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"b.27" in der Deutschen Oper am Rhein

"Duo Concertant" von George Balanchine, "Variationen und Partiten" (Uraufführung) von Martin Schläpfer, "Der Grüne Tisch" von Kurt Jooss)

 

Ein Tänzerpaar steht hinter einem Flügel und lauscht andächtig dem ersten Satz des Konzerts für Violine und Klavier von Igor Strawinsky. In seinem "Duo Concertant" stimmt George Balanchine nicht nur seine Tänzer, sondern auch die Zuschauer auf die Musik ein. Es ist die Musik, die die Grundlage des Tanzes ist und Balanchine würdigt sie in seinem Stück, das mit einfachen Bewegungen eine Probensituation nachspielt und das Können der Tänzerin und des Tänzers zeigt, in seiner Schlichtheit ein kleines Juwel, das durch den ungewöhnlichen Beginn noch lange nachklingt.

 

In der Uraufführung von Martin Schläpfers Stück "Variationen und Partiten" trifft Bach auf Beethoven. Bachs Partita Nr. 6 e-Moll BWV 830 für Klavier solo und 12 Variationen C-Dur WoO 68, die Beethoven über das Menuett „à la Vigano“ aus dem Ballett „Le nozze disturbate“ von Jakob Haibel schrieb, werden von Denys Proshayev gespielt. Seine beeindruckende Interpretation floss auch in Schläpfers Choreographie ein, denn dadurch fühlte er sich inspiriert, selbst freier zu agieren. Zu Bachs Partita hatte er bereits 2003 eine Choreographie erstellt, von der jetzt allerdings nur einzelne Passagen Eingang in seine neue Arbeit gefunden haben. Strenge und Herbheit paart sich nun mit Leichtigkeit und Unbeschwertheit, dem Fluss der Musik vertrauend. Schläpfers Markenzeichen, den Spitzenschuh in den Boden zu hämmern und ihn so zur Waffe zu stilisieren, findet hier nur vereinzelt Anwendung.

 

Wie Balanchines "Duo Concertant" gehört "Der grüne Tisch" von Kurt Jooss zu den Klassikern des Balletts. Es wurde 1932 für einen internationalen Choreographiewettbewerb in Paris geschrieben und erhielt den ersten Preis. Seit dem Mittelalter war der Totentanz ein beliebtes Sujet, ermahnte er doch daran, dass der Tod alle gleich und vor keinem Halt macht, egal welchen Standes er auch sei. Angesichts der Vergänglichkeit des Lebens wurde das religiöse Anliegen, ein gottgefälliges Leben zu führen, formuliert. Kurt Jooss ließ sich für "Der grüne Tisch" vom Totentanz in der Lübecker Marienkirche, Alfred Kubins Zeichnung "Der Krieg" - aber auch Kurt Tucholskys Mahnungen in der "Weltbühne" inspirieren. In expressionistisch freier Formsprache erzählt er eine moderne politische Variante: zehn schwarz gekleidete, maskierte Herren liefern sich am grünen Tisch heftige Diskussionen bis sich ein Schuss löst und Krieg ausbricht. Der Tod kann seinen Reigen zwischen Dirnen, Soldaten, Schiebern und Kriegsgewinnlern tanzen bis sich am Schluss die Herren wieder am grünen Tisch einfinden und das Spiel von neuem beginnt. Die unbekannten Strippenzieher konnten sich ihrer Verantwortung entziehen. Kurt Jooss "Der grüne Tisch" ist ein beeindruckender Aufruf zum Pazifismus und zur Menschlichkeit, der wie so viele damals unerhört blieb. Kurt Jooss verließ Deutschland 1933, der Lübecker Totentanz wurde 1942 bei einem Luftangriff vollständig zerstört.

 

Der abwechslungsreiche 27. Ballettabend von Martin Schläpfer fand viel Anklang und beeindruckte nicht nur durch - wie immer - faszinierende tänzerische Leistung, sondern dieses Mal auch durch die besondere Musikbegleitung.

 

Duo Concertant George Balanchine

MUSIK: „Duo Concertant“ für Violine und Klavier von Igor Strawinsky

Choreographie: George Balanchine

Licht: Volker Weinhart

Choreographische Einstudierung: Ben Huys

Violine: Dragos Manza

Klavier: Alina Bercu

Tänzerin: Ann-Kathrin Adam / Sonia Dvorak

Tänzer: Marcos Menha / Brice Asnar

 

Variationen und Partiten (Uraufführung) Martin Schläpfer

MUSIK: 12 Variationen über das Menuett „à la Vigano“ aus Jakob Haibels Ballett „Le nozze disturbate“ C-Dur WoO 68 von Ludwig van Beethoven sowie Partita Nr. 6 e-Moll BWV 830 für Klavier solo von Johann Sebastian Bach

Choreographie: Martin Schläpfer

Bühne: Thomas Ziegler

Kostüme: Nelly van de Velden

Licht: Volker Weinhart

Klavier: Denys Proshayev

Tänzerinnen: Doris Becker, Sonia Dvorak, Christine Jaroszewski, Yuko Kato, So-Yeon Kim, Anne Marchand, Asuka Morgenstern, Marlúcia do Amaral, Doris Becker, Wun Sze Chan, Feline van Dijken, Sonia Dvorak, Nathalie Guth, Alexandra Inculet, Yuko Kato, So-Yeon Kim, Norma Magalhães, Asuka Morgenstern, Louisa Rachedi, Virginia Segarra Vidal, Elisabeta Stanculescu, Julie Thirault, Irene Vaqueiro

Tänzer: Brice Asnar, Odsuren Dagva, Vincent Hoffman, Richard Jones, Tomoaki Nakanome, Boris Randzio, Rashaen Arts, Brice Asnar, Odsuren Dagva, Filipe Frederico, Philip Handschin, Vincent Hoffman, Richard Jones, Marcos Menha, Tomoaki Nakanome, Alban Pinet, Alexandre Simões, Eric White

Die Andere: Barbara Stute

 

Der Grüne Tisch Kurt Jooss

Ein Totentanz in acht Bildern

MUSIK F. A. Cohen

Buch und Choreographie: Kurt Jooss

Kostüme: Hein Heckroth

Lichtentwurf und Masken: Hermann Markard

Licht: Jan Hofstra

Einstudierung und künstlerische Produktionsleitung: Jeanette Vondersaar

Choreographische Einstudierung: Claudio Schellino

Klavier: Wolfgang Wiechert, Christian Grifa

Der Tod: Chidozie Nzerem

Der Fahnenträger: Friedrich Pohl

Der junge Soldat: Brice Asnar

Das junge Mädchen: Marlúcia do Amaral

Die Frau: Camille Andriot

Der alte Soldat: Andriy Boyetskyy

Die alte Mutter: Yuko Kato

Der Schieber: Sonny Locsin

Soldaten: Alban Pinet, Michael Foster, Bruno Narnhammer

Frauen: Wun Sze Chan, Feline van Dijken, Nathalie Guth, Anne Marchand, Virginia Segarra Vidal

Die schwarzen Herren: Camille Andriot, Feline van Dijken, Yuko Kato, Brice Asnar, Andriy Boyetskyy, Michael Foster, Sonny Locsin, Bruno Narnhammer, Alban Pinet, Friedrich Pohl

 

Premiere 18.03.2016 - Opernhaus Düsseldorf

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