Die verbalen Ausdünstungen unseres Telefonverkehrs dringen jedoch höchstens als Hintergrundrauschen bis in diese ferne Region. Es wäre ein Euphemismus, es Schicksal zu nennen, was den Menschen hier widerfährt – es ist die nackte Ausbeutung. Ausgelöst durch ein Grubenunglück und grundiert von nicht enden wollendem Regen zeichnet der Autor den Grusel hinter der polierten Außenhaut unserer Smart- und sonstigen Phones.
Die Geschichte, die er erzählt, ist aber vielfältig facettiert und gebrochen: Die Menschen, denen wir am Rande der Grube begegnen, sitzen wie eine Art Wiedergänger in einem U-Bahn-Zug, der an einem heißen Sommerabend, glühend von „afrikanischer Hitze“, in sein Verderben donnert. Hinter dem Spam-Geplapper der Mitreisenden lauern Beklemmung, Ängste, Verlorenheit. Als hätten sie eine zweite Identität, beobachten wir Figuren, die wir schon kennen, in einer Parallelwelt, während sie an dem anderen Ort durch den Mahlstrom der Ausbeutung verelenden, real und seelisch, bis dem Chef der Grube ein Herz aus Stein eingepflanzt wird, als wär‘s eine Geschichte von Wilhelm Hauff. Zwei Albtraumwelten spiegeln und durchkreuzen sich – und ewig rauschen die Stimmen. Eine poetische Recherche im Herzen der Finsternis. Hier sind zwei Welten einfach falsch verbunden.
Roland Schimmelpfennig ist einer der bekanntesten deutschsprachigen Autoren, seine Stücke werden weltweit gespielt. Am Schauspielhaus wurden zahlreiche seiner Stücke aufgeführt (»Die arabische Nacht«, »Push Up 1-3«, »Vorher/Nachher«, »Calypso«, zuletzt »Der goldene Drache« in der Regie von Klaus Schumacher). Seit geraumer Zeit inszeniert Schimmelpfennig seine Stücke auch selbst. »SPAM« ist ein Auftragswerk für das Deutsche SchauSpielHaus.
Es spielen: Lina Beckmann (Die blinde Frau), Elizabeth Blonzen (Elena), Katja Danowski (Der Kapitän), Paul Herwig (Der Mann in der Grube), Jan-Peter Kampwirth (Der Zweite), Aljoscha Stadelmann (Der Riese) / Musiker: Suzana Braderic, Alex Jezdinsky
Regie: Roland Schimmelpfennig
Bühne: Wilfried Minks
Kostüme: Lane Schäfer
Musik: Hannes Gwisdek
Licht: Susanne Ressin
Dramaturgie: Michael Propfe
Weitere Aufführungen: 26/5, 1/6, 6/6