Neben Pop HD auf der Grundlage des Balletts My Generation, das Siegal 2015 in New York mit Cedar Lake Contemporary Ballet entwickelte, stehen am 11. Mai zwei Uraufführungen auf dem Programm:
Allein der Titel BoD, kurz für Ballet of Difference, signalisiert den programmatischen Charakter des Stücks. Die Arbeit an dieser ersten Neukreation fiel noch in die Phase des gegenseitigen Kennenlernens. Richard Siegal erkundet die individuellen Persönlichkeiten seiner Tänzer und lässt sie Elemente ihrer jeweiligen Biographie einbringen. Auf diese Weise werden die unterschiedlichen ästhetischen und ethnischen Prägungen jedes einzelnen in der Choreographie erfahrbar. Dieser Ansatz spiegelt sich auch in der Musikauswahl: DJ Haram, US-Amerikanerin mit Wurzeln im Nahen Osten, mixt unterschiedliche zeitgenössische Club-Ästhetiken mit experimentellen Sounds und arabischen Musiktraditionen. Die aufblasbaren Kostüme hat die Gründerin des New Yorker Chromat-Labels Becca McCharen entworfen. Sie überformen die Körper der Tänzer, hinterfragen tradierte Gechlechtsidentitäten und tragen durch ihre Nähe zu Rettungswesten auch eine politische Dimension in sich.
Mit Excerpts of a Future Work on the Subjects of Chelsea Manning zeigt Siegal zum ersten Mal Szenen aus einem work in progress über die Whistleblowerin Chelsea Manning. Im Februar 2010 leitete Manning Tausende von geheimen militärischen Dokumenten über Menschenrechtsverstöße der Amerikaner im Irak, in Afghanistan und Guantánamo an Wikileaks weiter. Damals war sie Angehörige der US-Streitkräfte und trug offiziell noch den Namen Bradley Manning. Für den Verrat von Militärgeheimnissen wurde sie im August 2013 zu 35 Jahren Gefängnis verurteilt, jedoch von Präsident Barack Obama in einer seiner letzten Amtshandlungen begnadigt. Ihre Freilassung ist auf den 17. Mai angesetzt. Dass sich Siegal in einem neuen Ballett mit Chelsea Manning befasst, leuchtet sofort ein. Denn es geht um den Zusammenprall zweier völlig unterschiedlicher Welten: hier das Ideal des freien Informationsflusses, dort das geschlossene System des Militärs. Hier die rigiden Gendernormen der Armee, dort die zwischen den Geschlechtern changierende Identität Mannings. Am konkreten Beispiel ihrer Biographie geht Richard Siegal der Frage nach: Wie viel Transparenz und wie viel Freiheit ist möglich in unserer Gesellschaft?
Richard Siegal / Ballet of Difference: Die Mission
Ballet of Difference ist Ballett. Aber es steht quer zum Kanon und der Tradition des klassischen Balletts, dessen Betonung von Hierarchie und den polaren Rollen von Mann und Frau noch die Werte des 19. Jahrhunderts widerspiegelt.
Ballet of Difference bekennt sich leidenschaftlich zu Migration und Integration. Unsere Gesellschaft profitiert von kultureller Vielfalt und dem Miteinander der unterschiedlichsten Lebensentwürfe. In Zeiten des Rückzugs auf das Nationale und der Social Media-Filterblasen, ist Diversität heute wichtiger denn je.
Ballet of Difference sucht das Verbindende. Es strebt nach Inklusion – innerhalb der Company ebenso wie in den Szenen, aus denen sie ihre Inspiration bezieht. Siegals Arbeitsstil ist durch und durch interdisziplinär. Die My Generation-Produktionen schlagen Brücken zur Pop- und Fashion-Avantgarde. Der außergewöhnliche Look entsteht in Kollaboration mit der isländischen Stylistin Edda Gudmundsdottir. Die spektakulären Kostüme entwerfen der deutsche Designer Bernhard Willhelm (Pop HD), die in London ansässige, polnischstämmige Designerin Marta Jakubowski sowie die Gründerin des Chromat-Labels Becca McCharen. Musikalisch setzt Siegal einmal mehr auf Uwe Schmidt alias Atom™, dessen subversive elektronische Soundästhetik Siegals Tanzsprache perfekt ergänzt. Für BoD hat Siegal Musik bei DJ Haram in Auftrag gegeben, die von dem Label Discwoman vertreten wird. Die Plattform aus New York ist spezialisiert auf elektronische Musik und präsentiert vor allem Künstlerinnen und Künstler aus der LGBT-Szene. Für Chelsea Manning choreographiert Siegal die verführerischen Arrangements von The Haxon Cloak für Josiah Wise AKA Serpentwithfeet., den neuen Stern am R&B-Himmel.
