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"Onkel Wanja" von Anton Tschechow - Städtische Theater Chemnitz

Premiere: 23. Januar 2016, 19.30 Uhr im Schauspielhaus Chemnitz, große Bühne. -----

Jahrelang hat Sonja mit ihrem Onkel Wanja das ihr vererbte Landgut bewirtschaftet, um mit den kargen Gewinnen die Studien und den Lebensunterhalt ihres Vaters Alexander in der Stadt finanzieren zu können. Nun ist der Professor emeritiert und kehrt mit seiner neuen Frau, der jungen und schönen Lena, auf das Gut zurück.

 

Mit seinen wissenschaftlichen Arbeiten blendet er hier allerdings nur seine Schwiegermutter Maria. Zur alltäglichen Arbeit auf dem Hof kann und will er nichts beitragen. Einen ganzen Sommer lang richten sich die Gutsbewohner in einer Gemeinschaft melancholisch-skurriler Außenseiter ein, leben aneinander vorbei und verfallen, träumend von einem besseren Leben, ins Nichtstun. Abwechslung bringen nur die täglichen Besuche des Landarztes Astrow, die aber vor allem der Schönheit Lenas gelten. Doch diese lässt sich weder auf die Avancen des zynischen Arztes ein noch erwidert sie die Bewunderung Wanjas. Ein Versuch, Sonja mit Astrow zu verkuppeln, scheitert. Obwohl sie ihn glühend liebt, weist der Arzt sie ab.

 

Als Alexander verkündet, den Besitz verkaufen zu wollen, um wieder in die Stadt zu ziehen, sieht Wanja sich seiner Lebensjahre und der Heimat beraubt und wehrt sich. Zweimal schießt er auf Alexander. Zweimal schießt er daneben. Der Professor und Lena reisen sofort ab. Astrow bleibt noch auf ein letztes Gläschen, bevor auch er aufbricht und auf dem Landgut wieder der Alltag einkehrt.

 

„Onkel Wanja“ sei wie „ein Hammer auf den leeren Kopf des Publikums“, schrieb Maxim Gorki bewundernd an Anton Tschechow, nachdem er die Uraufführung des Stückes 1899 am Moskauer Künstlertheater sah. Kurz vor der Jahrhundertwende sind bei Tschechow die Zeichen einer „neuen Epoche“ Zynismus und Skepsis gewichen. Die Träume nach einem besseren, anderen Leben sind verpufft, und so fügt sich jede der Figuren der Erkenntnis von der Unveränderbarkeit der Dinge. Dies allerdings äußerst tragikomisch, denn es ist bitter, nicht die Kraft aufzubringen, das eigene Leben zu verändern – tragisch jedoch, würde man es gar nicht erst versuchen. Es ist der Geist seiner Zeit, den Tschechow in „Onkel Wanja“ seziert und vorführt und der zugleich den Boden für unsere bereitet. Der Blick, den er seine Figuren angst- und hoffnungsvoll zugleich in die Zukunft werfen lässt, trifft uns nicht minder direkt, fragt er doch danach, welche Handlungsimpulse wir unserer heutigen Gegenwart entgegensetzen.

 

Anton Pawlowitsch Tschechow, 1860 in Taganrog/Russland geboren, begann nach seinem Abitur Medizin in Moskau zu studieren. Seit der Schulzeit schrieb Tschechow Erzählungen, die er in Moskau mit wachsendem Erfolg veröffentlichte. 1884 eröffnete er eine Arztpraxis, und zeitgleich erschien ein erster Sammelband seiner Erzählungen. Die Erfahrungen seiner engagierten Arbeit, u. a. als Arzt auf dem Land, und das russische Landleben selbst verarbeitete er fortan in seinem schriftstellerischen Werk. 1885 lernte Tschechow den Verleger Suvorin kennen und zählte bald zu den einflussreichsten Schriftstellern seiner Zeit. Als Theaterautor konnte sich Tschechow allerdings erst in der Zusammenarbeit mit dem Moskauer Künstlertheater etablieren, u. a. durch Stanislawskis Inszenierung von Tschechows „Die Möwe“ 1898. Im selben Jahr zog er aus gesundheitlichen Gründen nach Jalta und wandte sich hier verstärkt dem Schreiben von Theaterstücken zu. Die Zusammenarbeit mit dem Moskauer Künstlertheater setzte Tschechow kontinuierlich fort, und seine späteren Stücke „Drei Schwestern“ und „Der Kirschgarten“ waren Auftragswerke, die, ebenso wie „Onkel Wanja“, hier ihre Uraufführung erlebten. An diesem Haus lernte Tschechow zudem die Schauspielerin Olga Knipper kennen, die er im Juni 1901 heiratete. 1904 starb er auf einer Kurreise in Badenweiler und wurde in Moskau beerdigt.

