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Impulse Theater Biennale 2013 vor dem Aus?

Bislang keine ausreichende Finanzierung – dem bedeutendsten Festival des freien Theaters im deutschsprachigen Raum droht das Aus: Die »Impulse Theater Biennale« in Nordrhein-Westfalen präsentiert seit mehr als 20 Jahren die wichtigsten Produktionen des freien Theaters in Deutschland, Österreich und der Schweiz. International renommierte Gruppen wie Rimini Protokoll erfuhren hier erstmals überregionale Aufmerksamkeit. Seit 2007 wurden die Zuschauerzahlen des Festivals verdoppelt.

Bislang ist für die Ausgabe 2013 nur eine Förderung von weniger als 600.000 Euro gesichert – 150.000 Euro unter dem notwendigen Mindestbudget und gut 300.000 Euro weniger als für die Ausgabe 2011 zur Verfügung standen. Die Programmierung des Festivals ist bereits in vollem Gange. Dem ersten Open Call in der Geschichte der »Impulse« folgten mehr als 300 Einsendungen. Ein halbes Jahr vor dem Festival wird die Arbeit des neuen Leitungsteams Florian Malzacher und Stefanie Wenner grundsätzlich infrage gestellt.

 

Seit mehr als 20 Jahren zeigen die »Impulse« des NRW KULTURsekretariats die wichtigsten Produktionen des deutschsprachigen freien Theaters. Unter der künstlerischen Leitung von Tom Stromberg und Matthias von Hartz haben sich die Zuschauerzahlen seit 2007 mehr als verdoppelt. 2011 besuchten über 10.000 Zuschauer in zwölf Tagen rund 70 Veranstaltungen in Bochum, Düsseldorf, Köln und Mülheim an der Ruhr.

 

Internationale Plattform und Motor für die Internationalisierung der freien Szene

Längst hat sich das Festival, auch in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut, zu einer der bedeutendsten internationalen Plattformen entwickelt. Diese Entwicklung greift die »Impulse Theater Biennale 2013« auf und führt sie fort. Ab 2013 wird das Festival von Florian Malzacher als Künstlerischer Leiter und Stefanie Wenner als Dramaturgin programmiert. Vom 27. Juni bis 7. Juli 2013 werden die »Impulse« erstmals einen thematischen Fokus haben und damit ihre eigene Aufgabe hinterfragen: Unter dem Titel »Under the Influence« wird die Bedeutung von kulturellen Identitäten untersucht, die Frage nach den spezifischen Eigenheiten von Theater aus dem deutschsprachigen Raum gestellt und die Idee einer nationalen Kultur überprüft.

 

Großes Interesse schon jetzt: über 300 Einsendungen auf Open Call

Die Impulse werden von einem Beirat aus Wissenschaft und Kunst begleitet, der sich zusammensetzt aus der Politikwissenschaftlerin Çiçek Bacik, der designierten Kuratorin der Berliner Kunstwerke Ellen Blumenstein, dem Ethnologen Thomas Hauschild, dem Theaterwissenschaftler Hans-Thies Lehmann, dem Literaturwissenschaftler Winfried Menninghaus und der niederländischen Regisseurin Lotte van den Berg. Erstmals weitet eine offene Ausschreibung für neue Konzepte ebenso wie für bereits vorhandene Produktionen den Blick auf Arbeiten auch jenseits der bekannten Pfade. Die über 300 Einsendungen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zeugen von der großen Anziehungskraft des Festivals und spiegeln die Bedeutung der »Impulse« für das Theater wider. Seit kurzem ist die neue Webseite unter www.festivalimpulse.de verfügbar. Bereits weit vor dem Festivalbeginn entsteht hier eine reichhaltige Materialsammlung zum Thema »Freies Theater«.

 

Deckungslücke von wenigstens 150.000 Euro

Die Arbeit schreitet also zügig voran – doch die Finanzierung stockt dramatisch. Zwar haben trotz der angespannten Haushaltssituation die vier beteiligten Städte Bochum, Düsseldorf, Köln und Mülheim an der Ruhr ihre Beteiligungen in Höhe von jeweils 45.000 Euro fest zugesagt. Selbstverständlich leistet auch das NRW KULTURsekretariat, wie in den Vorjahren, seinen Beitrag in Höhe von mindestens 250.000 Euro. Darüber hinaus gibt es von der Akademie der Künste der Welt/Köln die Zusage der Beteiligung mit 20.000 Euro an einem Sonderprojekt, das allerdings weiterer Ko-Finanzierung bedarf. Die Kunststiftung NRW bleibt bei ihrem bisherigen Förderansatz in Höhe von 150.000 Euro.

