Stefan Pucher inszeniert Eugene O´Neills "Trauer muss Elektra tragen" und stellt sich mit dieser modernen amerikanischen Variante der "Orestie" erstmals in München vor.
Trauer muss Elektra tragen
von: Eugene O`Neill
Regie: Stefan Pucher
Mit: Stephan Bissmeier, Anna Böger, Peter Brombacher, René Dumont, Oliver Mallison, Katharina Schubert, Michaela Steiger, Walter Hess
Bühne: Barbara Ehnes
Kostüme: Annabelle Witt
Video: Chris Kondek
Musik: Marcel Blatti
Licht: Max Keller
Dramaturgie: Matthias Günther
Premiere am 28. September 2006 im Schauspielhaus
Eugene O'Neills Trilogie "Trauer muss Elektra tragen" ist eine moderne amerikanische Variante der Orestie des Aischylos. Im Zentrum steht die Familie des erfolgreichen Industriellen und Politikers Ezra Mannon, der im ersten Teil der Trilogie als General aus dem Krieg zurückerwartet wird. Ezra verkörpert die demokratischen Ideale der amerikanischen Gesellschaft, die Einheit von Macht und Volk, die Gewissheit, auf der richtigen Seite zu stehen. Ihm weniger zur Seite als eher bereit zum Seitensprung steht seine glamouröse Ehefrau Christine, die Ezra mit dem zwielichtigen Adam Brant betrügt. Gemeinsam planen sie den Mord Ezra Mannons. Im zweiten Teil rächt Lavinia, die misstrauische Tochter der Mannons, den Tod des Vaters gemeinsam mit ihrem Bruder Orin, der als vermeintlicher Kriegsheld nach Hause zurückgekehrt ist. Er präsentiert sich zunächst als ein schwacher, mutterfixierter Durchschnittsmensch, ehe sich seine Mutterliebe in Hass verkehrt. Im dritten Teil glauben die Geschwi ster nac h einer einjährigen Odys see, sich aus den Zwängen der verhängnisvollen Familiengeschichte befreit zu haben. Ein Trugschluss, es dominiert die Paranoia. O'Neill verknüpft in Trauer muss Elektra tragen Elemente der antiken Tragödie mit Stilmitteln der soap-opera, des Thrillers und einem an Sigmund Freud geschulten Modell der therapiebedürftigen Familie zu einem Schnittbogen dramatischer, neurotischer Kolportage.
Der Regisseur Stefan Pucher, 1965 in Gießen geboren, studierte Theaterwissenschaften und Amerikanistik in Frankfurt/Main. Ab Mitte der 90er Jahre erforschte er zunächst in verschiedenen Performance-Projekten das Zusammenspiel von Videokunst, Musiksamples und Sprechtexten, bevor er 1999 am Theater Basel mit Tschechows Der Kirschgarten erstmals einen klassischen Theatertext inszenierte. Stefan Pucher war von 2000 bis 2004 Hausregisseur am Schauspielhaus Zürich, wo er 2004 Die Orestie von Aischylos inszenierte. Drei seiner Zürcher Inszenierungen und sein Hamburger Othello wurden zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Er arbeitet zum ersten Mal mit dem Ensemble der Münchner Kammerspiele.
Am 29. September 2006 ist die Uraufführung von Anja Hillings neuem Stück im Werkraum zu sehen. Felicitas Brucker inszeniert "Engel", u.a. mit dem neuen Ensemblemitglied Lasse Myhr, der von der Hochschule für Musik und Theater Zürich kommt.
