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Turbulenter Urlaub

"Im Weißen Rössl" von Ralph Benatzky im Düsseldorfer Schaupielhaus

Als alpenländische Fernsehklamotte hat sich das Singspiel "Im weißen Rössl" in die Erinnerung eingebrannt. Dass es sich bei der Uraufführung 1930 in Berlin noch ganz anders anhörte, nämlich viel jazziger, spritziger zeigt die 2009 wiederentdeckte Originalpartitur, komponiert für 80 Musiker. Es versteht sich von selbst, dass das natürlich nicht in jedem Haus umgesetzt werden kann. Mit kleinem, feinem Salonorchester hat Christian Weise das beliebte Bühnenstück nun im Düsseldorfer Schauspielhaus neu inszeniert.

Angesiedelt ist es jetzt in den 50er Jahren, Bühnenbild und Kostüme lassen diese Zeit kleinbürgerlicher Piefigkeit mit einem Hauch Mondänität auferstehen. Für die Bühnenausstattung bedient sich Jo Schramm einer Drehbühne. Das Hotelfoyer mit Drehtür und diversen unvermeidlichen 50er Jahre Design Utensilien, wie z.B. einem Zeitungsständer mit Hochglanzzeitschriften, wechselt in eine holzdominierte Gastwirtschaft, ein Bergpanorama mit toter Geis, eine Hütte, eine urige Wellnesslandschaft mit Whirlpool und Erdsauna. Hinreißend greifen die Kostüme von Andy Besuch den Stil dieser Zeit auf, jedoch scheinen die Trachten der Salzkammergutbewohner zum Schluss doch eine ungeheure Anziehungskraft auf die Hotelgäste auszuüben.

Das "Weiße Rössl" ist eine launige Geschichte mit Verwicklungen und Liebeleien in der Sommerfrische. Berliner Stadtmenschen prallen mit heimatverbundenen Alpenländlern aufeinander. Ernst soll man die Geschichte vom Zahlkellner nicht nehmen, der sich in seine Chefin Josefa Vogelhuber verliebt, die in ihren Stammgast Dr. Siedler aus Berlin vernarrt ist, der wiederum Ottilie Giesecke liebt, die Sigismund Sülzheimer heiraten soll, der aber Klärchen bevorzugt. Auf die Spitze getrieben wird diese kuriose Geschichte auch noch durch den unerwarteten Besuch des Kaiser Franz im Gasthaus.

Christian Weise setzt ganz auf den Unterhaltungscharakter des Stückes. Temporeich und mit feiner Überspitzung und kräftiger Ironie entlarvt er das scheinbare Ferienidyll. Auch Klischees werden bedient, die ja allzu oft doch wahrhaftig sind. So lässt er eine Horde Busreisender wie eine Heuschreckenplage in das Lokal des besten Hauses am Platze einfallen. In äußerster Eile, weil ein straffes Programm zu absolvieren ist, werden noch reichlich Brötchen vom Frühstückstisch eingesteckt.

Dass die Zeit auch nicht am idyllischen Salzkammergut vorübergegangen ist, macht die Gruppe chinesischer Touristen deutlich, ganz großartig Jin Su Park, Lifan Yang, Jong Hyun Yoon, Run Rui Du, Joon Kyoo Han, Jung Woo Jang. Auch der maulende Berliner sowie die freche Berliner Göre tauchen in Gestalt von Rainer Galke als Wilhelm Giesecke und Anna Kubin als seine Tochter Ottilie auf. Famos jodelnd spielt Catherine Stoyan die burschikose Briefträgerin Kathi. Herrlich auch Renate Ortmann als Trude Herr-Verschnitt. Florian Jahr als Dr. Otto Siedler liefert grandiose Tanz- und artistische Slapstickeinlagen. Anna Kubin als kaugummikauende Ottilie Giesecke spielt die Berliner Göre mit schnoddrigem Charme. Ebenso überzeugend besetzt Imogen Kogge als patente Wirtin Josepha Vogelhuber, Klaus Schreiber als eifersüchtiger Zahlkellner Leopold Brandmeyer, Pierre Siegenthaler als knauseriger Professor Dr. Hinzelmann. Schrill: das Pärchen Moritz Führmann als schöner Sigismund Sülzheimer mit Halbglatze und Patrizia Wapinska als lispelndes Klärchen. Rainer Galke als Wilhelm Giesecke, der für den erkrankten Hendrik Arnst eingesprungen ist, bekam Extraapplaus für seine bravouröse Leistung. Und überaus heiter gestimmt durch diese turbulente Show verließ das Publikum das Schauspielhaus.

Singspiel in drei Akten von Ralph Benatzky

Buch von Hans Mu?ller und Erik Charell / Musik von Ralph Benatzky / Gesangstexte von Robert Gilbert

Besetzung:

Imogen Kogge / Josepha Vogelhuber, Wirtin

Klaus Schreiber / Leopold Brandmeyer, Zahlkellner

Hendrik Arnst / Wilhelm Giesecke, Fabrikant

Anna Kubin / Ottilie, Gieseckes Tochter

Florian Jahr / Dr. Otto Siedler, Rechtsanwalt

Moritz Führmann / Sigismund Sülzheimer

Pierre Siegenthaler / Professor Dr. Hinzelmann

Patrizia Wapinska / Klärchen, Prof. Dr. Hinzelmanns Tochter

Wolfgang Reinbacher / Der Kaiser (Franz Joseph II.)

Martin Schnippa / Der Piccolo

Catherine Stoyan / Kathi, Briefträgerin

Haemin Gessner / Stubenmaderl

Katrin Junge / Stubenmaderl

Silvia Göhring-Fleischauer / Stubenmaderl

Jasmin Pilato / Stubenmaderl

Lisa Timm / Stubenmaderl

Renate Ortmann / Tourist

Eckhard Helms / Tourist

Jin Su Park / Tourist

Lifan Yang / Tourist

Jong Hyun Yoon / Tourist

Run Rui Du / Tourist

Joon Kyoo Han / Tourist

Jung Woo Jang / Tourist

Josef Ingenhofen / Koch

Ulrich Franke / Konditor

Premiere: 16. November 2013

Band: Nico Brandenburg, Lars Duppler , Ralf Gessler, Klaus Lothar-Peters, Constanze Sannemüller, Stefan Schmid, Jan Schneider, Janning Trumann

Regie: Christian Weise

Bühne: Jo Schramm

Kostüme: Andy Besuch

Musik: Jens Dohle / Musikalische Einrichtung

Klaus Lothar-Peters / Einstudierung

Jens Dohle / Arrangement

Christoph Reuter / Arrangement

Choreografie: Alan Barnes

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