Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
"Jenufa" von Leoš Janáček im STAATSTHEATER KASSEL"Jenufa" von Leoš Janáček im STAATSTHEATER KASSEL"Jenufa" von Leoš...

"Jenufa" von Leoš Janáček im STAATSTHEATER KASSEL

Premiere: 10.02.2018, 19.30 Uhr | Opernhaus

Dem rigiden Sittenkodex ihres Dorfes entsprechend, empfindet es Jenufa als Schande, was sie verschweigt: dass sie vor der Verheiratung mit Stewa ein Kind von ihm empfangen hat. Dass dieses Kind dann getötet wird, bringt nicht nur die Küsterin, Jenufas Ziehmutter, an den Rand des Wahnsinns. Letztlich tragen hier alle zum Verhängnis Jenufas bei: ihre neurotische Stiefmutter, ihr unzuverlässiger Liebhaber Stewa, der in sie verliebte Außenseiter Laca, die beschränkte Gesellschaft des Dorfes.

 

Grundlegende Fragen ergeben sich daraus: Kann ein Mensch in solch einer Gemeinschaft überhaupt frei handeln? Was ist dabei als Reflex des sozialen Druckes zu werten? Welches Moralverständnis greift angesichts der Tragik der Küsterin, für die Pflichterfüllung die einzige Garantie bedeutet, akzeptiert zu werden? Sie zerbricht nach dem Mord an Jenufas Kind am inneren Konflikt zwischen Glaubensüberzeugung und Geltungsbedürfnis.

Nicht Realität an sich wird somit rekonstruiert, sondern die subjektive Realität der einzelnen Figuren, »nicht die Küsterin als Bühnengestalt, sondern die Küsterin dieses schicksalsvollen Augenblicks« formulierte Janáček. Er vertonte Preissovás Prosatext als Melodie des gesprochenen Wortes, die in der Volksmusik verwurzelt ist.

»Die Oper braucht wahres Leben.« Schon dieser Satz weist Leoš Janáček als »Realisten« unter den Musikdramatikern aus. Inspiriert von den Realisten unter den Romanciers und Dramatikern Russlands, ging er seinen eigenen musikdramatischen Weg, bei dem er weniger auf Effekt und melodisch-romantische Bögen setzte, als vielmehr auf das gesprochene Wort, bzw. die Sprachmelodie des Tschechischen.

»Jenůfa«, komponiert zwischen 1894 und 1903, ist das erste Ergebnis dieses Realismus: Die Oper zeigt eine verrohte Gesellschaft, in der soziale Strukturen nichts bedeuten, und eine Arbeitswelt, in der die Mehrheit von einigen Wenigen ausgebeutet wird. Dem rigiden Sittenkodex ihres Dorfes entsprechend, empfindet es Jenůfa als Schande, dass sie als Unverheiratete ein Kind von Stewa empfangen hat. Dass dieses Kind dann getötet wird, bringt nicht nur die Küsterin, Jenůfas Ziehmutter, an den Rand des Wahnsinns. Letztlich tragen hier alle zum Verhängnis Jenůfas bei: ihre neurotische Stiefmutter, ihr unzuverlässiger Liebhaber Stewa, der in sie verliebte Außenseiter Laca, die beschränkte Gesellschaft des Dorfes.

Janáček vertonte Preissovás Prosatext als Melodie des gesprochenen Wortes, die in der Volksmusik verwurzelt ist. In fortwährender Vorwärtsbewegung zwischen ruhigem Fließen und wildbewegtem Fortstürzen malte der tschechische Komponist ein bedrückendes Seelendrama, in das wir schon vom ersten Augenblick an mit beklemmender Intensität hineingezogen werden.

 

Text vom Komponisten nach der Dichtung von Gabriela Preissová (1890)

  • Musikalische Leitung: Francesco Angelico
  • Inszenierung: Markus Dietz
  • Bühne: Mayke Hegger
  • Kostüme: Henrike Bromber
  • Video: Michael Lindner
  • Dramaturgie: Dr. Ursula Benzing / Christian Steinbock
  • Licht: Dirk Thorbrügge
  • Choreinstudierung: Marco Zeiser Celesti


Mit Jaclyn Bermudez (Jenůfa), Ulrike Schneider(Die Küsterin Buryja), George Oniani (Laca Klemen), Tobias Hächler (Stewa Buryja), Lona Culmer-Schellbach (Die alte Buryja), Hee Saup Yoon (Dorfrichter), Marta Herman (Seine Frau), Karola Sophia Schmid (Karolka, ihre Tochter), Ani Yorentz (Barena, Dienstmagd in der Mühle), Marc-Olivier Oetterli (Altgesell), Maren Engelhardt (Eine Schäferin), Lin Lin Fan (Jano), Joanna Kalinowska (Tante)

 

  • Staatsorchester Kassel, Opernchor des Staatstheaters Kassel
  • Nächste Vorstellungen: 17.02., 23.02., 28.02., 8.3., 10.3.


Das Bild zeigt Leoš Janáček

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 16 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

SCHATTEN EINES DORFES - Deutsche Erstaufführung "Die Bagage" von Monika Helfer im Studiotheater Stuttgart

Die Inszenierung von Lisa Wildmann nach dem Roman "Die Bagage" der 1947 in Au/Bregenzerwald geborenen Autorin Monika Helfer lebt von suggestiven psychologischen Beobachtungen und starken…

Von: ALEXANDER WALTHER

EFFEKTVOLLE WENDUNGEN - "Der letzte Vorhang" von Maria Goos im Theater Atelier/STUTTGART

Dieses Stück von Maria Goos (die in den Niederlanden als Multitalent viele Fernsehpreise gewann) verpackt eine komplizierte Dreiecksbeziehung geschickt zu einem durchaus spannenden Stück mit…

Von: ALEXANDER WALTHER

Traum oder Wirklichkeit? "Die Tote Stadt" von Erich Wolfgang Korngold in der Deutschen Oper am Rhein

Nach dem Tod seiner über alles geliebten Frau Marie hat sich Paul nach Brügge zurückgezogen, einer Stadt, die für ihn mit ihren alten kleinen Häusern, kleinen Gassen und zahlreichen Kanälen einen…

Von: Dagmar Kurtz

VERWIRRSPIEL IM HOTEL - Mozarts "Don Giovanni" in der Staatsoper Stuttgart

Andrea Moses inszeniert Mozarts Meisterwerk in einem Hotel als Labyrinth gegenseitiger Täuschungen und Enttäuschungen. Auch hier eilt Don Giovanni als unwiderstehlicher Verführer von einer Eroberung…

Von: ALEXANDER WALTHER

EXPLOSIVE RHYTHMEN - Tanzabend mit Israel Galvan bei den Schlossfestspieleni n der Karlskaserne/LUDWIGSBURG

Der Spanier Israel Galvan gilt als "Nijinsky des Flamencos" und fühlt sich vom traditionellen Flamenco erstickt. Jetzt hat er sich Igor Strawinskys "Le Sacre du printemps" vorgenommen, jenes Ballett,…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