Miroslav Krleža ist einer der wichtigsten und wegweisendsten Autoren der jugoslawischen Literatur des vergangenen Jahrhunderts. Mit "Die Glembays", "Galizien" und "In Agonie" werden drei Dramen des hierzulande weitgehend unbekannten Autors zu einem großen Bilderbogen zusammengespannt. Die Inszenierung, die Kušej mit 16 Schauspielern des Residenztheaters erarbeitet, wird inklusive zweier Pausen ca. 6 Stunden dauern.
Martin Kušej, Angehöriger der slowenischen Minderheit im österreichischen Bundesland Kärnten, beschäftigt sich schon lange mit den Dramen Miroslav Krležas, Ivan Cankars und anderen Autoren dieses literarischen Raumes, auch als Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte. Vor Jahren war Martin Kušej als Regieassistent in Slowenien auf die Texte von Miroslav Krleža gestoßen. Seitdem trug er die Idee mit sich herum, seine Stücke auch im deutschsprachigen Raum zu inszenieren. Anstoß war nun die Anfrage der Wiener Festwochen, für das Festival Karl Kraus' "Die letzten Tage der Menschheit" zu inszenieren – Martin Kušej machte mit Miroslav Krleža einen Gegenvorschlag.
Für dieses Projekt werden zum ersten Mal die drei Stücke "Die Glembays", "Galizien" und "In Agonie" zu einer Trilogie zusammengeführt, die vor, während und nach dem ersten Weltkrieg spielen. "In Agonie" bietet die Möglichkeit, über eine Zeit des Umbruchs, der Nervosität, der Technisierung und der Einsamkeit des Individuums zu erzählen und somit ein entscheidendes Kapitel europäischer Geschichte abzubilden.
„Meine These für dieses Projekt ist, dass die Ereignisse des Ersten Weltkriegs eine so traumatische Erfahrung für ganz Europa, aber insbesondere für Mitteleuropa und für Österreich waren, dass wir exakt 100 Jahre später immer noch davon beeinflusst sind. Diese fundamentale Erfahrung von Infragestellung der eigenen Identität, von Orientierungslosigkeit, von Verlust von Werten und Zusammenhängen, hat uns in einen unbewusst weiterwirkenden Zustand der Agonie gebracht. Der
Zusammenbruch der Monarchie, das Ende von Aristokratie und Offizierskaste und natürlich die völlige Neuordnung der Grenzen und Identitäten – dieser Urschock wirkt noch Generationen danach weiter.“ (Martin Kušej)
Das erste Stück „Die Glembays“ spielt in Zagreb, am Vorabend des Ersten Weltkriegs. Hier, am äußersten Rand des habsburgischen Reichs, rechnet ein großbürgerlicher Sohn mit seinem mächtigen Vater, mit seiner gesamten bigotten Klasse ab. Der Vater stirbt in der Auseinandersetzung mit dem Sohn und ungeahnte finanzielle Abgründe tun sich daraufhin auf. Der Niedergang und Zerfall einer großbürgerlichen Familiendynastie scheint unabwendbar und nahezu zeitgleich stürzt das bereits taumelnde Europa in eine Katastrophe von bis dahin nicht dagewesenem Ausmaß.
„Galizien“, der zweite Teil, spielt genauso weit in der Ferne, nämlich in der Region um Lemberg. Ganze Landstriche versinken im Dreck des Krieges. Der junge Kadett Horvat will genau dieser Monotonie und Absurdität entgehen und plant zu desertieren. Sein innerer Konflikt dreht sich um die Frage der Schuld und der Verantwortung, der er sich endlich stellen will. Ihm gegenüber steht eine dekadente Offiziersgesellschaft, die immer noch ihre hohlen Standes- und Herrschaftsrituale feiert und sich blutgierig in längst verlorene Schlachtfelder verbeißt.
Auf das Kriegstheater folgt das Kammerspiel „In Agonie“, in dem Laura, eine junge selbstständige Frau versucht, sich nach den Wirren des Krieges zu emanzipieren und einen Neuanfang zu wagen. Ihr Ehemann ist ein abgedankter Offizier, der keinen Platz in den neuen Verhältnissen findet und der Spielsucht und dem Alkohol verfällt. Laura hat seit drei Jahren eine Affäre mit dem Anwalt Križovec und versucht vergeblich ihre Ehe zu lösen. Als sich ihr Mann umbringt und Laura Križovec dazu drängt, nun mit ihr eine feste Beziehung einzugehen, stellt dieser sich als nicht weniger große Enttäuschung heraus.
Regie Martin Kušej
Bühne Annette Murschetz
Kostüme Heide Kastler
Musik Bert Wrede
Licht Tobias Löffler
Dramaturgie Sebastian Huber
Vorstellungsdauer ca. 6 std.
zwei pausen