, gedankenlose Ablehnung, auf die sie so oft stieß. Ihr wildes, verrücktes und in den konservativen frühen 60-er Jahren unglaublich provokantes Leben endete 1992 in bitterer Armut. Ihre großartige Musik wird bleiben.

 

Kubanisches gibt es auch bei dem neuen Duo von Itzik Galili zu hören. Während einer Reise in den karibischen Inselstaat entdeckte der israelische Choreograph mit Wohnsitz in den Niederlanden die Musik des „King of Mambo“, Pérez Prado, für sich. Für Future 6 hat er sich Cherry Pink and Apple Blossom White vorgenommen, einen ursprünglich französischen Klassiker des Latin Jazz, der in der Instrumentalversion Prados und des Trompeters Billy Regis um die Welt ging. Ein ultimatives Wohlfühl- und Gute-Laune-Stück, luftig und leicht in Szene gesetzt von einem der profiliertesten zeitgenössischen Choreographen, der mit seiner akrobatischen Hetero-Homo-Miniaturkomödie The Sofa bereits für einen der größten Publikumserfolge von Gauthier Dance sorgte.

 

13 Jahre gehörten er und sein Zwillingsbruder Otto zu den Startänzern von John Neumeiers Hamburg Ballett. Dann brach Prix Benois de la Danse-Preisträger Jiří Bubeníček zu neuen Ufern auf. Seit 2006 ist er nicht nur Erster Solist am Ballett der Dresdner Semperoper, sondern hat sich auch als Choreograph einen Namen gemacht. Unter seinen Auftraggebern rangieren so prestigeträchtige Companies wie das New York City Ballet, das Zürcher Ballett, das National Ballet China und seine ehemalige Truppe, das Hamburg Ballett. Für Gauthier Dance will er das existentiellste und zugleich rätselhafteste menschliche Gefühl ergründen: die Liebe. Was ist echt an der Liebe – was dagegen Abbild gesellschaftlicher Erwartungen, eine medial erzeugte romantische Illusion? Bubeníčeks choreographische Erkundung führt drei Tänzer und eine Tänzerin mitten hinein in den Traum-Raum der menschlichen Seele.

 

Nach innen geht es diesmal auch im neuen Werk von Company-Chef Eric Gauthier. Der Sound, den er für sein kurzes Trio Taiko verwendete, lässt ihn ganz offensichtlich nicht los. Und so hat er sich erneut mit dem Komponisten Stephan M. Boehme zusammengetan, um den Pulsschlag der mächtigen japanischen Schlaginstrumente in Bewegung zu übersetzen. Das Klangerlebnis dürfte diesmal noch überwältigender werden. Denn die neun Tänzer erzeugen die Musik nun vorwiegend selbst: live auf großen Taiko-Trommeln. Für seine Geschichte von der befreienden Suche nach der eigenen Mitte findet Gauthier überraschende, poetische Bilder. Was die Tänzer am Ende von Takuto (japanisch für Takt) erreichen, wünscht Eric Gauthier auch seinen Zuschauern: dass sie in Verbindung treten zu ihrem persönlichen inneren Rhythmus.

 

Sie kennen sich noch von ihrer gemeinsamen Zeit am Stuttgarter Ballett. Nun wird Marco Goecke erstmals ein Solo für den Tänzer Eric Gauthier kreieren. Über die Zusammenarbeit freut sich Gauthier sehr, nicht nur wegen der alten Verbundenheit. Denn der Hauschoreograph des Stuttgarter Balletts, Choreographer in Residence des Scapino Ballet Rotterdam und künftiger Associate Choreographer des Nederlands Dans Theater zählt zu den wichtigsten Schrittmachern des zeitgenössischen Tanzes. I Found a Fox heißt sein Stück für Gauthier Dance – ein Zitat aus Kate Bushs legendärem Song Hounds of Love und ein Hinweis auf die musikalische Vorlage für diese neue Arbeit des Prix Nijinsky-Preisträgers. Denn die ausgewählten Titel stammen aus ihrem bahnbrechenden Album The Dreaming von 1982. Ein früher Meilenstein im eigenwilligen Lebens-Gesamtkunstwerk von Kate Bush, der Goecke schon lange seine choreographische Reverenz erweisen wollte.

 

Musik Hören hält bekanntlich jung. Aber was ist, wenn man so alt ist, dass es fürs Jungsein eigentlich zu spät scheint? Stephan Thoss, FAUST-Preisträger und multipel ausgezeichneter Ballettdirektor am Hessischen Staatstheater, weiß die Antwort: einfach trotzdem machen. Seine wunderbar komische, anarchische Versuchsanordnung konfrontiert ein gesetztes Kränzchen aus sechs alten Damen mit Ravels Bolero. Einem Stück, das schon unzählige Male vertanzt wurde, in der Regel ohne an schwülstiger Erotik zu sparen. Bei Thoss ist alles anders. Ein Teller mit Petits Fours und eine Schallplatte mit Ravels Dauerbrenner genügen, um die Seniorinnenrunde schrittweise, aber um so zuverlässiger komplett zu entfesseln. Am Ende tobt in dem altmodischen, abgenutzten Wohnzimmer das Chaos – und die Botschaft ist klar. Für die Geburt der Bewegung aus dem Geist der Musik ist es niemals zu spät: Sei einfach bereit, dein Leben zu leben.

 

Eine Produktion von Theaterhaus Stuttgart in Kooperation mit der Schauburg München mit Choreographien von Jiří Bubeníček, Itzik Galili, Eric Gauthier, Marco Goecke, Cayetano Soto und Stephan Thoss

 

Künstlerische Leitung / Choreograph: Eric Gauthier

Company Coach: Egon Madsen

Ballettmeister: Renato Arismendi

Künstlerische Leitung Bühne und Kostüme: Gudrun Schretzmeier

Licht und technische Koordination: Mario Daszenies

Tanz: Elisenda Cladellas Parellada, Anneleen Dedroog, Katharina Diedrich, Eric Gauthier, Miriam Gronwald, Rosario Guerra, Anna Süheyla Harms, Florian Lochner, William Moragas, Sebastian Kloborg, Maria Prat Balasch, David Stiven Valencia Martinez, Tars Vandebeek

 

Weitere Termine Samstag, 12. Januar um 20:00 Uhr / Sonntag, 13. Januar um 19:00 Uhr

 

Mehr Informationen unter www.theaterhaus.com

 

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