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Anhaltisches Theater Dessau: Ende der Generalintendanz von André Bücker nach sechs Spielzeiten

Mit der zweiten und voraussichtlich letzten zyklischen Aufführung von Richard Wagners Opern-Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“ vom 23.-28. Juni 2015 endet André Bückers Generalintendanz nach sechs Spielzeiten am Anhaltischen Theater. Bücker kam 2009 nach Dessau, nachdem er zuvor bereits als freier Regisseur, als leitender künstlerischer Mitarbeiter u.a. bei der Landesbühne Niedersachsen Nord und als Intendant des Nordharzer Städtebundtheaters für überregionales Aufsehen gesorgt hatte.

In Dessau übernahm er die Leitung des 4-Sparten-Hauses, das zuvor 18 Jahre von Johannes Felsenstein geleitet worden war.

Er gab seinen Einstand am Anhaltischen Theater mit Lessings „Nathan der Weise“, der mit Bezug auf den Dessauer Philosophen Moses Mendelssohn bereits das große Interesse an der Stadt und ihrer Geschichte unter Beweis stellte. Die Inszenierung war dabei Teil eines Eröffnungs-Triptychons, das mit Wagners „Lohengrin“ (Regie: Andrea Moses) und Schleefs „Abschlussfeier“ (Regie: Armin Petras) zugleich die beabsichtigte Programmmischung aus großem Musiktheater, Schauspiel und ungewöhnlichen Formaten begründete.

Fortan wurde unter der Intendanz von André Bücker ein Spielplan entwickelt und gepflegt, der in Zusammenarbeit mit prägenden Persönlichkeiten wie Generalmusikdirektor Antony Hermus und Ballettdirektor Tomasz Kajdanski ein vielfältiges Angebot in vier Sparten bereithielt – von Opern-Entdeckungen wie „Chowanschtschina“ über Tanz-Produktionen wie „Nachtasyl“ und „Nibelungen-Saga“ bis hin zu Schauspiel-Produktionen wie „Der Fliegende Mensch – Eine Junkers-Saga“, mit der das Leben und Schaffen des Dessauer Luftfahrt-Pioniers Hugo Junkers kritisch hinterfragt wurde.

Auch Stadt-Interventionen widmeten sich Ereignissen der Lokal-Geschichte. So wurde zum Beispiel mit „Schwarzweiß“ der ungeklärte Todesfall von Oury Jalloh künstlerisch verhandelt.

Immer wieder trat Bücker auch selbst als Regisseur in Erscheinung: Opern-Raritäten wie „Der Protagonist/Bajazzo“, „La Muette die Portici“ oder „Norma“, Schauspiel-Produktionen wie die Film-Adaption „Doktor Mabuse“, „Nora“ und „Iphigenie auf Tauris“ sowie ungewöhnliche spartenübergreifende Projekte wie das Open-Air-Spektakel „Landscape“ im Schlosspark Luisium prägten das Repertoire der vergangenen Jahre nachhaltig.

Zugleich erwarb sich André Bücker auch als Kritiker der finanziellen Kürzungen bei den Theatern in Sachsen-Anhalt einen deutschlandweit anerkannten Ruf: Bereits in seinem ersten Amtsjahr kritisierte er mit dem „Protestakt vor dem Festakt“ zur Eröffnung des Kurt Weill Festes die geplanten (und von der Stadt daraufhin nicht umgesetzten) Einsparungen am Anhaltischen Theater, ab 2013 kämpfte er gemeinsam mit den Kollegen aus Eisleben und Halle gegen die Streichung von insgesamt sieben Millionen Euro im Theater-Etat des Bundeslandes und rief zu verschiedenen Protesten auf. Mit „Pflöcke einschlagen“ vertäuten über 2000 Stadtbürger das Theaterhaus, bei „Die Posaunen von Jericho“ wurde der Magdeburger Landtag sieben Tage lang lautstark umrundet – Aktionen, die politische Aussagen mit künstlerischen Mitteln verbanden.

Von diesem Widerstand wurden auch die überregional viel beachteten Inszenierungen von „The Beggars Opera/Polly“ und „Götz von Berlichingen“ geprägt – zwei Stücke, in denen Bücker durch die Zusammenarbeit des Schauspiels mit dem Ballett bzw. mit dem Opernchor zugleich mögliche Perspektiven für die Zukunft des Dessauer Theaters eröffnete, das durch die Finanzkürzungen seine Ensembles verkleinern musste.

Zu Bückers Verdiensten zählt eindeutig der Erhalt des Anhaltischen Theaters als 4-Sparten-Haus. Entgegen dem Vorschlag der Landesregierung, Schauspiel und Ballett wegzusparen, bewegte er die Belegschaft des Anhaltischen Theaters zu einem in Deutschland noch nie dagewesenen solidarischen Akt: Durch Teilzeitverträge jedes einzelnen Mitarbeiters konnte der Erhalt aller Sparten gesichert werden.

Ein besonderer Höhepunkt seiner Regiearbeit war „Der Ring des Nibelungen“, den Bücker ab 2012 in Anlehnung an die Ästhetik der Klassischen Bauhaus-Moderne inszenierte und zum Internationalen Richard-Wagner-Kongress im Mai 2015 erstmals seit mehr als 50 Jahren wieder in Dessau komplett zur Aufführung brachte.

Parallel zu diesen großen Projekten förderte der Generalintendant auch die Entwicklung von jungen Künstlern, die in der kleinen Spielstätte Altes Theater Formate wie den „Wunschfilm“ oder „Tatort Dessau“ zum Erfolg führen durften.

In der letzten Saison der Ära Bücker konnte das Anhaltische Theater dank all dieser Bemühungen eine Besucherzahl von mehr als 165 000 verbuchen – und damit die vom Land geforderte Soll-Grenze um 15 000 überbieten. Obwohl das Rahmenprogramm auch durch die Kürzung der Fördermittel reduziert werden musste, stiegen die Erträge aus Vorstellungen und Gastspielen in der Spielzeit 14/15 gegenüber dem Kalenderjahr 2014 erneut um rund 300.000 auf 2,3 Millionen Euro. Damit liegt die Eigeneinnahme um 800.000 Euro höher als bei André Bückers Amtsantritt 2009.

Bückers Nachfolger Johannes Weigand würdigte in der Pressekonferenz zur Spielzeit 2015/16 den guten Zustand des Hauses, das trotz der Kürzungen durch das Land Sachsen-Anhalt in allen Sparten handlungs- und zukunftsfähig sei.

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