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Johann Nestroy, "Der Zerrissene", Theater in der Josefstadt in WienJohann Nestroy, "Der Zerrissene", Theater in der Josefstadt in WienJohann Nestroy, "Der...

Johann Nestroy, "Der Zerrissene", Theater in der Josefstadt in Wien

Premiere 1.10.2014, 19.30 Uhr. -----

Armut is ohne Zweifel das Schrecklichste. Mir könnt’ einer zehn Millionen herlegen, und sagen, ich soll arm sein dafür, ich nähmet’s nicht. Und was schaut andrerseits beim Reichtum heraus? Auch wieder ein ödes abg’schmacktes Leben. (Herr von Lips)

Es war von Nestroy eine köstliche Idee, einen Übersättigten, Abgestumpften, gegen alle Reize des Lebens Unempfindlichen, auf das Theater zu bringen: Einer der im Reichtum erzogen, im Überflusse aufgewachsen, in der Schwelgerei überfüttert, keinen Reiz mehr am Leben findet, ist der Held: ein Zerrissener, dessen Gemüt zerfleischt, dessen Gefühle abgestumpft, dessen ganzes Wesen ihm eine Qual ist.

Er hat Alles durchgemacht, seine Wünsche sind alle erfüllt worden; er findet keine Lust mehr an seiner Existenz. Da will es der Zufall, dass er mit einem Handwerker ins Gedränge kommt und beide im Ringen von einem Balkon in einen Fluss stürzen. Beide werden gerettet, da sie aber von ihrer gegenseitigen Rettung nichts erfahren, so wähnen sie, jeder einzeln, der Mörder des andern zu sein.

Nun beginnt die eigentliche Handlung des Stückes. Der Zerrissene irrt arm und in namenloser Angst als Flüchtling auf seiner eigenen Herrschaft herum. Hier lernt er den Wert der Freiheit, des Geldes, den Wert wahrer Liebe, das Herz eines edlen Mädchens und den Unwert seiner Freunde kennen. Nestroy tritt durch sein Meistertalent als Dichter hervor und lässt alle seine Witzraketen in höchster Üppigkeit los.

(Theaterzeitung zur Uraufführung von Der Zerrissene 9. April 1844, Theater an der Wien)

Wo Nestroy irgendeine moralische Ungleichung bemerkte, da stellte er sie ans Licht und gab sie dem Spott preis: er hatte eine außerordentliche Witterung für alles Komplizierte, Widerspruchsvolle, Vieldeutige in der menschlichen Natur und eine seltene Gabe, gerade die halben, gemischten, gebrochenen Seelenfarben auf seine Palette zu bringen. Er bevorzugte die ordinären Sorten der Bühnenliteratur: das Kolportagedrama, das Familienmelodram, den Schwank und die Posse, aber freilich im höchsten Maße veredelt, indem er ihnen seinen reifen, funkelnden, facettenreichen Geist okulierte. Alles Technische ist bei ihm gewollt primitiv, aber dieses grobe Gerüst dient ihm ja nur dazu, um daran die gestuftesten, menschenkundigsten Bosheiten aufzuhängen. Er war ein Auflöser der Romantik, ein unerbittlicher Unterminierer alles Pathos und Zerreißer lebensverfälschender Illusionen. Seine späteren Werke zerstören die romantischen Inhalte: eine lebensgefährlichere Parodie auf die Mode der Sentimentalität als der "Zerrissene" ist nie geschrieben worden.

(Egon Friedell)

Regie

Michael Gampe

Bühnenbild

Erich Uiberlacker

Kostüme

Elisabeth Binder-Neururer

Musikalische Leitung

Tommy Hojsa

Herr von Lips, ein Kapitalist

Michael Dangl

Stifler

Oliver Huether

Sporner

Friedrich Schwardtmann

Wixer

Nicolaus Hagg

Madame Schleyer

Marianne Nentwich

Gluthammer, ein Schlosser

Martin Zauner

Krautkopf, Pächter auf einer Besitzung des Herrn von Lips

Siegfried Walther

Kathi, seine Anverwandte

Martina Ebm

Staubmann, Justitiaruius

Alexander Strobele

Anton

Clemens Aap Lindenberg

Josef

Alexander Absenger

Christian

Josef Ellers

Musik

Thomas Hojsa, Karsten Riedel, Nikolai Tunkowitsch

Gäste/Bauernvolk

Katrin Eberl, Elisabeth Kofler, Michael Edlinger, Gregor Kronthaler

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