Kafka bezeichnete einmal den Augenblick des Erwachens als den »riskantesten Augenblick am Tag« und erläuterte, »dass es doch wunderbar sei, dass man, wenn man früh aufwacht, wenigstens im allgemeinen alles unverrückt an der gleichen Stelle findet, wie es am Abend gewesen ist«. Im Schlaf und im Traum sei man »doch wenigstens scheinbar in einem vom Wachen wesentlich verschiedenen Zustand gewesen«, und es gehöre »eine unendliche Geistesgegenwart oder besser Schlagfertigkeit dazu, um mit dem Augenöffnen alles, was da ist, gewissermassen an der gleichen Stelle zu fassen, an der man es am Abend losgelassen hat.« Von dieser Art Schlagfertigkeit ist der Überlebenswille des unverwüstlichen Beckettschen Paares.
Der Raum ist eine fast leere Bühne, die Menschen heissen Wladimir und Estragon. Sie treffen sich, vertreiben sich die Zeit; immer, wenn sie nicht mehr wissen, warum sie eigentlich da sind, erinnern sie sich, dass sie auf einen gewissen Godot warten. Sie erhalten Besuch von dem ungleichen Paar Pozzo und Lucky, von denen einer der Unterdrücker und der andere der Unterdrückte zu sein scheint – vielleicht ist es aber auch umgekehrt. Einmal kommt ein Junge vorbei, der von Godot zu sagen weiss, dass er erst morgen kommt.
Das Spiel wiederholt sich. Einen Tag oder eine Ewigkeit später treffen sie sich wieder, stellen sich dieselben Fragen und warten immer noch auf Godot. Trotz aller Ungewissheiten, Widrigkeiten und Unstimmigkeiten halten Wladimir und Estragon an ihrer Mission fest – und aneinander, und sei es nur, dass sie sich jeden Tag treffen und dabei helfen, die Zeit besser zu verbringen.