Im Italien des 17. Jahrhunderts richtet Galilei sein Fernrohr auf die Sterne, verschiebt die Erde im Universum, schafft den Himmel ab, sucht und findet Beweise, lässt die Kristallsphären, in denen Ptolemäus die Welt eingeschlossen hatte, in Stücke zerbersten und löscht das Selbstverständnis und die Vorstellungen der Menschen aus. Er wirft das «Theater der Kirche» aus dem Gleichgewicht und bringt ihre Akteure ins Wanken. Die Inquisition stoppt ihn, er muss seine Theorien verleugnen, aber die Inquisition kann ihn nicht davon abhalten, heimlich unter sein Werk – mit den «Discorsi» – seine «Unterschrift» zu setzen.
Jean-François Sivadiers Inszenierung von Bertolt Brechts «Leben des Galilei» war bei seiner Aufführung am Festival d'Avignon das grosse Ereignis. Publikum und Presse bejubelten die Vitalität der Inszenierung und die Leichtigkeit des Spiels. Dem jungen Regisseur und seinem überragenden Hauptdarsteller Nicolas Bouchaud war es gelungen, Brechts theatralischer Auflehnung gegen die Diktatur einen so universellen wie beglückenden Ausdruck zu geben.
Jean-François Sivadier, 43, ist einer der wichtigen neuen Regisseure am französischen Theaterhimmel. Er ist Schauspieler und inszeniert sowohl in der Oper wie auch im Theater. Seinen Durchbruch als Schöpfer grosser Theaterabende hatte er mit dem Stück «Italienne avec Orchestre», diesen Namen gabe er auch seiner Truppe. Dazu gehört der Schauspieler Nicolas Bouchaud, 40, der kürzlich als Büchners Danton (ebenfalls unter Sivadiers Regie) erneut das Publikum bannte.
Mit «La vie de Galilei» startet die Série Française in ihre Saison 2006/07. In diesem Jahr stehen vier wichtige Inszenierungen aus dem französischsprachigen Raum auf dem Programm: «Electre», von Sophocles, inszeniert von Philippe Calvario (mit Jane Birkin in der Titelrolle); «Le médecin malgré lui» von Molière, inszeniert von Jean Liermier (eine Produktion des Théâtre Vidy-Lausanne); und das neue Projekt von Deschamps & Makeïeff: «La méchante vie» nach Texten von Henri Monnier.