Damals hatte die Pest in Athen gewütet. Und so erschütternd es für die Bürger auch geklungen haben mag, wenn sie sich selber als Chor reden hörten: "Es sengt und brennt der Gott der Seuche", so erlösend muss es andererseits für sie gewirkt haben, dass wenigstens im Theater sich ein symbolischer Sündenbock fand, der unwissentlich schuldig war an einem Verbrechen, das später für Sigmund Freud zur heimlichen Grundlage der europäischen Familien-Neurose überhaupt wurde: Ödipus, der Vatermörder, der seine Mutter gehei-ratet hatte.
Jetzt, 20 Jahre später, sucht der alte und blinde Ödipus nach langen Irrwegen nur noch eine letzte Ruhestätte, um in Frieden sterben zu können. Er findet sie, begleitet von seinen Töchtern Antigone und Ismene, die nicht vom Vater lassen können, in einem friedvollen Heiligtum der Eumeniden-Göttinnen in Kolonos, einem Vorort von Athen, in dem wohl auch Sophokles selber geboren wurde. Noch ein allerletztes Mal holt den leidgeplagten Ödipus seine Vergangenheit ein: Immer noch wird er verfolgt vom rachsüchtigen Kreon, in dessen Gestalt die Athener sofort eine beißende Kritik am blindwütigen Machthunger ihrer neuen Politiker erkennen konnten. Aber: Gegen alle Verfolgungen findet Ödipus Schutz in der Domäne eines wahrhaft humanen Herrschers. In Theseus verehrten die Athener einen mythischen König, der ihre verschiedenen Gemeinden überhaupt erst zur friedvollen Einheit einer Weltstadt zusammengeschlossen hatte.
In die Gestalt des geduldig verständnisreichen Theseus legt Sophokles am Ende seines Lebens noch einmal seine letzte Kraft politischer Hoffnungsvision. Im Innersten bewegt ihn in dieser Tragödie jedoch noch ein anderer Gedanke: "Vieles legen die langen Tage ja nieder", sagt der Dichter mit der Stimme des Chors, und fügt altersmüde hinzu: "näher der Trauer; das Freudebringende aber, nirgends kannst du es sehen, wenn einer ins Alter gestürzt ist über Gebühr". Wohl kaum hört man in einer griechischen Tragödie Ergreifenderes als in diesen Worten, die dem eigenen Sterben entgegensehen.
Ödipus Stephan Bissmeier
Antigone Annette Paulmann
Ismene Caroline Ebner
Kreon Hans Kremer
Polyneikes Edmund Telgenkämper
Theseus Sylvana Krappatsch
Chor:
Anna Böger
Rena Dumont
Angelika Fink
Lena Lauzemis
Live-Musik Charlotte Hug
Regie Jossi Wieler
Bühne Barbara Ehnes
Kostüme Nadine Grellinger
Dramaturgie Tilman Raabke
Musik Wolfgang Siuda, Charlotte Hug
Licht Max Keller
Regieassistenz Ramin Anaraki
Bühnenbildassistenz Jens Dreske
Kostümassistenz Diana Ammann
Inspizienz Lutz Müller-Klossek
Souffleuse/Souffleur Johanna Krause
Regiehospitanz Dominik Frank, Ilona Zintler
Kostümhospitanz Julia Ranzi
Dramaturgiehospitanz Lisa Jeschke