Leyla und Medjnun lieben sich. Sie erblicken in den Augen des anderen die Welt und merken nicht, »dass die Augen der Welt auf sie gerichtet waren«, wie der Erzähler der in persischer Sprache aufgeschriebenen Geschichte zusammenfasst: Denn die Liebe von Leyla und Medjnun ist niemandem verborgen geblieben – das Gerücht »verbreitete sich von Mund zu Mund, von Ohr zu Ohr, von Zelt zu Zelt, von Basar zu Basar und kehrte als Gewitter zurück zu Leyla und Medjnun«. So stellen sich auch ihre Familien gegen diese Verbindung: Leylas Eltern wünschen sich einen anderen Bräutigam für ihre Tochter, Medjnuns Vater macht sich Sorgen um seinen Sohn. Aus seiner Sicht hat Medjnun mehr als nur Liebeskummer, sondern ist regelrecht besessen von der Liebe zu Leyla, setzt diese Liebe sogar über die Gottesliebe. Seine Mitmenschen bezeichnen den jungen Mann als Verrückten – auf Arabisch »madschnūn«.
Mit Worten alleine ist Medjnun nicht von seinem Liebeswahn abzubringen – an Worten ist er selbst nämlich mächtiger als alle anderen. Er ist ein »Sultan der Worte«, ein großer Poet. Er zieht sich zurück in die Wüste mit dem Ziel, zu dichten und mit seinen Versen der Lehrer aller Liebenden zu werden. Auch ein Arzt, der zu ihm in die Wüste geschickt wird, kann ihn nicht kurieren; Medjnuns Verse werden paradoxer, verwirrender – er wird als gefährlicher Prophet erachtet, als Anführer einer Horde Liebesverrückter. Doch ist nicht auch die Liebe paradox und verwirrend? Verkündet Medjnun nicht vielleicht eine Wahrheit über die Liebe, wenn er vom Arzt »die Arznei, die seine Krankheit unheilbar macht« verlangt? Derweil muss Leyla den für sie vorbestimmten Bräutigam heiraten – und hoffen, dass der Wind ihre Klagen und ihr unendliches Sehnen zu ihrem Medjnun in die Wüste hinausträgt. Beide, Leyla und Medjnun, wissen, dass sie sterben müssen, um ihre Liebe unsterblich werden zu lassen.
Der 1960 geborene Detlev Glanert, ein Schüler von Hans Werner Henze, gehört mit bisher neun abendfüllenden Opern zu den international bedeutendsten Opernkomponisten unserer Zeit. An der Staatsoper Hannover wurde zuletzt in der Spielzeit 2014/15 seine Oper Caligula nach Albert Camus aufgeführt. Für die Junge Oper Hannover hat er eine neue Fassung von Leyla und Medjnun erstellt, seines ersten Werks für das Musiktheater. Das auf der Erzählung des mittelalterlichen Dichters Nizami gründende musikalische Märchen wurde 1988 als Eröffnung der ersten Münchener Biennale für neues Musiktheater uraufgeführt und vereinigt musikalische und erzählerische Elemente aus Europa und dem Nahen und Mittleren Osten. So treffen zum Beispiel die Erzählerfigur der Zenne, die von einem männlichen Darsteller gespielte weibliche Hauptfigur des türkischen Volkstheaters Orta Oyunu, und die Musik der orientalischen Laute Oud auf westliches Orchester, auf Operndramaturgie und -gesang. Gemeinsam erzählen diese Elemente, mit denen Detlev Glanert die Trennung zwischen »Kopf-, Herz- und Bauchmusik« aufheben möchte, auf die unendliche, sich wiederholende Geschichte zweier Jugendlicher, die sich lieben – aber diese Liebe nicht erfüllen dürfen.
Musikalische Leitung
Siegmund Weinmeister
Sebastian Welker
Bühne und Kostüme
Rebekka Zimlich
Choreographie
Grazyna Przybylska-Angermann
Uwe Wegner
Dramaturgie
Swantje Köhnecke /
Christopher Baumann
Musiktheaterpädagogik
Maike Fölling
Zenne
Matthias Buss
Leyla
Karine Minasyan
Medjnun
Edward Mout
Mutter, Giraffe, Schüler 3, Tote 3
Marlene Gaßner
Krieger, Schneider, Bräutigam, Schüler 4, Toter 4
Michael Chacewicz
Vater, Jäger, Arzt, Schüler 6, Toter 6
Gihoon Kim
Morgenvogel, Schüler 1, Toter 1
Ylva Stenberg
Reh, Schüler 2, Tote 2
Anna Mengel
Schuster, Fuchs, Schüler 5, Toter 5
Uwe Gottswinter
Schmied, Löwin, Schüler 7, Toter 7
Jan Szurgot
Niedersächsisches Staatsorchester Hannover
Termine: 12.5. (Premiere), 17.5., 18.5., 24.5., 25.5., 27.5.2017, jeweils 19.30 Uhr