Doch nicht allein der Versuch, die äußerste Sprachlosigkeit zur Sprache zu bringen, bewegt den 28 Jahre alten, bereits sehr erfolgreichen Autor Peter Handke dazu, den Freitod seiner Mutter zum Anlass für ein literarisches Experiment zu nehmen. Es ist zudem sein Anliegen, ihren Selbstmord in seiner Trauer zu einem FALL zu machen: „Ich vergleiche also den allgemeinen Formelvorrat für die Biographie eines Frauenlebens satzweise mit dem besonderen Leben meiner Mutter; aus den Übereinstimmungen und Widersprüchen ergibt sich dann die eigentliche Schreibtätigkeit.“
Das Ergebnis dieses Schreibens ist eine Erzählung, die auch mehr als 40 Jahre nach ihrer Entstehung im Jahr 1972 eine verstörende Aktualität bewahrt hat; in der Schilderung einer einzigartigen Allerweltsgeschichte, entscheidend geprägt vom Anschluss Österreichs 1938, entsteht poetisch und präzise die Erinnerung an eine einst lebensfrohe Frau, die versucht, ihrer bäuerlichen Herkunft im Grenzgebiet zwischen Österreich und Slowenien, inmitten sozialer Repression und religiösem Dogmatismus, zu entkommen. Eine Mutter von vier Kindern, die vor und nach dem Zweiten Weltkrieg nach einem Leben jenseits der häuslichen Pflichten sucht und an den sogenannten Umständen scheitert. Am Ende dieses beklemmenden Frauenschicksals steht die minutiös geplante Selbsttötung als einziger Ausweg. Handkes tastende, gedankenscharfe und gänzlich unsentimentale Suche nach der Lebensgeschichte seiner Mutter und die gleichzeitige Skizzierung einer gebrandmarkten Frauengeneration verweigert jedes abgeschlossene Bild.
Wunschloses Unglück ist zudem eine fortwährende Auseinandersetzung mit dem biografischen Aspekt des Schreibens: „ – dieses Mal aber, da ich nur der Beschreibende bin, nicht aber die Rolle des Beschriebenen annehmen kann, gelingt mir das Distanznehmen nicht. Nur von mir kann ich mich distanzieren, meine Mutter wird und wird nicht, wie ich sonst mir selber, zu einer beschwingten und in sich schwingenden, mehr und mehr heiteren Kunstfigur. Sie lässt sich nicht einkapseln, bleibt unfasslich, die Sätze stürzen in etwas Dunklem ab und liegen durcheinander auf dem Papier.“
Die britische Regisseurin Katie Mitchell, international bekannt durch ihre geradezu radikal präzisen und nicht weniger magischen, stark filmisch orientierten Arbeiten im Theater, zeigte im letzten Jahr bei den Wiener Festwochen mit großem Erfolg die Oper „Written on Skin“ und erhielt für ihre Kölner Inszenierung „Reise durch die Nacht“ den Nestroypreis 2013 für die „Beste deutschsprachige Aufführung“. Mitchell wird sich nun jenem wohl persönlichsten Stoff Peter Handkes im Kasino nähern und damit zugleich ihr Debüt am Burgtheater geben.
In dieser Produktion wird aus künstlerischen Gründen auf der Bühne geraucht.
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Bearbeitung für die Bühne Duncan Macmillan
Regie: Katie Mitchell –
Bühne: Lizzie Clachan –
Kostüme: Sussie Juhlin-Wallen –
Musik: Paul Clark –
Sounddesign: Gareth Fry, Melanie Wilson –
Video: Finn Ross –
Bildregie: Grant Gee –
Kamera: Sebastian Pircher, Andreas Hartmann –
Licht: Jack Knowles –
Dramaturgie: Amely Joana Haag
Mit: Liliane Amuat, Dorothee Hartinger, Petra Morzé, Ruth Sullivan; Peter Knaack, Robert Reinagl, Laurence Rupp, Daniel Sträßer u. a.
Dienstag, 11.02.2014 | 20.00 UhrKasino
Mittwoch, 12.02.2014 | 20.00 UhrKasino
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Montag, 17.02.2014 | 20.00 UhrKasino