Entlang des Liederzyklus‘ Die schöne Müllerin (1824), zwanzig Liedern nach Gedichten von Wilhelm Müller, wird dem Leben und Werk des Komponisten Franz Schubert an verschiedenen Spielorten im neunten Wiener Gemeindebezirk nachgespürt werden. Ab 19. Jänner sind im Wochenrhythmus die Folgen Morgengruß, Wohin?, Muth!, Der Musensohn und Auflösung zu sehen, ab 23. Februar werden alle Folgen wiederholt.
„Die Serie“ ist seit vier Jahren fixer, erfolgreicher Bestandteil des Spielplans des Schauspielhaus. Heuer kehren wir damit thematisch in den 9. Bezirk zurück und setzen unsere theatrale Nachbarschaftserkundung, die wir 07/08 mit Die Strudlhofstiege und 08/09 mit Diesseits des Lustprinzips: Freud und die Folgen begonnen haben, fort. Kein anderer Wiener Gemeindebezirk ist so sehr mit dem Leben und Werk von Franz Schubert verbunden wie der Alsergrund: Hier wurde er geboren, wuchs er auf, wurden viele seiner Werke uraufgeführt. Entlang des Liederzyklus‘ Die schöne Müllerin (1824), zwanzig Liedern nach Gedichten von Wilhelm Müller, die „im Winter zu lesen“ sind, werden wir in fünf theatralisch-musikalischen Etappen diesen Bezirk erkunden und den „Neunten“ zum Mitspieler in der Serie machen. Ausgehend vom Schauspielhaus führt unsere Winterwanderung an Originalschauplätze aus Schuberts Leben und in private Musiksalons des heutigen Wiens. Das Wandern ist des Schauspielhauses Lust!
Mit dem Namen Franz Schubert sind Begriffe wie „Biedermeier“ und „Hausmusik“ aufs Engste verbunden und damit einhergehend eine besondere Praxis der Kunstproduktion und -rezeption, denn seine Werke wurden hauptsächlich im privaten Rahmen aufgeführt. In den so genannten „Schubertiaden“, die seit 1821 stattfanden, wurden nicht nur Werke Schuberts erstmals präsentiert, sondern diese Zusammenkünfte von Künstlern, Bürgern und Adligen als Freunde und Gleiche in Privathäusern hatten auch eine klar politische Dimension, da sie die Möglichkeit boten, die Metternich‘sche Zensur und polizeistaatliche Kontrolle zu umgehen. Der Ort - der bürgerliche Salon - an dem die Musik präsentiert wird, nimmt Einfluss auf die Formierung eines kritischen Publikums, eines neuen Selbstverständnisses des Bürgertums und definiert Stil und Funktion der Kunst. Im Zuge seiner Emanzipation übernimmt das (Bildungs-) Bürgertum die Förderung der Kunst. Aus der „Schubertiade“ geht die bürgerliche Hausmusik hervor, die sich im 19. Jahrhundert immer mehr zu einem Ritual verfestigt, das einem kanonisierten Repertoire und einer zur Tradition werdenden Bildung verpflichtet war. Kein bürgerliches Wohnzimmer kommt ohne Klavier aus, musikalische Soiréen werden zum zentralen bürgerlichen Kommunikationsmittel. Seitdem sich Bürgerlichkeit zum hegemonialen Stil entwickelt, besteht auch die Tendenz, Bildungsgut und damit bestimmte Zugänge zur Musik (und zur Kunst) primär als „Bildungskapital“ und damit als Strategie sozialer Distinktion einzusetzen. Nicht mehr die Musik selbst steht im Zentrum, sondern der performative Akt der Präsentation vor Publikum. Die Hausmusik wird zum Ritual bürgerlicher Selbstdarstellung.
Im Rahmen der Schauspielhaus-„Schubertiaden“, die - der Tradition gemäß - einmal wöchentlich stattfinden werden, wird der Frage nachgegangen, wie und wo heute, in einer Zeit, in der das Bildungsbürgertum wegbricht, Kunst produziert und rezipiert wird und inwieweit die Frage „Wo steht das Klavier?“ noch von Bedeutung ist.
Regie: Julian van Daal, Paul-Georg Dittrich, Rudolf Frey, Gernot Grünewald, Carina Riedl
Projektleitung: Rudolf Frey, Carina Riedl
Premiere / Pilot: 14. Jänner 2012, 20 Uhr
Der Doppelgänger nicht zu geschwind, doch kräftig
Regie: Carina Riedl
Folge 1: Morgengruß (1797-1808) allegro
Regie: Carina Riedl
Termine:
19., 20., 21. Jänner 2012, jeweils um 20:30 Uhr
23., 24., 25. Februar 2012, jeweils um 20:30 Uhr
Folge 2: Wohin? (1808-1818) frisch, doch nicht zu schnell
Regie: Gernot Grünewald
Termine:
26., 27., 28. Jänner 2012, jeweils um 20:30 Uhr
1., 2., 3. März 2012, jeweils um 20:30 Uhr
Folge 3: Muth! (1818-1821) con fuoco
Regie: Julian van Daal
Termine:
2., 3., 4. Februar 2012, jeweils um 20:30 Uhr
8., 9., 10. März 2012, jeweils um 20:30 Uhr
Folge 4: Der Musensohn (1821-1824) schnell, mit Ausdruck
Regie: Rudolf Frey
Termine:
9., 10., 11. Februar 2012, jeweils um 20:30 Uhr
15., 16., 17. März 2012, jeweils um 20:30 Uhr
Folge 5: Auflösung (1824-1828) adagio
Regie: Paul-Georg Dittrich
Termine:
16., 17., 18. Februar 2012, jeweils um 20:30 Uhr
22., 23., 24. März 2012, jeweils um 20:30 Uhr
Unter dem Ehrenschutz der Schubert-Gesellschaft Wien-Lichtental.
Ausgangspunkt für Folge 1-5: Nachbarhaus, 20:30 Uhr
Der Witterung entsprechende Kleidung ist empfehlenswert.