 

Carsten Knödler (Regie)

wuchs in Chemnitz auf. Er studierte zunächst Chemie, später dann Schauspiel an der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig. Von 1995 bis 2003 war er als Schauspieler und Regisseur am Schauspielhaus Chemnitz engagiert. Ab 2003 arbeitete Carsten Knödler freiberuflich und inszenierte an einer Vielzahl von Theatern in ganz Deutschland, so am Staatsschauspiel Schwerin, am Pfalztheater in Kaiserslautern, in Gera, Greifswald, Rudolstadt, Heilbronn, Neustrelitz, in Leipzig und am Staatsschauspiel Dresden. Von 2009 bis 2013 leitete er als Schauspielintendant des Gerhart-Hauptmann-Theaters Görlitz-Zittau den Standort Zittau. Seit der Spielzeit 2013/2014 ist Carsten Knödler als Schauspieldirektor an den Theatern Chemnitz engagiert. Hier inszenierte er in den vergangenen Spielzeiten u. a. Ibsens „Hedda Gabler“ und „Ein Volksfeind“, Dale Wassermans „Einer flog über das Kuckucksnest“, „Camino Real“ von Tennessee Williams und zuletzt Molières „Der Menschenfeind“.

 

Frank Hänig (Bühne)

wurde 1955 in Thüringen geboren. Nach seinem Architektur- und Bühnenbildstudium an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee war er zwischen 1981 und 1996 Bühnen- und Kostümbildner am Theater Erfurt, Chefbühnenbildner in Potsdam und am Staatsschauspiel Dresden. 1994 führte er zudem erstmals Regie in Dresden. Seit 1996 arbeitet er freischaffend als Regisseur und Bühnenbildner u. a. in Aachen, Berlin, Dresden, Kiel, Mainz, Mannheim, Osnabrück, Potsdam und Stuttgart und international in Athen, Barcelona, Maastricht, Nicosia und Tennessee (USA). Seit 1983 lehrt er an verschiedenen Instituten wie der Kunsthochschule Berlin-Weißensee, an der HfBK Dresden, an der Skoulli-Art-School auf Zypern, der University of Tennessee, ist seit 2007 als Dozent für Bühnenbild im Masterstudiengang Bühnenbild/Szenischer Raum an der TU Berlin und lehrt seit 2011 als Gastprofessor für Bühnenbild an der UdK Berlin. Ab 1984 entstanden zudem über 30 Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland, u. a. in Berlin, Dresden, Köln und Stuttgart, Knoxville, Long Beach, Novi Sad, Nicosia, Prag und Tokio. 1990 erhielt er die Goldmedaille der 9. Internationalen Triennale des Bühnen- und Kostümbilds Novi Sad, 1995 die Goldmedaille der Prager Quadrinnale für den Gruppenbeitrag der Bundesrepublik Deutschland gemeinsam mit Robert Ebeling, Peter Schubert und Hartmut Meyer. 2002 erhielt „Brand“ von Henrik Ibsen in der Regie von Hasko Weber den Bayerischen Theaterpreis für die beste Schauspielinszenierung, für die Frank Hänig Bühne und Kostüme entwarf. In Chemnitz stellte er sich bereits als Bühnenbildner für „Der Menschenfeind“ vor.

 

Ricarda Knödler (Kostüme)

studierte Maskenbild an der Hochschule für Bildende Künste Dresden, später Mode- und Kostümdesign an der Burg Giebichenstein in Halle/Saale. Sie arbeitete seitdem freiberuflich u. a. für das Theater Magdeburg und die Staatstheater in Kassel, Karlsruhe sowie Schwerin. In Chemnitz schuf sie Bühnen- und Kostümbilder u. a. für „Die Weiße Rose“, „Effi Briest“ und „Hexenjagd“ sowie in den letzten Spielzeiten „Kafka“, „Novecento “ und „Camino Real“ und entwarf die Kostümbilder u. a. für „Hedda Gabler“, „Romeo und Julia auf der Abbey Road“, „Einer flog über das Kuckucksnest“, „Ein Volksfeind“, „Jeanne oder Die Lerche“ und zuletzt „Die Zofen“.

 

Steffan Claußner (Musik)

ist Komponist und arbeitet als Schauspielkapellmeister und Musiker an verschiedenen Theatern. Er studierte bei Rainer Lischka an der Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber“ in Dresden Komposition. In seiner Heimatstadt Chemnitz ist der gebürtige Kemtauer einer der Taktgeber der Musikszene: 2006 dirigierte er anlässlich des „splash“-Festivals Hip-Hop mit großem Orchester, spielte in der Reihe „Musik im Black“ völlig im Dunkeln und organisierte mit dem „Forum Freie Musik“ einen Impro-Marathon. Außerdem spielt er als Schauspieler bei der freien Theatergruppe „V.E.B.“, sammelt seltene Musikinstrumente und ist auf der Suche nach neuen Klängen. Der umtriebige Musiker betreut Ballett-, Musiktheater- und Schauspielproduktionen und ist seit der Spielzeit 2014/2015 als Schauspielkapellmeister am Schauspiel Chemnitz engagiert.

 

Bühnenfassung unter Verwendung der Übersetzung von August Scholz

 

Regie: Carsten Knödler

Bühne: Frank Hänig

Kostüme: Ricarda Knödler

Musik: Steffan Claußner

 

Mit: Wolfgang Adam (Alexander), Pia-Micaela Barucki (Lena), Maria Schubert (Sonja), Christine Gabsch (Maria), Dirk Glodde (Wanja), Andreas Manz-Kozár (Astrow), Philipp von Schön-Angerer (Telegin)

 

 

 

 

 

 

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