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Theater Ulm - fünf Premieren im September 2012

1. FAUSTreloaded , Virtuelle Inszenierung nach Johann Wolfgang von Goethe

Premiere: 22.09.2012, 19.30 Uhr, Podium.bar. -----

 

Verführung 2012: Heinrich, 18 Jahre, kontaktgestört, geht nicht raus. Seine einzige Verbindung zur Welt ist das Internet. Dort hat er sich ein interaktives Spiel heruntergeladen, nach dem er süchtig ist: FAUSTreloaded.

 

Wenn er sich mühsam durch Szenen mit Mephisto sprachlich und körperlich ‚hindurchgearbeitet‘ hat, winkt ihm nach jedem Kapitel als Belohnung ein Rendezvous mit Gretchen. Als Krönung: die berühmte Kerkerszene inklusive Erlösung. Je weiter sich Heinrich in das Spiel hineinbegibt, umso grausamer ist das Erwachen ...

 

Das Theater Ulm zeigt eine Annäherung an den Goethe-Klassiker im Zeitalter des Internets. Der Computer verdrängt die Studierstube, virtuelle Realität ersetzt schwarze Magie, aus dem alternden, suchenden Wissenschaftler wird ein Hikikomori.

 

MIT Florian Stern INSZENIERUNG Andreas von Studnitz RAUM & KOSTÜME Britta Lammers

 

*****

 

2. GHETTO von Joshua Sobol

Deutsch von Jürgen Fischer („Essener Fassung“)

Musikalische Arrangements von Wolfgang Lackerschmid

in deutscher Sprache

Premiere: 27.09.2012, 20 Uhr, Großes Haus

 

„Ein Musical vom Holocaust“ überschrieb 1984 der SPIEGEL die Uraufführungs-Ankündigung eines neuen Stücks des damals 45-jährigen Theaterautors und Journalisten Joshua Sobol, der bereits in Israel für Provokationen sorgte. Geht es doch Sobol um nichts weniger als die Beteiligung der Juden am eigenen Genozid.

 

„Ghetto“ meint – mit theatralischer Freiheit – das Ghetto im litauischen Vilnius zwischen 1942 und 1943. Hier handeln der Jazzfan und SS-Offizier Kittel und der Chef der jüdischen „Selbstverwaltung“ einen Deal aus: Hunderte sollen sterben, um Tausenden das Überleben als Zwangsarbeiter im Ghetto zu sichern. Gut gelaunt und sicher, den Mitläufer in Gestalt des Lagerverwaltungschefs zum Handlanger der Endlösung gemacht zu haben, lässt sich SS-Offizier Kittel Theater vorspielen, teilt mit den Ghetto-Künstlern seine Leidenschaft für die Musik – bis es zum Ende kommt, das nur das Saxofon und sein Spieler in SS-Uniform überleben.

 

Sobol gelingt der theatralisch-musikalische Tabubruch: ein „Musical vom Holocaust“ – traurig und trotzig, wild und grausam, sanft und sentimental.

 

MIT Johanna Paschinger, Tini Prüfert; Jörg-Heinrich Benthien, Fabian Gröver, Gunther Nickles, Wilhelm Schlotterer, Florian Stern, Raphael Westermeier, Volkram Zschiesche; Ulmer Spatzenchor; Ein Instrumentalensemble des Philharmonischen Orchesters der Stadt Ulm MUSIKALISCHE LEITUNG Hendrik Haas INSZENIERUNG Andreas von Studnitz BÜHNE & KOSTÜME Britta Lammers

 

*****

 

3. GESPRÄCHE MIT ASTRONAUTEN

Stück von Felicia Zeller

Premiere: 29.09.2012, 19.30 Uhr, Podium

 

Ob Sie aus der Ukulele, aus Rostland oder Stohlen kommen, auch Sie können in einer netten Familie in Knautschland als Au-Pair arbeiten und nebenbei die Sprache der Dichter und Denker lernen. Natürlich läuft es bei uns ein bisschen anders als in der Schlamparei. Sie müssen sich schon ein bisschen anpassen. Die Regeln machen wir. Aber letztlich können Sie nur davon profitieren, denn Pünktlichkeit, Sauberkeit und vegetarisches Essen werden Sie weiter bringen, wenn Sie später wieder zu Hause sind. Ausbeutung? Von wegen: Unsere Au-Pairs sind praktische Entwicklungshilfe!

 

Felicia Zellers GESPRÄCHE MIT ASTRONAUTEN ist eine wortspielerische, chaotische, kakofone Auseinandersetzung mit den „Dienstmägden der Globalisierung“ und dem überorganisierten Familienalltag, dem sie in Deutschland dienen. Eingekeilt zwischen karrieregeilen Powerfrauen, tyrannischen Kindern und Männern, die wie Astronauten über den Niederungen des Alltags schweben, werden die Au-Pairs zu Zeugen des Auseinanderdriftens deutscher Familien.