 

Die letzten drei Festivalausgaben 2007 bis 2011 jedoch waren jeweils mit mindestens 800.000 Euro ausgestattet, zuletzt sogar mit über 900.000 Euro. Nach dreimaliger Beteiligung kann die Kulturstiftung des Bundes dem Gesamtfestival aus formalen Gründen keine weitere Förderung mehr gewähren, ein Projektantrag für die Realisierung von ortspezifischen Arbeiten des britischen Performance-Duos Lone Twin, der israelischen Künstlerin Yael Bartana, der indischen Künstlergruppe Raqs Media Collective und des kolumbianischen Mapa Teatros wurde von der Jury für offene Förderung nicht berücksichtigt. Um jedoch die Festivalausgabe 2013 auf einem Mindestniveau veranstalten zu können, muss eine Deckungslücke von wenigstens 150.000 Euro geschlossen werden. Damit würde das Budget mit 750.000 Euro allerdings noch immer deutlich unter dem Etat der vergangenen Festival-Ausgabe in Höhe von über 900.000 Euro liegen.

 

Keine ausreichende Unterstützung durch das Land NRW

Nach der letzten Ausgabe 2011 resümierte der damalige Staatssekretär Prof. Klaus Schäfer die landesweite und darüber hinausreichende Bedeutung der »Impulse«. Umso überraschender ist, dass bisher trotz der bedrohlichen Lage für das Festival dennoch keine ausreichende direkte Unterstützung durch das Land in Aussicht gestellt worden ist. Dr. Christian Esch, Direktor des NRW KULTURsekretariats, fordert: »Das Festival muss auch unter der neuen künstlerischen Leitung und mit verändertem Konzept erfolgreich auf dem bisher erlangten Niveau weiterarbeiten können. Die »Impulse Theater Biennale 2013« hat längst international Fahrt aufgenommen. Es klingt absurd – aber einer der wichtigsten Motoren der freien Szene wird in voller Fahrt abgewürgt.« Das Angebot, unter Umständen 50.000 Euro zuzuschießen, würde das Finanzierungsproblem des Festivals bei weitem nicht lösen. Und so ist klar, dass die »Impulse« nur stattfinden können, wenn die Deckungslücke bis zum Jahresende gefüllt wird. Besonders bedrohlich ist die Lage, weil es zudem landesseitig deutliche Signale gibt, dass man die Notwendigkeit und »Zeitgemäßheit« der »Impulse« grundsätzlich überdenken wolle.

 

Schlag gegen die freie Szene

 

Die freie Theaterszene hat in den vergangenen Jahren kontinuierlich mehr Beachtung gefunden: Stadt- und Staatstheater suchen nach Kooperationen, das Berliner Theatertreffen hat längst begonnen, über den bisherigen Tellerrand zu schauen, frühere Impulse-Preisträger wie Gob Squad und Rimini Protokoll sind internationale Exportschlager. »Es gibt kein wichtigeres Ereignis für die freie Theaterszene in Deutschland als das »Impulse«-Festival« sagt Hortensia Völckers, Künstlerische Direktorin der Kulturstiftung des Bundes, »die Kulturstiftung des Bundes unterstützt das Festival nach Kräften und wird sich für eine erfolgreiche Zukunft von »Impulse« einsetzen.«

 

Die »Impulse« sind seit jeher das Festival dieser freien Szene, sie präsentieren Arbeiten einem lokalen ebenso wie einem internationalen Publikum. Sie sind eine Plattform und gleichzeitig wichtiger Lobbyist des freien Theaters. Florian Malzacher sagt: »Das Ende der »Impulse« würde weit mehr bedeuten als nur das Ende eines Festivals. Die Weigerung des Landes, angemessen Verantwortung zu übernehmen, ist auch eine deutliche Ansage an das freie Theater im deutschsprachigen Raum, wie wichtig es jenseits von Lippenbekenntnissen tatsächlich genommen wird.«

 

 

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