Ab hier könnte die Geschichte des Theater- und Filmregisseurs Kornél Mundruczó in eine Theatersaga, ein Paradebeispiel sozialer Etablierung münden. Imitation of Life jedoch beschreibt, wie das »neue Leben« vom Albtraum des Selbsthasses erstickt wird. Ein höchst aktuelles (Anti-)Märchen menschlicher Erniedrigung und moralischen Niedergangs. Kornél Mundruczó erzählt eine fiktive Lebensgeschichte basierend auf realen Fakten und inspiriert von Douglas Sirks Film Imitation of Life (1959). Grundlage der Geschichte ist ein aktenkundiger Fall der Budapester Polizei: Im Mai 2005 wurde ein junger Rom in einem Bus mit einem Messer attackiert. Der Aufruhr in den Medien war groß. Die Bevölkerung demonstrierte gegen Rassismus. Wie sich herausstellte, war der Täter Mitglied einer rechtsextremen Gruppierung und wie sein Opfer: ein Roma.
Der unverhohlene Rassismus der neofaschistischen Jobbik-Partei gegenüber Sinti und Roma wurden von vielen als Nährboden für diese Bluttat ausgemacht. Umso größer war das Entsetzen bei den liberalen Kräften, als sich herausstellte, dass der Täter ebenfalls Roma war. Allerdings hatte er seit Jahren seine Identität verleugnet und sich kurz vor seiner Tat einer Organisation angeschlossen.
Diese wahre Begebenheit (und Douglas Sirks Hollywood-Melodram Imitation Of Life von 1959) sind Ausgangspunkt von Kornél Mundruczós gleichnamiger neuer Produktion: Der Sohn einer Romafamilie versucht seit seiner Kindheit seine Herkunft, die ihn im Ungarn unserer Tage oft zu einem gesellschaftlich Ausgegrenzten macht, zu verbergen und zu verdrängen. Nach einer heftigen Auseinandersetzung mit seinem Vater verlässt er seine Familie. Doch auch in der Stadt sieht er sich auf der Jobsuche immer wieder mit rassistischen Vorurteilen konfrontiert. Währenddessen sucht seine Mutter nach ihrem verlorenen Sohn. Die Polizei allerdings zeigt keinerlei Interesse, einen verschwundenen Roma aufzuspüren. Der Junge prostituiert sich und trifft seine KundInnen in einem Hotel in der Großstadt. Er färbt sich seine Haare blond, erfindet sich eine neue Identität und verliert jegliche Ähnlichkeit mit dem, der er war. Die reiche und einsame Besitzerin des Luxushotels, in dem er inzwischen regelmäßig seine Freier trifft, macht ihn zu ihrem Geliebten. Durch sie gelangt er zu Geld – und zu Macht. Der Ablehnung und Verachtung durch die Hotelangestellten begegnet er mit zunehmend autoritärem und aggressivem Verhalten. Doch plötzlich steht seine Mutter in der Tür und teilt ihm mit, dass sein Vater gestorben ist. Konfrontiert mit seiner wahren Identität, ist sein Zusammenbruch nahe …
Kornél Mundruczó zählt mit seinen Filmen wie mit seinen Theaterarbeiten zu den aktuell wichtigsten und politischsten Regisseuren in Europa. Bereits sein erster Kurzfilm Tag für Tag wurde 2001 bei den Internationalen Kurzfilmtagen Oberhausen mit drei Preisen ausgezeichnet. Seine Inszenierung mit seinem ungarischen Ensemble Proton Theater Es ist nicht leicht, ein Gott zu sein war 2010 bei Theater der Welt im Ruhrgebiet zu sehen und erhielt beim Festival „Politik im Freien Theater“ in Dresden 2011 den Hauptpreis. 2012 realisierte Mundruczó am Theater Oberhausen Schöne Tage. Für seinen Film White God verlieh ihm die Jury der Filmfestspiele in Cannes 2014 den Hauptpreis der Sektion „Un Certain Regard“. In seiner neuesten Theaterproduktion Imitation Of Life entwirft Mundruczó eine politische Studie über Identitäten und Realitäten in einem zunehmend extremistischen Europa des 21. Jahrhunderts.
Eine Koproduktion von Proton Theatre (Budapest) mit Wiener Festwochen, Theater Oberhausen, La Rose des Vents (Lille), Le Maillon (Théâtre de Strasbourg/Scène européene), Trafó House of Contemporary Arts (Budapest), HAU Hebbel am Ufer (Berlin), Hellerau – European Center for the Arts (Dresden), Wiesbaden Biennale
Ungarisch mit deutschen Übertiteln
Regie Kornél Mundruczó
Bühne Márton Ágh
Kostüme Márton Ágh, Melinda Domán
Musik Asher Goldschmidt
Licht András Éltetö
Dramaturgie Soma Boronkay
Künstlerische Beratung Stefanie Carp
Produktion Dora Büki
Mit Annamária Láng, Lili Monori / Zsombor Jéger, Dariusz Kozma/Ruben Gerendás, Roland Rába
03. - 05./08./10. Juni 2016