 

MIT Annette Faßnacht-Westermeier a.G., Christel Mayr, Renate Steinle; Christian Streit a.G. INSZENIERUNG Antje Schupp RAUM & KOSTÜME Mona Hapke

 

*****

 

4. BUNBURY oder ERNST SEIN IST ALLES

Komödie von Oscar Wilde

Premiere: 04.10.2012, 20 Uhr, Großes Haus

 

Es ist weiß Gott eine Last, zu den oberen Zehntausend zu gehören. Gerade die jungen Männer der besseren Gesellschaft müssen sich allerhand einfallen lassen, um sich neben ihren vielfältigen Verpflichtungen bei Diners, Empfängen und im Club wenigstens ein bisschen amüsieren zu können. Algernon stellt fest, dass er dazu die gleiche Strategie entwickelt hat wie sein Freund Jack: Während Algy seinen Freund Bunbury als immerwährende Ausrede erfunden hat, bedient sich Jack seines fiktiven Bruders Ernst zu genau diesem Zweck. In ernsthafte Probleme geraten freilich beide, als sie unabhängig voneinander den beiden jungen Damen Gwendolen und Cecily in der Rolle des erfundenen Bruders einen Heiratsantrag machen. Denn diese sind völlig hingerissen davon, dass ihr künftiger Gatte den Namen „Ernst“ trägt. Trotz halsbrecherischer Lügengeschichten kommen Töpfe und Deckel am Ende zusammen, gepaart mit der Erkenntnis: „Es ist etwas Furchtbares für einen Mann, plötzlich zu entdecken, dass er sein ganzes Leben lang nichts als die Wahrheit gesprochen hat.“

 

Oscar Wilde ist der Meister des geistreichen Wortspiels; die Leichtigkeit seiner Dialoge hat BUNBURY zum unsterblichen Klassiker der Gesellschaftskomödie werden lassen. Wildes Kritik an heuchlerischer Fassade und übersteigerter Wertschätzung von Rang und Namen sind dabei nur das Abfallprodukt einer Kaskade von Komik.

 

MIT Johanna Paschinger, Tini Prüfert, Sibylle Schleicher, Ulla Willick; Jörg-Heinrich Benthien, Fabian Gröver, Wilhelm Schlotterer, Raphael Westermeier INSZENIERUNG Tom Gerber BÜHNE & KOSTÜME Mona Hapke

 

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5. NICHTS. WAS IM LEBEN WICHTIG IST

Nach einem Roman von Janne Teller für Alle ab 14 Jahren

Soiree. 01.10.2012, 19.30 Uhr, Podium.bar

Premiere: 05.10.2012, 19.30 Uhr, Podium

 

„Pierre Anthon verließ an dem Tag die Schule, als er herausfand, dass nichts etwas bedeutete und es sich deshalb nicht lohnte, irgendetwas zu tun“. Das können seine Klassenkameraden nicht auf sich sitzen lassen. Um ihm das Gegenteil zu beweisen, beginnen sie, Dinge zu sammeln, die Bedeutung haben. So entsteht ein ernst zu nehmender und sehr realer Berg aus Bedeutung: Die Bedeutung verehrter Comics wird noch übertroffen von der Bedeutung des geliebten Hamsters, von der eigenen Adoptionsurkunde, dem Sarg des kleinen Emil und einer aus der Kirche geraubten Jesusstatue. Je weiter die Sinnsuche fortschreitet, desto radikaler werden die Dinge, die auf dem Berg aus Bedeutung landen, bis auch vor der körperlichen Unversehrtheit nicht mehr halt gemacht wird. Eine spannendere, erschütterndere Parabel über den Fundamentalismus Pubertierender und über Gewalttätigkeit, die aus Banalität erwächst, hat es seit HERR DER FLIEGEN nicht mehr gegeben.

 

Janne Teller, 1964 in Kopenhagen geboren, veröffentlichte bereits mit 14 Jahren ihre erste Erzählung. Im Jahr 2000 erschien ihr Roman NICHTS, der anfangs vom dänischen Schulamt in Viborg verboten wurde, mit dem sie aber 2001 den Dänischen Kinderbuchpreis gewann. Heute ist es eines der am häufigsten verwendeten Bücher in den dänischen Abiturprüfungen.

 

MIT Aglaja Stadelmann, Renate Steinle; Gunther Nickles, Florian Stern, Volkram Zschiesche INSZENIERUNG Nele Neitzke RAUM & KOSTÜME Mona Hapke

 

 

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