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"Jeder stirbt für sich allein" nach dem Roman von Hans Fallada im Thalia Theater Hamburg

A-Premiere am 13. Oktober um 19 Uhr, B-Premiere am 14. Oktober um 19 Uhr. -----

„Der Führer hat mir meinen Sohn ermordet!“ Mit diesem Satz auf einer Postkarte beginnt der ungewöhnliche Widerstand eines einfachen Arbeiterpaares zur Zeit des Zweiten Weltkriegs in Berlin.

Fallada erzählt die Geschichte von Anna und Otto Quangel, die nach dem Kriegstod des Sohnes mit einfachsten Mitteln den Kampf gegen die Maschinerie des Nazistaates aufnehmen. Über 200 handgeschriebene Postkarten und Briefe, abgelegt auf Treppen und Hausfluren willkürlich ausgesuchter Wohnhäuser, verteilt das Paar in den Jahren 1940 bis 1942. Doch schon bald geraten sie ins Visier des Kriminalkommissars Escherich, der selbst, mehr karrierebewusster Mitläufer als glühender Nazi, unter dem Druck seiner Vorgesetzten in Zugzwang gerät. Auf dem Stadtplan von Berlin verfolgt er den unbekannten Staatsfeind mit Fähnchen, welche die Fundstellen seine Karten markieren.

Ein erstes Licht in das Dunkel seines Falles scheint die Anzeige einer Sprechstundenhilfe zu bringen. Sie bezichtigt den arbeitsscheuen Simulanten Enno Kluge eine hochverräterische Karte vor der Arztpraxis abgelegt zu haben. Diese falsche Spur führt Kommissar Escherich in das zwielichtige Milieu der Pferderennwetten und Kleinkriminellen. Zu spät erkennt er die Zwecklosigkeit seiner Ermittlungen. Es gibt nur eine Möglichkeit, sein Versagen vor dem sadistischen Obergruppenführer Prall zu vertuschen: Enno Kluge muss sterben. So kommt es, dass die Eheleute Quangel eine Zeit lang unbehelligt wirken können; doch das Blatt wendet sich, als ein ‚pflichtbewusster’ Bürger das Ablegen einer Karte zufällig durch den Türspion beobachtet.

Arbeiterwohnungen, Hinterhöfe, Wettkneipen, Tanzlokale, Gestapo-Büros und schließlich das Gefängnis

in Plötzensee bilden die Kulisse dieser Jagd durch Berlin, für die Bühnenbildnerin Annette Kurz ein

gigantisches Architekturmodell aus über 4000 versprengten Gebrauchs- und Haushaltsgegenständen jener Zeit gebaut hat.

Hilflose, unorganisierte und folgenlose Widerstandsversuche zweier isolierter Einzelkämpfer? Für Luk Perceval, der mit seiner Fallada-Adaption des Romans „Kleiner Mann – was nun?“ 2010 zum Berliner Theatertreffen eingeladen wurde, birgt gerade die Naivität und selbstlose Liebe dieses Paares die utopische Sprengkraft des Stoffes.

Hans Fallada verfasste den Roman auf Anregung Johannes R. Bechers, der ihm die Prozessakten des Berliner Ehepaares Otto und Elise Hampel zuspielte, die 1943 im Gefängnis Plötzensee von den Nazis hingerichtet wurden. Fallada interessierte das selbstlose, naive Engagement der einfachen Leute, deren Karten – z.T. in fehlerhafter Schreibweise – überliefert sind. 60 Jahre nach seinem Tod avanciert Falladas Roman in erstmals unveränderter Ausgabe zum internationalen Bestseller. Es ist der erste Widerstandsroman eines nicht emigrierten Schriftstellers, verfasst in einer atemberaubenden Schreibwut. Zwischen Aufenthalten in Nervenkliniken schreibt Fallada manisch 899 Seiten in vier Wochen und stirbt drei Monate nach Beendigung an Herzversagen.

Regie Luk Perceval

Bühne Annette Kurz

Kostüme Ilse Vandenbussche

Musik Lothar Müller

Licht Mark Van Denesse

Dramaturgie Christina Bellingen

Ensemble Thomas Niehaus (Otto Quangel), Oda Thormeyer (Anna Quangel), André Szymanski

(Kommissar Escherich), Cathérine Seifert (Eva Kluge), Daniel Lommatzsch (Enno Kluge), Alexander

Simon (Emil Barkhausen), Maja Schöne (Trudel Baumann), Mirco Kreibich (Karl Hergesell,

Kammergerichtsrat Fromm), Barbara Nüsse (Obergruppenführer Prall), Gabriela Maria Schmeide (Hete

Häberlein), Benjamin-Lew Klon (Das Füchslein u.a.)

Weitere Vorstellungen am 27. Oktober, 13. und 23. November, 7. Dezember jeweils um 19

Uhr sowie am 18. November um 17 Uhr.

Karten 040. 32 81 44 44 / www.thalia-theater.de

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