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URAUFFÜHRUNG: FRANKENSTEIN - Tanzstück von Estefania Miranda - Tanzcompagnie Theater Bern

Premiere Fr, 20. März 2015, 19:30 Uhr, Vidmar 1. -----

Was macht das Menschsein aus? Anknüpfend an Mary Shelleys im Jahre 1817 am Genfersee verfassten Roman «Frankenstein» gestaltet Estefania Miranda ein Tanzstück, das die Menschwerdung einer künstlich erschaffenen Kreatur in den Mittelpunkt des Geschehens stellt.

Dem emotionalen Verhältnis von Schöpfer und Geschöpf kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Nicht zuletzt wird die Frage aufgeworfen, welche Verantwortung derjenige zu tragen hat, der im Namen der Wissenschaft die Geheimnisse des Lebens zu erforschen sucht.

 

Mary Shelleys im Jahre 1818 veröffentlichter Roman „Frankenstein“ handelt von dem gleichnamigen, aus Genf stammenden Wissenschaftler, dem es gelingt, einen künstlichen Menschen zu erschaffen. Frankenstein ist von der Tatsache, dass all seine gedankliche Energie nun Fleisch geworden ist, so überwältigt und durch die entstandene Verantwortung für sein Handeln auch derart überfordert, dass er vor der Kreatur die Flucht ergreift. Als er ins Labor zurückkehrt, ist sein Geschöpf verschwunden. Frankenstein versucht, das Geschehene zu vergessen, doch der grausame Mord, den die Kreatur an seinem kleinen Bruder Wilhelm begeht, zwingt den Wissenschaftler dazu, sich den Folgen seines Handels zu stellen.

 

Es kommt zur Begegnung zwischen Frankenstein und seinem Geschöpf, in deren Verlauf das von Einsamkeit gequälte Geschöpf die Erschaffung eines weiblichen Gegenstücks einfordert. Frankenstein willigt zunächst ein, zerstört aber, von Zweifeln gepeinigt, die künstliche Menschenfrau. Die männliche Kreatur nimmt daran erbitterte Rache, indem sie Frankensteins Braut Elisabeth in der Hochzeitsnacht ermordet. Eine Jagd durch ganz Europa schliesst sich an, die im ewigen Eis der Arktis ihren Abschluss findet, wo Frankenstein entkräftet stirbt. Über den Tod seines Schöpfers und die Folgen des eigenen Handelns bestürzt, bereitet auch die Kreatur ihrem Dasein ein Ende.

 

Vor allem die zahlreichen Verfilmungen des Romans haben Mary Shelleys Hinweise auf die abstossende Hässlichkeit der Kreatur Frankensteins überakzentuiert. Für ihre Neugestaltung des Stoffes als Tanzstück hat Estefania Miranda genau an diesem Punkt angesetzt. Sie zeigt diese Figur als ein Geschöpf, welches nicht primär physisch abstossend, sondern andersartig ist. Aus dieser Andersartigkeit folgt das Gefühl der Ausgrenzung, das im Stück thematisiert wird. Auch wird die Frage erörtert, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten wir als elementar für unser Menschsein erachten.

 

Die Frage nach der Motivation Frankensteins und den Konsequenzen seines Handelns stellt einen weiteren Gegenstand der künstlerischen Recherche dar. Und schliesslich ist das Stück auch die Erkundung der Innenwelt der von Frankenstein geschaffenen Kreatur. Diese ist nicht von Grund auf böse, vielmehr von einer fast kindlichen Unschuld, doch durch unglückliche Umstände hat sie

sich in ein Netz aus Untaten verstrickt, aus dem sie sich nicht mehr zu befreien vermag. Fast könnte man sagen: Die eigentlich tragische Figur dieses Stückes ist nicht Frankenstein, sondern sein Geschöpf.

 

Estefania Miranda wurde 1975 in Chile geboren und studierte Tanz in Edinburgh (GB) und Tilburg

(NL). Bereits im dritten Studienjahr wurde sie in die Ismael Ivo Company am Deutschen Nationaltheater Weimar aufgenommen. Hier blieb sie bis 2000 und war in Ismael Ivos Choreografien als Solistin in zahlreichen Hauptrollen zu sehen. Es folgen internationale Tourneen u.a. in Europa, Brasilien, Kolumbien, Ägypten und der Türkei. Während dieser Zeit arbeitete sie außerdem mit George Tabori an der Schaubühne Berlin und entwickelte eigene Tanzstücke am Deutschen Nationaltheater Weimar. 2000 wurde Estefania Miranda Schauspielerin und Ensemblemitglied am Deutschen Nationaltheater Weimar. Es folgten Projekte als Tänzerin und Schauspielerin u. a. am Schauspiel Hannover, bei ImPuls Tanz in Wien und mit Marina Abramović in Paris. 2009 gründete sie die Company Estefania Miranda und erwarb ein eigenes Produktionszentrum mit Proberäumen, Bühne und Café in Berlin. Im Jahr darauf wurde Estefania Miranda Kuratorin für Tanz am Deutschen Nationaltheater Weimar sowie Künstlerische Leiterin des Internationalen Tanzfestivals Weimar, das sie zuvor gegründet hatte. Ihre von Publikum und Presse gefeierten Arbeiten – etwa die Trilogie «Zwischenräume», basierend auf Texten von Sarah Kane und Michel Houellebecq – wurden international produziert und gezeigt unter anderem beim Festival de Printemps Lausanne, im Theater Rote Fabrik in Zürich, in der Usher Hall in Edinburgh sowie im Festspielhaus Hellerau in Dresden.

Seit Beginn der Spielzeit 2013.14 ist Estefania Miranda Direktorin Tanz am Konzert Theater Bern.

 

Für „Frankenstein“ arbeitet Estefania erneut mit der Bühnen- und Kostümbildnerin Gabriele Wasmuth sowie dem Videokünstler Yoann Trellu zusammen, die in der Spielzeit 2013.2014 bereits für die visuelle Gestaltung des Tanzstückes „Othello“ verantwortlich zeichneten. Erneut mit von der Partie ist auch das niederländische Komponistenduo Jeroen Strijbos& Rob van Rijswijk, das wie bei „Othello“ den Probenprozess intensiv begleitet und für die einzelnen Szenen des Stückes massgeschneiderte elektronische Klänge schaffen wird.

 

choreografie Estefania Miranda

bühne und kostüme Gabriele Wasmuth

musikkomposition Jeroen Strijbos & Rob van Rijswijk

video Yoann Trellu

dramaturgie Christoph Gaiser

choreografische assistenz Linda Magnifico

 

mit Tanzcompagnie Konzert Theater Bern

 

Weitere Vorstellungen: 22., 26. Mrz | 21., 23. Apr | 06., 08., 10. 19. Mai 2015

| Einführung 30 Min vor der Vorstellung (ausser Premiere)

 

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