Werkraum
Engel
von: Anja Hilling
Regie: Felicitas Brucker
Mit: Arvild Baud, Julika Jenkins, Sylvana Krappatsch, Stefan Merki, Lasse Myhr, Susanne Schroeder, Anna Maria Sturm, Sven Walser, Sebastian Weber
Bühne: Frauke Löffel
Kostüme: Sara Schwartz
Musik: Arvild Baud
Licht: Christian Mahrla
Dramaturgie: Marion Tiedtke
Uraufführung am 29. September 2006 im Werkraum
Beim Dramatikerwochenende 2004 haben die Münchner Kammerspiele erstmals einen Text von Anja Hilling vorgestellt, der in der anschließenden Inszenierung Mein junges idiotisches Herz der Autorin die Wahl zur Nachwuchsdramatikerin des Jahres 2005 sicherte. Inzwischen hat sie ihr sechstes Stück Engel geschrieben, in dem sie ihre dramatische Welt noch mehr ausbaut: Sie löst nicht nur die Einheit von Raum, Zeit und Handlung auf, sondern auch die Logik ihrer Figuren und setzt an diese Stelle ein mysteriöses Kaleidoskop der Begegnungen. Ein nostalgischer Liebhaber trifft nach neunzehn Jahren seine große Liebe wieder, aber ist sie es wirklich? Ein Tätowierer hat den Totschlag einer Frau beobachtet, die er plötzlich in einer Bar trifft und ein Ehemann trauert um seine verstorbene Frau, die nach drei Jahren vor seiner Tür steht... Wahrnehmung, Erinnerung und Phantasie stülpen sich über die gemeinsame Realität. Verloren in all diesen Widersprüchen schneiden die Menschen einander buchstäb lich ins Fleisch: sie tätowieren sich, erschlagen sich oder wollen vom anderen verletzt werden, weil sie sich der Liebe nicht gewiss sein können, nur des Schmerzes - als letztem Rest realer Erfahrung.
Anja Hilling ist Studentin für Szenisches Schreiben an der Universität der Künste Berlin. Seit 2003 ist sie mit ihren Stücken nicht nur in der deutschen Theaterlandschaft vertreten, sondern auch mehrfach für ihre Texte ausgezeichnet worden.
Felicitas Brucker hat in England Regie studiert und an den Münchner Kammerspielen zunächst als Regieassistentin gearbeitet, bevor sie in der letzten Spielzeit mit "Draussen tobt die Dunkelziffer" ihre erste eigene Inszenierung an den Kammerspielen zeigte. Sie inszeniert auch am Schauspiel Hannover und Theater Freiburg.
Das vierte Wochenende der jungen Dramatiker beginnt am 30. September und endet am 1. Oktober 2006 mit einer Abschlussdiskussion im CONVIVA im Blauen Haus. Anders als in den vergangenen Jahren finden alle Inszenierungen, Lesungen und Installationen im Schauspielhaus statt - auf der Bühne und in allen umliegenden Kammern und Gängen zeigen wir ein Spektrum der zeitgenössischen Dramatik.
Werkraum
4. Wochenende der jungen Dramatiker
Inszenierungen, Lesungen, Party und Diskurs
Am 30. September und 1. Oktober 2006
Am Anfang war das Wort: unter diesem Motto findet zu Spielzeitbeginn Das vierte Wochenende der jungen Dramatiker statt. Auftakt ist die Uraufführung von Anja Hillings Engel am 29. September im Werkraum. Dann entern am Samstag, den 30. September, die neuen Stücke von sechs ausgewählten jungen Autorinnen und Autoren (u.a. Jörg Albrecht, Nicolai Borger, Nina Ender, Daniela Janjic und Thomas Melle) für eine lange Nacht erstmals die Bühne des Schauspielhauses.
Mit dem Ensemble der Kammerspiele und in der Regie von Christiane Pohle, Schorsch Kamerun, Laurent Chétouane, Lars-Ole Walburg, Roger Vontobel und Barbara Weber werden die jungen Dramatiker in inszenierten Lesungen und skizzenhaften Inszenierungen vorgestellt. Vorher verwandeln den Kammerspielen verbundene Bühnen- und Kostümbildner, Videokünstler, Schauspieler, Regisseure und Musiker das Foyer des Schauspielhauses und die umliegenden Kammern, Garderoben und Hinterbühnen in ein Kabinett der Ängste: Ausgangspunkt sind Kurztexte, die so unterschiedliche Autoren wie Elfriede Jelinek, Jon Fosse, Paul Brodowski, Polle Wilbert, Anja Hilling, Rafael Spregelburd, Feridun Zaimoglu, Thomas Meinecke und FX Karl zu den 426 wissenschaftlich anerkannten Arten der Angst für uns geschrieben haben. Von Autophobie (Angst vor sich selbst) bis Zelophobie (Angst vor Eifersucht) entstehen szenische Miniaturen und Installationen, Videoschleifen und Hörstücke.
