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Im Geflecht der GefühleIm Geflecht der GefühleIm Geflecht der Gefühle

Im Geflecht der Gefühle

Pelleas und Melisande (Pelléas et Mélisande) in der Deutschen Oper am Rhein

"Pelléas et Mélisande" ist Claude Debussys einzige Oper, 1902 uraufgeführt, entstanden nach dem gleichnamigen Drama des belgischen Symbolisten Maurice Maeterlinck, das von der Poesie des Unausgesprochenen lebt. „Wenn ich es Ihnen sagen könnte, würde ich es sagen“, entgegnet Mélisande auf Golauds Fragen nach ihrem Verhältnis zu Pelléas. So sehr er auch in sie dringt, er wird nichts erfahren über sie, über ihre Ängste und Gefühle. Allein die Musik gibt darüber Auskunft. Der französische Komponist Claude Debussy fand in diesem Drama einen Idealraum für seine Klangvorstellungen, mit denen er sich von den Traditionen des 19. Jahrhunderts löste. Mit „Pelléas et Mélisande“ gelang ihm 1902 ein Meisterwerk der Opernliteratur, das durch die Inszenierung von Jean-Pierre Ponnelle 1981 auch glanzvoll in die Annalen der Rheinoper einging.

 

Ihr Wesen ist so rätselhaft wie ihr Name - Mélisande. Bei einer Waldquelle begegnet Golaud Mélisande, die voller Kummer ist, ihm aber den Grund nicht erklären kann. Golaud verliebt sich in sie, heiratet sie und nimmt sie mit in das Schloss seines Großvaters, des Königs Arkel. Mélisande bringt Licht in diese düstere Festung. Doch mit ihrer Ankunft entsteht eine verhängnisvolle Konstellation zwischen ihr, Golaud und seinem jüngeren Halbbruder Pelléas. Mélisande und Pelleás verlieben sich ineinander. Voller Eifersucht tötet Golaud Pelléas. Mélisande stirbt bei der Geburt ihrer Tochter. Soweit das Handlungsgerüst. Debussys Oper zielt auf das Geheimnisvolle. Vieles bleibt offen und unerklärlich, es herrscht eine Atmosphäre wie im Traum. Debussys Musik zieht wie ein Strom dahin und deutet das Unausgesprochene, Unsagbare, das Innere der Figuren an. In ihr vollziehen sich die seelischen Prozesse.

 

Christof Nel konzentriert sich in seiner Inszenierung ganz auf das Beziehungsgeflecht der Figuren oder vielmehr ihre Beziehungslosigkeit. Sie kommunizieren aneinander vorbei, schweigen sich aus, entziehen sich. Jeder ist in seiner Einsamkeit gefangen und lebt in seiner eigenen Welt, in die der Zutritt dem Anderen verwehrt ist. Die Bühne unterstreicht das Dunkle, Morbide und lässt das Stück ausschließlich im düsteren Schloss spielen. Auf einer zweiten Ebene, einer Empore, spielt sich parallel das Hintergrundgeschehen ab, pantomimisch dargestellt: der kranke, leidende Vater des Pelléas, der in der Originalversion der Oper nur erwähnt wird, aber keinen Auftritt hat. Auf schwimmenden Holzplanken über Wasser balancierend, weil der Boden nicht zu tragen scheint, bewegen sich die Protagonisten über die Bühne. Wie in der griechischen Tragödie scheint das Schicksal vorherbestimmt, dem sich das Individuum nicht zu entziehen vermag.

 

Catrin Wyn-Davies als Mélisande ist eher verträumt als rätselhaft. Von Anfang an zeigt sie eine deutliche Abneigung gegen Golaud, scheint sogar Angst vor ihm zu haben, dennoch lässt sie sich auf ihn ein, lässt gefügig alles mit sich geschehen. Golaud ist blind für die Gefühle anderer und fordert so das Schicksal heraus. Tomasz Koniecznys Golaud ist aggressiv, will alles erzwingen. Anders als in der Vorlage, sticht er sogar auf Mélisande ein. Dimitri Vargin zeigt Pelléas als den großen Zauderer, der sich von seiner geplanten Abreise abhalten lässt und sich seine Gefühle für Mélisande lange nicht eingestehen will.

 

Besonders hervorzuheben ist die Sopranistin Léa Pasquel in der Nebenrolle des Yniold, den sie eindrucksvoll zu charakterisieren weiß. Sie gibt den Yniold als verschrecktes Kind mit großen Augen, das als einzige Person in diesem düsteren Familiendrama zu wahrer Zuneigung fähig ist, wobei sich diese Zuneigung auf Pelléas und Mélisande erstreckt und nicht auf den gewalttätigen Vater. Die Verhörszene zwischen Yniold und Golaud ist fast die eindrucksvollste Szene des Abends: Yniold voller Angst, schwankend zwischen Loyalität und Gehorsam, Golaud von Eifersucht zernagt, inquisitorisch bis zur Grausamkeit, dem Wahnsinn nahe.

 

Regie: Christof Nel, Kostüme: Ilse Welter, Bühne: Jens Kilian

Arkel: Malcolm Smith

Geneviève: Nadine Denize

Golaud: Tomasz Konieczny

Pelléas: Dimitri Vargin

Mélisande: Catrin Wyn-Davies

Yniold: Léa Pasquel

Arzt: Daniel Djambazian, Vater von Péleas: Andreas Külzer

 

Weitere Aufführungen in Düsseldorf:

Mi12.09. |Mi 19.09. | Sa 22.09.| Fr 28.09. | Do 04.10. |jeweils um 19.30 Uhr

So 07.10. |um 15.00 Uhr

 

 

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