Zur Person: Richard Siegal
Richard Siegal ... weltweit begehrt als innovativster, als aufregendster Tanzschöpfer seiner Generation
Eva-Elisabeth Fischer, Süddeutsche Zeitung
Der amerikanische Tänzer und Choreograph Richard Siegal sucht, in Zusammenarbeit mit Künstlern unterschiedlichster Disziplinen, dem zeitgenössischen Tanz ein neues Gesicht zu geben. Richard Siegal stellte seine innovativen Projekte auf Festivals in der ganzen Welt vor und wurde hierfür mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Münchner Tanzpreis 2013, dem Deutschen Theaterpreis DER FAUST 2010, dem New York Dance and Performance Bessie Award (2008), dem Mouson Award (2007) sowie dem S.A.C.D. Prize (2006). Als Choreograph arbeitete er für das Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe, das Bennington College (Vermont, USA) und das Baryshnikov Arts Center (New York City, USA).
Zwischen 1997 und 2004 tanzte Richard Siegal im Ensemble des Ballett Frankfurt unter der Leitung von William Forsythe. Von 2005 bis 2015 war er associated artist bei The Forsythe Company, seit 2010 Choreographer-in-Residence am Muffatwerk München und in der Saison 2015/16 auch am Festspielhaus St. Pölten.
Er kreierte für das Ballett Frankfurt, das Ballet National de Marseille, die Göteborg Danskompani, das Bayerische Staatsballett, das Hessische Staatsballett, für das Cedar Lake Contemporary Ballet, für Bodytraffic in Los Angeles und für die São Paulo Dance Company. Seine Choreographien werden getanzt von Bodytraffic, Bayerisches Staatsballett II / Junior Company, Ballett Dortmund und dem Ballett des Theater Bielefeld.
Im August 2016 setzte Richard Siegal mit der Uraufführung von In Medias Res, dem zweiten Teil seiner Dante-Trilogie für die Ruhrtriennale, einen weiteren künstlerischen Meilenstein. Die komplette Trilogie wird im August 2017 zu sehen sein. In den kommenden Monaten wird sich Richard Siegal außerdem als choreographischer Mentor für das kulturelle Wissenstransfer-Projekt Forecast engagieren.
Das Team
Konzept und Choreographie: Richard Siegal
Tanz: Claudia Ortiz Arraiza, Léonard Engel, Katherina Markowskaja, Yvonne Compaña Martos, Matthew Min Rich, Margarida Neto, Navarra Novy-Williams, Joaquim de Santana, Diego Tortelli, Lucas Valente, Ebony Williams
Musik: Atom™, DJ Haram, Josiah Wise AKA Serpentwithfeet.
Dramaturgie: Tobias Staab
Licht: Gilles Gentner
Styling: Edda Gudmundsdottir
Kostüme: Bernhard Willlhem, Chromat/Becca McCharen, Marta Jakubowski
Ballettmeisterin: Caroline Geiger
Trainingsleitung: Katherina Markowskaja
Projektmanagement: Miria Wurm
Technische Leitung: Roman Fliegel
Pressearbeit: Nicola Steller
Logo Richard Siegal / Ballet of Difference
ist eine Produktion von
Richard Siegal/The Bakery und ecotopia dance productions
In Koproduktion mit
Tanz Köln, Schauspiel Köln, DANCE Festival und dem Muffatwerk München
gefördert durch das Kulturreferat des Landeshauptstadt München und das Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen
Richard Siegal ist Choreographer-in-Residence am Muffatwerk.
O Uraufführung am Donnerstag, 11. Mai 2017 um 21:00 Uhr
O Freitag, 12. Mai 2017 um 21:00 Uhr
O Samstag, 13. Mai 2017 um 21:00 Uhr
Bregenzer Frühling, Festspielhaus Bregenz
O Freitag, 19. Mai 2017 um 20:00 Uhr
Internationale Tanzgastspiele Tanz Köln, Depot 1
O Freitag, 14. Juli 2017 um 20:00 Uhr
Bolzano Danza, Teatro Comunale
O Montag, 17. Juli 2017