Darüber hinaus geben Dichterlesungen und Gespräche mit bereits etablierten Autoren Einblicke in ihre aktuelle Arbeit. Irgendwann nach Mitternacht feiern wir die zeitgenössische Dramatik mit einer Party im Schauspielhaus - bis dann am Sonntag Mittag das Dramatikerwochenende mit Brunch und Diskussion zu Ende geht.
Unser EXTRA im Oktober: Wir freuen uns sehr, dass der norwegische Autor Jon Fosse zu Gast in den Münchner Kammerspielen ist und einen Tag vor der deutschsprachigen Erstaufführung seines neuen Stückes im Werkraum aus seinem lyrischen Werk liest.
Werkraum
Jon Fosse liest
Am Donnerstag, den 19. Oktober im Werkraum
Jon Fosse liest aus seinem lyrischen Werk, zusammen mit seinem Übersetzer Hinrich Schmidt-Henkel
Einen Tag vor der deutschsprachigen Erstaufführung seines neuen Stückes Schatten ist der Autor selbst zu Gast. Jon Fosse hat aus seinem lyrischen Werk, das auf deutsch bislang noch nicht veröffentlicht ist, 49 Lieblingsgedichte ausgewählt. Hinrich Schmidt-Henkel hat sie ins Deutsche übertragen. Autor und Übersetzer lesen auf norwegisch und deutsch eine Auswahl aus dieser Auswahl.
Die deutschsprachige Erstaufführung seines neuen Stückes "Schatten" am 20. Oktober 2006 inszeniert Laurent Chétouane u.a. mit zwei neuen Ensemblemitgliedern: Edmund Telgenkemper, der zuletzt zum Ensemble des Theaters Basel gehörte, und Lena Lauzemis, die soeben ihre Ausbildung an der Hochschule Ernst Busch in Berlin beendet hat.
Schauspielhaus
Schatten
von: Jon Fosse
Regie: Laurent ChétouaneMit: Brigitte Hobmeier, Hans Kremer, Lena Lauzemis, Christoph Luser, Hildegard Schmahl, Edmund Telgenkämper
Bühne: Laurent Chétouane/Marie Holzer
Kostüme: Imke Schlegel
Musik: Lenard Schmidthals
Licht: Stephan Mariani
Dramaturgie: Björn Bicker
Deutschsprachige Erstaufführung am 20. Oktober 2006 im Schauspielhaus
Wenn bürgerliche Menschen plötzlich nicht mehr wissen, wo sie sind, dann sind sie entweder tot, oder Jon Fosse hat sie ins Reich der Schatten geschickt. Aber was ist das Reich der Schatten? Ist es der Himmel? Ist es die Hölle? Ist es das immerwährende Dazwischen? In Fosses neuestem Stück kommt das bürgerliche Theater in der skandinavischen Folge Strindbergs und Ibsens ganz zu sich selbst und löst sich gleichzeitig auf, weil es sich selbst den Raum entzieht, den es darstellen will. Die bürgerliche Wohn- und Lebenswelt wird zu einem nicht zu fassenden Schattenreich. Das Personal sind die Archetypen bürgerlichen Lebens, sind wir selbst. Vater, Mutter, Der Mann, Der Freund, Das Mädchen, Die Frau. Sie zelebrieren das Familientreffen einer Geistersippe. Niemand hat Orientierung in diesem Schattenreich, aber alle kennen sich, erkennen sich wieder, und vor allem: sie erinnern sich aneinander. An die Beziehungen, die Liebschaften, die Verletzungen, die Trennungen, die Enttäuschungen, die Ängs te, die so ein Leben jen seits von Orientierung durch Moral, Religion oder Politik mit sich bringt. Kunstvoll lässt Fosse seine Figuren, Schatten gleich, in stetig wechselnden Konstellationen aufeinandertreffen, miteinander verschwimmen. Sein Stück ist eine Séance, eine Recherche im Archiv bürgerlicher Empfindung.
Jon Fosse 1959 in der norwegischen Küstenstadt Haugesund geboren, lebt seit Mitte der neunziger Jahre als freier Schriftsteller. Er ist Autor zahlreicher Theaterstücke. Sein Roman "Melancholia" hat ihm große internationale Anerkennung eingebracht. Fosse ist nach Ibsen der wichtigste und erfolgreichste Dramatiker Norwegens. An den Münchner Kammerspielen waren bisher seine Stücke "Traum im Herbst", "Da kommt noch wer" und "Winter" zu sehen.
Münchner Kammerspiele
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