Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
Kurt-Hübner-Preis 2020 geht an die Regisseurin Alize Zandwijk, Nachwuchspreis an Killian FarrellKurt-Hübner-Preis 2020 geht an die Regisseurin Alize Zandwijk, Nachwuchspreis...Kurt-Hübner-Preis 2020...

Kurt-Hübner-Preis 2020 geht an die Regisseurin Alize Zandwijk, Nachwuchspreis an Killian Farrell

Verleihung durch die Bremer Theaterfreunde im Herbst 2020.

Der Kurt-Hübner-Preis der Bremer Theaterfreunde geht in diesem Jahr an die Regisseurin Alize Zandwijk. Erstmals wird auch ein Nachwuchspreis vergeben, den erhält der 26-jährige Dirigent Killian Farrell. Die Preisverleihung wird im Herbst 2020 stattfinden, der Termin wird rechtzeitig vorher bekannt gegeben.

 

In der Jurybegründung zum Kurt-Hübner-Preis heißt es:
In diesem Jahr ging kein Weg an ihr vorbei: Alize Zandwijk ist die Preisträgerin des Kurt-Hübner-Preises. Mit „Vögel“ von Wajdi Mouawad gelang der leitenden Regisseurin des Schauspiels zu Beginn dieser abgebrochenen Spielzeit ein sehr intimer, gleichwohl sehr politischer und ungeheuer intensiver Theaterabend, ein Paradebeispiel für die große Könnerschaft, die Regisseurin Alize Zandwijk und ihr überragend agierendes Schauspiel-Ensemble auszeichnet. Genauso intensiv, aber ganz anders war ihre zweite Arbeit mit elf Jungen bzw. jungen Männern im Kleinen Haus: „Frühlingserwachen“. Zum Zerreißen gespannt, in ständiger Bewegung, schutzlos sich allen Impulsen ausliefernd und trotzdem unerschrocken, entdecken und erspielen sich ihre Jungen Akteure Sexualität, Einsamkeit und Freundschaft. Und die Zuschauerinnen und Zuschauer schauten ihnen atemlos zu. Genau wie den kochenden und erzählenden Müttern aus der letzten Spielzeit, die auch in dieser Spielzeit wieder das Foyer zu einer großen Küche machten und zu einem besonderen Ort der Begegnung. „Der Schimmelreiter“, im letzten Jahr für das Berliner Theatertreffen vorgeschlagen, ging derweil in dieser Spielzeit auf Tour, die Produktion gastierte in Bozen, Gütersloh, Ludwigshafen und wäre nach Brünn in Tschechien gefahren. Gespannt war man auf ihre nächste Auseinandersetzung mit Bertolt Brecht, doch kurz vor den Endproben musste „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“ unterbrochen werden. „Gefühl wird zu Bewegung wird zu Musik.“ Das hat einmal ein Kritiker geschrieben und dieser Satz beschreibt sehr schön und pointiert die Arbeit von Alize Zandwijk. Es geht um Stimmungen, Haltungen, Seelenbilder und wie man diese gemeinsam in Bewegung setzt. Und dann ist eine gute Probe eine Jazzimprovisation und eine gute Inszenierung ein wunderbares Tanztheater mit und ohne Worten. Aber großen Gefühlen. Eine Alize-Zandwijk-Inszenierung ist unter Corona-Auflagen nicht vorstellbar.

Alize Zandwijk studierte bereits mit 18 Jahren Regie an der Theaterakademie in Kampen und begann ihre Karriere mit kleinen Theatergruppen in der Off-Szene. Später arbeitete sie für die Toneelgroep Amsterdam und Stella Den Haag. 1998 bildete sie gemeinsam mit Guy Cassiers die künstlerische Leitung des Rotterdamer RO Theater, 2006 wurde sie ebendort künstlerische Direktorin. Seit 2003 inszeniert sie regelmäßig in Deutschland, u. a. am Thalia Theater und am Deutschen Theater Berlin. Am Theater Bremen gab sie in der Spielzeit 2012/13 ihr Debüt mit Dea Lohers „Das Leben auf der Praça Roosevelt“, seit der Spielzeit 2016/17 ist sie leitende Regisseurin im Schauspiel am Theater Bremen.

Mit dem Kurt-Hübner-Preis zeichnen die Bremer Theaterfreunde e.V. seit 1996 jährlich eine besonders herausragende künstlerische Leistung am Theater Bremen aus. Der Preis ist mit 5.000 Euro dotiert und wurde zuletzt an den Sänger Patrick Zielke (2015), die Schauspielerin Nadine Geyersbach und den Schauspieler Alexander Swoboda (2016), an die Jungen Akteure (2017) an den Chor des Theater Bremen unter Leitung von Alice Meregaglia (2018) und im vergangenen Jahr an den Schauspieler Simon Zigah (2019) verliehen. Benannt ist der Preis nach Kurt Hübner, der von 1962 bis 1973 Generalintendant am Theater Bremen war.

Der Nachwuchspreis der Bremer Theaterfreunde wird in diesem Jahr erstmalig vergeben, er ist mit 2000 Euro dotiert. Mit dem Preis sollen junge Theaterkünstler*innen ausgezeichnet werden, die aufgrund ihrer Leistung und Persönlichkeit als besonders förderungswürdig erscheinen. Er wird gemeinsam mit dem bereits 1996 ins Leben gerufenen Kurt-Hübner-Preis vergeben. Der erste Preisträger ist Killian Farrell.

