Was hast du am 9. November 1989 gemacht? Sabbernd im Bett gelegen / mir vom Begrüßungsgeld meiner Eltern eine Barbie gewünscht / meinen Schülern erklärt, dass es das Halstuch ab sofort nicht mehr gibt / mit einem Sektglas in der Hand nicht gewusst, ob ich mich freuen oder weinen soll…
Das Jahr 2009 ist für uns Deutsche ein Erinnerungsjahr der Superlative: 90 Jahre Weimarer Republik, 60 Jahre Gründung zweier deutscher Staaten, 20 Jahre friedliche Revolution – das vergangene Jahrhundert ist voller politischer Umbrüche und Staatsneugründungen. Die DDR als Staat begann vor 20 Jahren in sich zu zerfallen. In vielen Köpfen existiert sie jedoch noch weiter und sei es nur als positive wie negative Vergleichsfolie für die gegenwärtigen Verhältnisse. Inzwischen ist auch die erste Generation von Kindern erwachsen geworden, die diese DDR nur noch vom Hören und Sagen, aus populären Kinofilmen oder von nostalgischen Ostprodukten her kennen. Gerade deswegen scheint die Frage berechtigt, von welchem Deutschland wir in diesen Tagen den 60. Geburtstag feiern und nicht vielmehr 40 plus 20 Kerzen angezündet werden sollten.
Für die so genannten Neubundesbürger vollzog sich mit dem Fall der Mauer ein biographischer Bruch, der hoffnungsvoller Auf- und resignierter Abbruch zugleich sein konnte. Das Ensemble QUER der TheaterFABRIK arbeitet sich in seiner biographischen Stückentwicklung im wörtlichen Sinne quer durch alle Alterschichten. Es entsteht ein Puzzle verschiedenster Lebensgeschichten und Bruch-Stücke, ein unvollständiges szenisches Mosaik vom Herbst 89 – nicht nur in Gera. Diese szenische Montage erhebt dabei keinen Anspruch auf historische Vollständigkeit, legt jedoch offen, dass es sich bei Erinnerungen immer um konstruierte und damit wandelbare Bilder handelt. So schimmert in diesen alltagsgeschichtlichen Fragmenten eine historische Wahrheit auf, die die komplexe Widersprüchlichkeit nicht zu verbergen oder glättend zu ordnen sucht. Vielmehr werden die Gegensätze mit den Mitteln des Theaters offen gelegt, nebeneinander gestellt sowie zugespitzt und in einen szenischen und damit öffentlichen Raum gestellt.
Wünschst Du Dir die DDR zurück? Nein, aber in der DDR hatte jedes Kind seinen Kipper / hatte jeder, der wollte, eine Arbeit und eine Wohnung / ich fühle mich dennoch als Ostdeutsche / versteh ich mich mit einem Sachsen immer noch besser als mit einem Hessen…
Regie führten Matthias Spaniel und Thea Kneisel, assistiert von Charlene Heidenreich. Die zweite Vorstellung ist gleich am 5. Juli ebenfalls 19.30 Uhr.