Und es war die Geschichte einer Figurenentrümpelung … unwirklich allein derjenige, der sie in seinem Kopf herumtrug: dieser mußte übrigbleiben! Im Zentrum des zweiten Versuchs, Hilbig zu lesen, steht dessen Erzählung ER, NICHT ICH. Es ist eine wahrhaft kafkaeske Geschichte, in der der Autor seinen Protagonisten C mit einem Brief an die regierende Verwaltung ausstattet und in scheinbar ausweglosem Umherirren den Bildern seiner jüngsten Vergangenheit ausliefert. Wie in einem Zeitloch steckt dieser Mann in einer verstörten Realität fest, in der sich hyperreale Erinnerungsbilder mit der Wirklichkeit überblenden. Dabei gerät diese immer mehr unter den Verdacht der Fiktion und nährt Cs Wunsch, sie als „Geschichte“ hinter sich zu lassen. Mit dem für Wolfgang Hilbigs Prosa charakteristischen Sprach- und Gedankenfluss überschreitet das Denken von C jedoch so mühelos Zeit und Raum, dass ihm das erinnerte ICH zum ER wird, erst schattenhaft, bald wie ein Doppelgänger oder die Figur eines Textes. Die Ununterscheidbarkeit dieser zwei wird zur Krux.
Andrej Kaminsky setzt mit diesem Abend seine Spurensuche in den Texten des sächsischen Autors Wolfgang Hilbig (1941–2007) fort. Zusammen mit Manuel Harder folgt er nun den Zeilen von ER, NICHT ICH, durchwandern die beiden Schauspieler Bilder und Zeiträume.
Anja Nioduschewski
mit: Manuel Harder, Andrej Kaminsky
Leitung: Andrej Kaminsky
Ausstattung: David Funda
Dramaturgie: Anja Nioduschewski