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"Otello" von Giuseppe Verdi im Theater Erfurt

Premiere: Sa, 24. Mai 2014, 19.30 Uhr, Großes Haus. -----

Otello, siegreicher Feldherr auf Seiten Venedigs im Kampf gegen die Türken, gerät in die Fänge des zwielichtigen Fähnrichs Jago. Dieser fühlt sich hintergangen, als der Offizier Cassio ihm bei einer Beförderung vorgezogen wird.

Jago verwickelt daraufhin seinen Konkurrenten in ein Duell mit dem Venezianer Roderigo und bringt ihn so um die Karriere. Seines Postens enthoben und degradiert, ist Cassio ein willkommenes Opfer für Jagos Intrige gegen den verhassten Otello: Jago spielt Cassio ein Taschentuch Desdemonas zu und präsentiert es dem eifersüchtigen Otello zum richtigen Zeitpunkt als vermeintlichen Beweis der Untreue seiner Gattin. In blindem Hass glaubt Otello in Desdemona die Geliebte Cassios zu erkennen und tötet sie im Ehebett.

 

„Verdi hat der Kunst den großen Dienst erwiesen, dass es von nun an unmöglich sein wird, minderwertige Dramen und jämmerliche Verse zu vertonen.“ Dieser Satz des mit dem Librettisten Arrigo Boito befreundeten Dichters Antonio Fogazzaro fasst den revolutionären Rang von Textbuch und Partitur des Otello in wenigen Worten zusammen. Er blendet aber den von ständig wachsender Skepsis Verdis geprägten Schaffensprozess aus, der sich von September 1879 bis November 1886 hinzog. 1879 hatte Verdi – der nach dem Erfolg seiner Aida (1871) in Erwägung gezogen hatte, sich ganz von der Oper und vom Komponieren zurückzuziehen – mit der Umarbeitung seines zwanzig Jahre zuvor beim Publikum durchgefallenen Simon Boccanegra begonnen. Diese Arbeit brachte ihn erstmals mit dem Dichter und Komponisten Arrigo Boito zusammen. Boito sollte – nach Abschluss der Neufassung des Simon Boccanegra – zum wichtigsten Partner und Ratgeber Verdis auf dem Weg zu seinen beiden letzten großen Musikdramen werden: Otello und Falstaff. Eher beiläufig nahm Verdi, der sich „nicht durch äußere Umstände“ zur Komposition eines neuen Werkes „zwingen lassen wollte“ (Dietmar Holland), die neue Herausforderung an: „Wie dieser Schokoladenplan entstanden ist“, so Verdi im September 1879 an den Verleger Giulio Ricordi, „wißt Ihr ... Ihr aßt mit mir zusammen und ein paar Freunden. Man sprach von Otello, von Shakespeare, von Boito. Am nächsten Tag kam Faccio mit Boito zu mir ins Hotel. Drei Tage später brachte Boito mir die Skizze zum Otello, die ich las und gut fand. Macht die Dichtung daraus, sagte ich ihm; sie wird immer gut für Euch, für mich, für einen anderen sein.“

 

Bald schon ließ Verdi die kaum begonnene Komposition für längere Zeit liegen, auch im weiteren Fortgang der dann immer intensiver werdenden Ausarbeitung der Oper kam es zu Unterbrechungen und Phasen der Unlust. Und noch Anfang Januar 1886 rang Verdi mit dem endgültigen Namen für seine neue Oper: „Man spricht mir immer von Jago!!! Ich kann schön antworten: Otello, pas Jago, n’est pas fini!! [Otello, nicht Jago, ist nicht fertig!!] Sie fahren fort, mir Jago Jago zu sagen und zu schreiben. Er ist (das ist wahr) der Dämon, der alles bewegt; aber Otello ist der, der handelt: Er liebt, ist eifersüchtig, tötet und tötet sich selbst. Meinerseits würde es mir heuchlerisch vorkommen, ihn nicht Otello zu nennen. Ich ziehe vor, daß man sage ‚Er hat mit dem Riesen kämpfen wollen und ist niedergeworfen worden‘, statt ‚er hat sich hinter dem Titel Jago verbergen wollen‘. – Wenn Ihr meiner Ansicht seid, beginnen wir also, ihn Otello zu taufen, und sagt das gleich dem Giulio [Ricordi].“ (Brief Giuseppe Verdis an Arrigo Boito vom 21. Januar 1886). Am 1. November 1886 schloss er schließlich die Partitur ab, zwei Wochen später sandte er sie an das Mailänder Verlagshaus Ricordi.