In der Jurybegründung zum Nachwuchspreis heißt es:
Killian Farrell wird mit dem erstmals verliehenen Nachwuchspreis der Bremer Theaterfreunde ausgezeichnet. Der aus Dublin stammende Dirigent ist seit 2017 am Theater Bremen engagiert und wird hier zur kommenden Spielzeit im Alter von gerade einmal 26 Jahren Erster Kapellmeister.

Als Dirigent, Korrepetitor und Assistent des Generalmusikdirektors ist Killian Farrell eng in die aktuelle Entwicklung des Musiktheaters des Theater Bremen eingebunden. Am Pult der Bremer Philharmoniker konnte man ihn bereits in einem breiten Opernrepertoire von Mozarts „Zauberflöte“ über Richard Strauss‘ „Rosenkavalier“ bis zu Schostakowitsch‘ „Lady Macbeth von Mzensk“ erleben.

Mit Wolfgang Rihms Kammeroper „Jakob Lenz“ übernahm Killian Farrell nun erstmals eine Opernneuproduktion eigenverantwortlich als Musikalischer Leiter. Marco Štormans Inszenierung zählt zu den unbestreitbaren Höhepunkten einer daran nicht geizenden Spielzeit – nicht zuletzt aufgrund der überragenden Leistung von Claudio Otelli in der Titelpartie und des außergewöhnlichen Bühnenraumes von Jil Bertermann.

Die Jury zeigte sich beeindruckt von der Souveränität, mit der Killian Farrell die musikalischen Fäden in einem besonderen Musiktheater-Setting zusammenzuhalten wusste und so ein überzeugendes Plädoyer für die Relevanz der Neuen Musik in der Oper lieferte. Gerade bei avantgardistischer Musik kommt der Vermittlung eine zentrale Rolle zu. Dies wissend, ließ Killian Farrell es sich nicht nehmen, die Einführungsveranstaltungen kurz vor Vorstellungsbeginn gemeinsam mit der Dramaturgin Isabelle Becker persönlich durchzuführen. Er spielte am Flügel Auszüge vor, sang kleine Passagen, erklärte die Zusammenhänge – und weckte im Publikum mit seiner eigenen Begeisterung die Neugier auf diesen nicht alltäglichen Opernabend.

Killian Farrell studierte Klavier, Orgel und Dirigat am DIT Conservatory of Music and Drama in Dublin und absolvierte parallel dazu ein Studium der Musikwissenschaft am Trinity College in Dublin, das er 2016 mit Auszeichnung beendete. Bereits im Alter von 17 Jahren debütierte er als Dirigent in einer Aufführung von Bachs „Johannes-Passion“. Als Korrepetitor und Young Artist am National Opera Studio in London vervollständigte er seine Ausbildung, weitere wichtige Impulse erhielt er durch das Young Artists Program der Britten-Pears Academy und der Académie du Festival d’Aix-en-Provence, wo er eng mit Andris Nelsons und Thomas Adès zusammenarbeitete. Letzte Gastdirigaten führte ihn zu dem Musiekgebouw Amsterdam (Dutch National Opera) und das Ulster Orchestra, u. a..

Die diesjährige Jury setzte sich wie folgt zusammen: Prof. Michael Börgerding (Intendant Theater Bremen), Ursula van den Busch (Theaterfreunde), Rainer Glaap (Theaterfreunde), Christine Gorny (Radio Bremen), Iris Hetscher (Weser-Kurier), Lore Kleinert (Theaterfreunde), Daniel de Olano (Theaterfreunde), Peter Schulz (Freier Journalist) und Rolf Stein (Kreiszeitung).

 

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 31 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

EXPLOSIVE KLANGMISCHUNG -- "Eine florentinische Tragödie" von Alexander Zemlinsky bei NAXOS (BR KLassik)

Nicht sonderlich erfolgreich geriet die Stuttgarter Uraufführung der einaktigen Oper "Eine florentinische Tragödie" von Alexander Zemlinsky im Jahre 1917 unter der Leitung von Max von Schillings. In…

Von: ALEXANDER WALTHER

Die ganze Wahrheit? -- „True Crime“ - Andrey Kaydanovskiy | Hege Haagenrud | Demis Volpi in der Deutschen Oper am Rhein

Drei tänzerische Perspektiven zu Wahrheit und Fiktion: Andrey Kaydanovskiy „Chalk“, Hege Haagenrud „The Bystanders“, Demis Volpi „Non-Fiction Études“  

Von: Dagmar Kurtz

SZENEN OHNE ILLUSIONEN -- "Tosca" von Giacomo Puccini in der Staatsoper Stuttgart

Kann Kunst unsere Wirklichkeit beeinflussen? Diese Frage steht als zentrales Thema im Zentrum der Inszenierung von Willy Decker, dessen Figuren sich in Puccinis "Tosca" in einem schwarzen Kasten…

Von: ALEXANDER WALTHER

RETTET DIE FRAUEN! -- Premiere "Zertretung" von Lydia Haider im Schauspiel Nord STUTTGART

Die 1985 in Oberösterreich geborene Lydia Haider hat hier einen radikalen Text vorgelegt, der zuweilen an Rainald Goetz erinnert. Die zentrale Frage lautet: Wie geht man mit einem System um, das…

Von: ALEXANDER WALTHER

ATEMLOSE HÖHENFLÜGE -- SWR Symphonieorchester mit Busoni und Sibelius im Beethovensaal der Liederhalle/STUTTGART

Zwei unterschiedliche Zeitgenossen standen diesmal im Zentrum: Jean Sibelius und Ferrucio Busoni. Immerhin weiß man, dass beide in Helsinki Schumanns Klavierquintett in Es-Dur gemeinsam musizierten.…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