Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
KörperarbeitKörperarbeitKörperarbeit

Körperarbeit

"The Oracle" von Meryl Tankard im Tanzhaus NRW in Düsseldorf

 

Schrilles Geschrei wie von hoch in der Luft fliegenden Schwalben ertönt, ein Video zeigt Körperformationen in kaleidoskopartiger Verzerrung, unterbrochen von Kreuzzeichen. Dann setzt ohrenbetäubendes Grillengezirpe ein. Der Frühling ist bereits vorbei. Langsam bewegt sich ein Tänzer aus dem Dunkel auf die Bühne, Strawinskys "Le Sacre du Printemps" erklingt.

 

Meryl Tankard bezieht sich in ihrer Interpretation der Inkunabel des 20. Jahrhunderts nicht auf die archaische Geschichte vom Frühlingsopfer, die Strawinsky zu seinem Werk angeregt hatte und die in unzähligen choreographischen Variationen nacherzählt wird. Sie hat sich von der Dynamik der Musik anregen lassen, ein Solo zu kreieren, das dem Tänzer Paul White fast Unmögliches abverlangt. Der Körper wird bis an seine Grenzen gefordert und erscheint mal manieristisch verformt, dann wieder in absoluter Expressivität. Vaslav Nijinskis Faun wird kurz zitiert. Auf seinen Abstieg in den Wahnsinn scheint sich auch diese Choreographie zu beziehen. Denn offenbar toben sich widerstrebende Kräfte im Körper aus, seelische Konflikte ausdrückend, die zwischen sexueller Obsession und Religiosität oszillieren.

 

Mit ungeheurer Intensität beherrscht Paul White, ein absoluter Ausnahme¬künstler, fast 50 Minuten lang die Bühne. Für diese atemberaubende Performance wurde er dann auch entsprechend enthusiastisch gefeiert.

 

Konzept, Künstlerische Leitung: Meryl Tankard

Tanz: Paul White

Bühnen- und Videodesign: Régis Lansac

Kostümdesign: Meryl Tankard

Lichtdesign: Damien Cooper, Matt Cox.

 

November 2013

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 8 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

GLUT UND FEUER -- Jubiläumskonzert 40 Jahre Kammersinfonie im Kronenzentrum BIETIGHEIM-BISSINGEN

1984 wurde dieser für die Region so bedeutende Klangkörper von Peter Wallinger gegründet. Unter der inspirierenden Leitung von Peter Wallinger (der unter anderem bei Sergiu Celibidache studierte)…

Von: ALEXANDER WALTHER

EINE FAST HYPNOTISCHE STIMMUNG -- Gastspiel "Familie" von Milo Rau mit dem NT Gent im Schauspielhaus STUTTGART

Dieses Stück erzielte bei Kritikern zum einen große Zustimmung, zum anderen schroffe Ablehnung. Vor allem die nihilistischen Tendenzen wurden getadelt. Der Schweizer Milo Rau hat hier das beklemmende…

Von: ALEXANDER WALTHER

MIT LEIDENSCHAFTLICHEM ÜBERSCHWANG -- Richard Wagners "Walküre" mit dem Rotterdam Philharmonic Orchestra konzertant im Festspielhaus/BADEN-BADEN

Wagner hatte die Komposition der "Walküre" im Sommer 1854 begonnen, noch vor der Vollendung der "Rheingold"-Partitur. Der Dirigent Yannick Nezet-Seguin begreift mit dem vorzüglich disponierten…

Von: ALEXANDER WALTHER

AUFSTAND DER UNTERDRÜCKTEN -- "Farm der Tiere von George Orwell im Schauspielhaus Stuttgart

"Kein Tier in England ist frei!" So lautet das seltsame Motto von George Orwells "Farm der Tiere", die wie "1984" auch irgendwie eine seltsame Zukunftsvision ist. Die Tiere wie Hunde, Hühner, Schafe…

Von: ALEXANDER WALTHER

VERWIRRUNG BIS ZUM SCHLUSS -- "Es war einmal ein Mord" von Giovanni Gagliano im Theater Atelier Stuttgart

Eine geschickt verwobene und raffinierte Handlung präsentiert Vladislav Grakovski in seiner Inszenierung des Kriminalstücks "Es war einmal ein Mord" von Giovanni Gagliano. Spannung, Humor und…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