 

Ein neues Musikdrama

Die späte Rückbesinnung auf das Theater William Shakespeares und dessen Otello forderte von Giu-seppe Verdi, wie aus dem umfangreichen und hervorragend dokumentierten Briefwechsel mit Boito immer wieder zu erfahren ist, nichts weniger als die Überwindung so ziemlich aller Konventionen der überkommenen italienischen Oper, die Überwindung auch der stets größer werdenden Selbstzweifel: „Man hat [schon] zuviel von [Otello] gesprochen.! Zuviel Zeit ist vergangen. Zuviel der Jahre meines Alters! Und zuviel meiner Jahre im Dienst!!! Daß das Publikum mir nur nicht allzu deutlich sage: Genug!“, so Verdi am 26. April 1884 an Arrigo Boito. Akt für Akt, Szene für Szene, Vers um Vers näherten sich Boito und Verdi Shakespeares Original. Umarbeitungen, Neufassungen und Verwerfungen – der Kompositionsprozess gleicht einem einzigen „Work in progress“: „Vernichtet nichts von dem“, heißt es im September 1885 an Boito, „was Ihr vorher gemacht hattet“; denn es könnte ja doch noch einmal gebraucht werden: „Als ich die Musik dieser unübertrefflich furchtbaren Szene [des 4. Aktes] schrieb, empfand ich die Notwendigkeit, eine Strophe wegzulassen, um deren Hinzufügung ich Euch selbst gebeten hatte, mich [aber] hier und da einiger Verse [...] zu bedienen, die zu Unrecht aufgegeben worden [waren].“ Auch die Konzeption der Hauptcharaktere wurde wieder und wieder diskutiert, auch im Verbund mit dem Verleger Ricordi: „Wenn ich Schauspieler wäre und Jago darzustellen hätte, möchte ich ziemlich hager und hoch gewachsen sein, mit schmalen Lippen und kleinen Augen nahe der Nase wie bei den Affen, einer hohen, fliehenden Stirn und mit einem stark entwickelten Hinterkopf; sein Gehaben wäre das eines Zerstreuten, nonchalant, gleichgültig gegen alles, glaubenslos, kaustisch.“

 

Erst am 1. November 1886 kann Verdi kurz und bündig an Boito schreiben: „Er ist fertig! Heil uns ... (und auch Ihm!!).“ Und auch Boito wandte sich am Ende dieses langen Weges voller Genugtuung an den Maestro: „Otello ist da. Der große Traum ist Wirklichkeit geworden. [...] Von jetzt an besitzt Shakespeares Otello Ihre Deutung, und die haben Sie gemacht, und damit genug, und man braucht sich um die Wirkungen der anderen nicht zu kümmern.“ Die Uraufführung am 5. Februar 1887 markiert folglich einen wahrhaften Neubeginn für das Opernschaffen Verdis und entscheidenden Schritt auf dem Weg zum durchkomponierten Musikdrama.

 

Otello in Erfurt

In Erfurt war Verdis Otello zuletzt in der Saison 2000/01 im provisorischen Kuppeltheater zu erleben. Für die Neuinszenierung am Ende der Jubiläumssaison 2013/14 am Theater Erfurt zeichnet Generalintendant Guy Montavon höchst selbst verantwortlich, der dem Erfurter Publikum damit nach den Lombarden (DomStufen-Festsstsstspiele 2012) seinen zweiten Erfurter Verdi vorlegt. Die Ausstattung stammt von dem italienische Bühnen- und Kostümbildner Francesco Calcagnini, der bereits an der Seite von Guy Montavon Verdis Stiffelio im italienischen Parma und an der Oper von Monte Carlo herausgebracht hat. Als Interpret der Titelpartie ist der Tenor Marc Heller zu erleben, der im vergangenen Jahr als „Calaf“ in Puccinis Turandot sein umjubeltes Erfurt-Debüt im Rahmen der DomStufen-Festsstsstspiele gab.

Die Produktion ist darüber hinaus ein Beitrag des Theaters Erfurt zum Gedenken an den 450. Geburtstag William Shakespeares in diesem Jahr.

 

Text von Arrigo Boito

UA Mailand 1887

In italienischer Sprache mit Übertiteln

 

Koproduktion mit dem Teatro Carlo Felice Genua

 

Musikalische Leitung Tyrone Paterson

Inszenierung Guy Montavon

Ausstattung Francesco Calcagnini

 

Mit Marc Heller* (Otello); Juri Batukov (Jago); Marwan Shamiyeh / Richard Carlucci (Cassio);

Thomas Stückemann (Roderigo); Vazgen Ghazaryan (Ludovico); Gregor Loebel (Montano);

Ilia Papandreou (Desdemona); Henriette Gödde / Katja Bildt** (Emilia)

* Gast ** Thüringer Opernstudio

 

Weitere Aufführungen:

Sa, 31.05. | So, 08.06. | So, 15.06. | So, 22.06.2014

 

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