Die Auswahl der internationalen Gastspiele ist dabei anders gefärbt als in den Vorjahren, politischer. Denn die Welt ist in den letzten Monaten eine andere geworden. Natürlich stimmt das nur bedingt. Anders geworden ist die Welt nur aus mitteleuropäischer Sicht, weil das Schicksal der Flüchtlinge aus Afrika und vor allem dem Nahen Osten uns in Deutschland näher gerückt ist. Und weil auch der Terror, der viele dieser Menschen dazu bewogen hat, ihre Heimat zu verlassen, allmählich näher zu kommen scheint. Zumindest näher an unser Bewusstsein.
Viele der Gastspiele nehmen in ihrer Arbeit Stellung zu dem, was gesellschaftlich in unserer Welt passiert. In der Welt der Erwachsenen wie auch in der Welt der Kinder und Jugendlichen, hier wie in anderen Gegenden der Welt. Dabei erzählen sie keine konkreten Flüchtlings-, Armuts- oder Kriegsgeschichten, aber sie sind geprägt durch eine klare Haltung dazu oder basieren darauf und versuchen, ästhetisch und dabei immer wieder auch überraschend kurzweilig Stellung zu beziehen.
Das gilt beispielsweise für Tiny Free, eine junge noch unbekannte freie Gruppe aus Uganda, die in ihrem Hiphop-Tanztheater-Stück „ILL – Legitimate“ vom Leben vieler Jugendlicher in Afrika, von Kinderarbeit und Kindersoldaten erzählt. Das Backa-Teater, eines der größten Kinder- und Jugendtheater in Europa, dessen Intendant Matthias Andersson zu den bekanntesten schwedischen Regisseuren gehört, hat für sein Stück „Acts of Goodness“ junge Menschen in ganz Europa nach guten Taten befragt. Das Ergebnis ist eine verstörende Szenen-Collage über das Thema Helfen wollen und Helfen lassen. Drei Clowns aus Schweden, Zimbabwe und Indien haben monatelang in den großen Flüchtlingscamps in Jordanien und im Libanon gespielt und ihre Eindrücke in „Flugo!“ verarbeitet. Der künstlerische Leiter des Projektes ist zugleich Gründer der Organisation Clowns ohne Grenzen in Schweden. Und das belgische Theater Bronks hat sein Stück „Wij/Zij“ über die Unterschiedlichkeit von Wahrnehmungen und Erinnerungen auf Grundlage einer wahren Geschichte entwickelt: dem Überfall von nordkaukasischen Terroristen auf eine Schule in der Stadt Beslan.
Stark vertreten ist einmal mehr die flämische Theaterszene: Neben dem Bronks-Theater ist auch die Kopergietery aus Gent dabei mit dem gleichfalls nicht unpolitischen Tanztheater „Voetball on Stilettos“ sowie Studio Orka. Die Experten für Site-Specific stürmen diesmal die JES-Bühne, und das mit einer Deutschsprachigen Erstaufführung: „Studio Orka spielt Der Löwe“.
Für die jüngsten Zuschauer zeigt derDschungel Wien sein Tanztheater mit Live-Musik „Spiegelspiele“ und das Magnet Theatre aus Südafrika „Tree / Boom / Umthi“, das mit hinreißend einfachen Mitteln vom Wandel der Jahreszeiten als der Grundlage allen Lebens erzählt.
Auswahl 2016 Baden-Württemberg
Die Baden-Württemberger Auswahl für die Schöne Aussicht steht fest. Die beiden externen Kuratoren Jutta M. Staerk (Leiterin des COMEDIA Theaters Köln) und Frederik Zeugke (Dozent für Dramaturgie an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart) haben sich für folgende Produktionen entschieden:
Theater der Stadt Aalen: Himmel und Hände (4+/UA) von Carsten Brandau / Regie: Winfried Tobias
Junges Staatstheater Karlsruhe: Frerk, Du Zwerg! (5+/UA) von Finn-Ole Heinrich / Regie: Mathias Becker
Junge WLB / Württembergische Landesbühne Esslingen: Die Reise zum Mittelpunkt des Waldes (8+/UA) von Finn-Ole Heinrich / Regie: Benedikt Grubel
Theater im Marienbad Freiburg: Kindheit (10+/UA) Ein Theaterstück mit Texten von David Lindemann und Ensemble / Regie: Stephan Weiland
Badische Landesbühne Bruchsal: Flaschengeld (10+/UA) von Lisa Sommerfeldt / Regie: Joerg Bitterich
Junges Theater Heidelberg: From Zero to Hero?! (12+/UA) Ensemblestück / Regie: Sarah Victoria Wagner
Theater Baden-Baden: Pocahontas 2015 (Show must go on) (15+/UA) von Eva Rottmann / Regie: Jule Kracht
Junges Nationaltheater Mannheim: Du Hitler (15+/DE) von Kristo Sagor / Regie: Kristo Sagor
Das Junge Ensemble Stuttgart (JES) zeigt als Gastgeber die neue Koproduktion mit dem New International Encounter (NIE): The Emigrants / Regie: Kjell Moberg und Waldflucht - Noch ein Schritt, ein blauer Rabe nimmt dich mit.
Das Festival Schöne Aussicht wird gefördert von der Landeshauptstadt Stuttgart und dem Land Baden-Württemberg .