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"Heimweh und Verbrechen" im Stadttheater Fürth

Premiere Do 7. Mai 2009, 20.00 Uhr

Theaterprojekt von Beate Faßnacht und Hilde Schneider auf der Grundlage der Untersuchungen von Karl Theodor Jaspers

Welche Bedeutung hat der Begriff Heimweh heute? Können schwere Fälle von Heimweh als Erkrankung angesehen werden, in der die Ursachen für Depressionen und Wahnsinn zu finden sind?

Kann Heimweh sogar zum Auslöser von Verbrechen werden? Diese Fragen sind der Ausgangspunkt des Theaterprojekts von Hilde Schneider und Beate Faßnacht mit professionellen Schauspielern, Laiendarstellern und Chören.

In der heutigen Zeit, in der Mobilität und Weltgewandtheit hohe Wertschätzung genießen, neigen viele Menschen dazu, die Bedeutung von Heimweh gering zu schätzen. In jüngster Zeit zeichnet sich jedoch vor dem Hintergrund von Globalisierungsängsten und Identitätsverlusten eine Umwertung ab. In diesem Zusammenhang gewinnt die Dissertation des Philosophen und Mediziners Karl Jaspers (1883 - 1969) ungeahnte Aktualität. Er führte vor exakt 100 Jahren Fallbeispiele auf, die den Zusammenhang von Heimweh und Verbrechen belegen. Jaspers Schrift bildet die Textgrundlage des Theaterprojekts. Er schildert vor allem junge Menschen aus deklassierten Bevölkerungsschichten, die im Zuge der industriellen Revolution der vertrauten, heimatlichen Umgebung entrissen, für Heimweherkrankungen überdurchschnittlich anfällig wurden. Betroffen waren vor allem junge Frauen, die als Dienstmägde ihre Arbeit verrichten mussten. Um "nach Haus" zu kommen, begingen zahlreiche heimwehkranke Dienstmädchen Brandstiftungen von Häusern ihrer Herrschaft, oder sogar Morde an ihnen anvertrauten Kindern. Dadurch wurde "Heimweh" auch zu einem Problem der Justiz.

Der Ort des Geschehens wird bei "Heimweh & Verbrechen" eine Art Auffanglager für Heimatlose oder Gefangene sein. Zu Beginn liegen Insassen der Anstalt, Kinderlieder singend, auf Pritschen, bevor ein Ärzte-Team, unterstützt von Aufseherinnen, eine Untersuchung der von Jaspers aufgezeigten Fallbeispiele einleitet. Parallel zur Darstellung der Dienstmädchen-Fälle wird ein Wissenschaftsbeirat psychologische und pädagogische Schlüsse aus den Vorgängen ziehen. Erfahrungsberichte der Herrschaften, auf deren Anwesen sich die Verbrechen ereignet haben, ergänzen das Spiel. Die Anordnung der Zuschauertribünen erfolgt arenaartig, so dass die Theaterbesucher wie bei einem öffentlichen Symposium direkt in das Geschehen eingebunden sind. Im Laufe des Abends stellen sich automatisch Analogien zur Jetztzeit ein.

Das Ziel von "Heimweh & Verbrechen" liegt in einer Sensibilisierung von Heimweh, das auch im 21. Jahrhundert pathologisch werden und in der Katastrophe enden kann. Bereits die Idealisierung von Heimat kann krankhaftes Heimweh hervorrufen.

Inszenierung/Konzeption/Ausstattung: Beate Faßnacht, Hilde Schneider

mit Natalie Forester, Heinke Hartmann, Michael Sattler, Karl-Heinz Binek, Volker Bogner, Alexandra Brode, Martha Dorr, Andrea Gerhard, Katharina Gerlach-Newman, Saskia Grosser, Bianca Haimerl, Kristine Harthauer, Christopher Kessner, Sabine Kriesch, Michael Leicht, Dominique Marterstock, Alexandra Metzger, Irmgard Pohl, Maria Pößl, Laura Schilmeier, Tim Steinheimer, Arno Treiber

Seemannschor Nürnberg e.V.

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