Ausgezeichnet wurden Sascha Hargesheimer mit seinem Stück POLEN IST MEIN ITALIEN (7.000 Euro), Magdalena Schrefel mit DANKE, DASS ICH JETZT IHREN HUND HALTEN DARF (5.000 Euro) und Juliane Stadelmann mit INGRID EX MACHINA (3.000 Euro).
Zum dritten Mal haben die Münchner Kammerspiele gemeinsam mit der Stadt München und dem Drei Masken Verlag den Dank einer Spende der Edith-und-Werner-Rieder-Stiftung mit 15.000 Euro dotierten MÜNCHNER FÖRDERPREIS FÜR DEUTSCHSPRACHIGE DRAMATIK verliehen. Im Folgenden ein Auszug aus den Jurybegründungen:
SASCHA HARGESHEIMER: Polen ist mein Italien
Regie: Lennart Laberenz, Tobias Staab; Mit: Walter Hess, Cristin König, Christian Löber, Stefan Merki, Max Simonischek, Edmund Telgenkämper
Was bannt man auf die letzte Minute Film? Dieser Frage muss sich Bela Roberti stellen, der vergessene Regisseur des deutschen Indepedent-Science-Fiction-Films. Er ist nach Polen aufgebrochen, um in einem verlassenen Hotel in der Nähe von Danzig seinen letzten Film zu drehen. Doch dann geht ihm der Film aus. Roberti und sein Filmteam verstauben in Polen. Sie warten - als hätte jemand die Pausetaste gedrückt. Aber Roberti weiß nicht, worauf er warten soll. Was ist es wert, für die Ewigkeit festgehalten zu werden? Sascha Hargesheimer versucht in seinem Stück herauszufinden, wer dieser Bela Roberti war und was in Polen vorgefallen ist. Theater als Schnitzeljagd. Er bringt es mit seinem Stück in einer geradezu elegischen Art auf den Punkt: Die Wirklichkeit ist immer das, was wir aus ihr machen.
MAGDALENA SCHREFEL: Danke, dass ich jetzt Ihren Hund halten darf
Regie: Zino Wey; Mit: Marc Benjamin, Brigitte Hobmeier, Kristof Van Boven, Ursula Werner
Dieses Kammerspiel ist starker Tobak und liest sich wie das Theater der Grausamkeit reloaded. Magdalena Schrefel ist mit dieser "Heterotopie" - wie sie es im Untertitel benennt - ein schräges, aber auch böses Theaterstück gelungen, ein Ort außerhalb aller Orte. An diesem Gegen-Ort sind die gesellschaftlichen Normen außer Kraft gesetz. Einen Ausweg gibt es für die Figuren nicht, sie bleiben Gefangene ihrer selbst, ineinander verkeilt. Magdalena Schrefel verdreht nicht nur die Normen, sondern zugleich auch die Sprache, die in ihrer verdrechselten Manier von Ferne an Nestroy oder Schwab erinnert. Die gekonnte Wucht und unverblümte Direktheit dieser jungen Dramatikerin findet sich selten in dieser Generation. Ein starkes Stück!
JULIANE STADELMANN: Ingrid ex Machina
Regie: Matthias Günther; Mit: Anna Drexler, Peter Laib, Annette Paulmann, Nikolay Stefanov, Michael Tregor, Frederik Schmid, Nicolaas van Diepen
Juliane Stadelmann zeigt auf, was sich hinter solch euphemistischen, neoliberal verschleiernden Begriffen wie "Strukturangleichung" verbirgt. Und sie lässt uns hineinschauen in den ganz normalen Arbeitsalltag in der Sandelshausener Kerzenfabrik, kurz bevor diese endgültig dicht gemacht wird. Mittels einer dialektgefärbten Sprache gelingt es der Autorin sprachmächtig, der Ohnmacht der Menschen Ausdruck zu verleihen. Sie findet dabei zu einer überaus eigenständigen Sprache, einem eigenwilligen Jargon, durchzogen mit bewusst leicht verschoben eingesetzten Redewendungen und Floskeln. Das ist nicht mehr Sozialistischer Realismus, sondern Kapitalistischer Realismus mit einem schönen Mut zur Überhöhung. Wahrscheinlich wird der in nächster Zeit gebraucht.
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Eine Nacht lang wurde die Schauspielhausbühne zum Experimentiertfeld. In Werkstattinszenierungen und szenischen Lesungen präsentierte das Ensemble der Münchner Kammerspiele die fünf besten Stücke, die von der Jury ausgewählt wurden, der u.a. der Autor Feridun Zaimoglu und die Redakteurin Caroline von Lowtzow angehören. Am Ende der Langen Nacht wurde neben dem MÜNCHNER FÖRDERPREIS FÜR DEUTSCHSPRACHIGE DRAMATIK außerdem von den Zuschauern der PUBLIKUMSPREIS DER LANGEN NACHT DER NEUEN DRAMATIK vergeben an Magdalena Schrefel für DANKE, DASS ICH JETZT IHREN HUND HALTEN DARF.