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"Schade, dass sie eine Hure war" (Uraufführung) von Anno Schreier in der Deutschen Oper am Rhein

Ein Stück von John Ford, einem Zeitgenossen William Shakespeares, bildet die Grundlage für das Libretto der soeben uraufgeführten Oper "Schade, dass sie eine Hure war" von Anno Schreier in der Deutschen Oper am Rhein. Und wahrlich der Stoff ist einer Oper würdig: Inzest. Ehebruch, Liebe, Rache, Eifersucht, Intrige und am Ende sind alle Hauptprotagonisten tot.

Copyright: Hans Jörg Michel

Giovanni und Annabella sind ein Zwillingspaar und heillos ineinander verliebt - und sie leben dies Liebe auch. Als Annabella schwanger wird, nötigen sie ihr Vater und ihr mönchischer Seelsorger, einen ihrer ungeliebten Freier zu heiraten. Als ihr Ehegatte Soranza von dem Inzest erfährt, will er sie töten, aber Giovanni kommt ihm zuvor. Neben hoch dramatischen Szenen finden sich auch humoristische Elemente, etwa bei den überkandidelten Freiern und der geschwätzigen Amme.

Für seine Komposition verwendet Anno Schreier überwiegend Zitate bereits vorhandener Musikstücke quer durch alle Zeiten und Gattungen: von Dorfkappelle, Revuemusik, Orffs Carmina Burana, Tarantella, Wagner, Leonhard Bernstein, Philipp Glass, italienischer Serenadenmusik, Anklängen an Filmmusik, Operette bis zu diversen Opern. Simultan sind auch Bühne und Kostüme angelegt: da findet sich neben Renaissancefassade und Fliegenpilzkiosk wie aus dem Märchenland ein moderner Wohnzimmerkubus im Bauhausstil, passend dazu die Kostüme von der Renaissance über das Rokoko und die Bürgerkleidung des 19. Jahrhunderts bis zum modernen Businesslook. Das ist zwar sehr unterhaltsam, lenkt aber etwas vom Handlungsgeschehen ab. Im vierten und fünften Akt beruhigt sich der schnelle Szenenwechsel ein wenig. Insgesamt mutet diese Collage etwas merkwürdig an, und man fühlt sich in die "Erkennen Sie die Melodie?"-Show versetzt, das erscheint denn doch etwas zu brav. Auch der tiefere Sinn dieser Vorgehensweise will sich nicht so recht erschließen.

Die Besetzung dagegen ließ nichts zu wünschen übrig. Besonders erfreulich: alle artikulierten so deutlich, dass man ohne Mühe den noch neuen Text verstehen konnte. Hervorzuheben sind Lavinia Dames als Annabella, ein zugleich kraftvoller und lyrischer Sopran, Bogdan Talos als Mönch, Sami Luttinen als Diener Vasquez und Susan Maclean in der Rolle der komischen Putana. Jussi Mylles als Giovanni - da hätte man sich etwas mehr Verve gewünscht. Dem Orchester unter der musikalischen Leitung von Lukas Beikircher wurde aufgrund der vielen, schnellen Stilwechsel viel abverlangt, es überzeugte in ganzer Linie. Beim Publikum kam "Schade, dass sie eine Hure war" gut an und wurde mit entsprechendem Beifall belohnt.

Schade, dass sie eine Hure war
Oper in fünf Akten von Anno Schreier
Libretto von Kerstin Maria Pöhler nach dem Drama „‘Tis Pity She’s a Whore“ („Schade, dass sie eine Hure war“) von John Ford

Musikalische Leitung: Lukas Beikircher
Inszenierung: David Hermann
Bühne: Jo Schramm
Kostüme: Michaela Barth
Licht: Tobias Löffler
Chorleitung: Patrick Francis Chestnut
Dramaturgie: Hella Bartnig

Mönch: Bogdan Talos
Soranzo: Richard Šveda
Florio: Günes Gürle
Grimaldi: Sergej Khomov
Giovanni: Jussi Myllys
Bergetto: Florian Simson
Richardetto: David Jerusalem
Vasques: Sami Luttinen
Annabella: Lavinia Dames
Hippolita: Sarah Ferede
Philotis: Paula Iancic
Putana: Susan Maclean
Chor der Deutschen Oper am Rhein
Düsseldorfer Symphoniker

Premiere Samstag, 16. Februar 2019, um 19.30 Uhr im Opernhaus Düsseldorf

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