Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
„Bakchen - die verlorene Generation“ nach Euripides - Theater Dortmund„Bakchen - die verlorene Generation“ nach Euripides - Theater Dortmund„Bakchen - die verlorene...

„Bakchen - die verlorene Generation“ nach Euripides - Theater Dortmund

Premiere am Samstag, 17. September 2022, 19:30 Uhr im Schauspielhaus

Was passiert, wenn ein über 2000 Jahre alter, weltbekannter Text über den Gott des Rausches auf aktuelle, sehr persönliche Worte junger Menschen aus dem Jahr 2022 trifft? Dramaturgin Sabine Reich kombiniert in ihrer Textfassung für Bakchen – die verlorene Generation, die in der Inszenierung von Intendantin Julia Wissert Premiere feiert, Euripides‘ antiken Stoff mit originalen Tagebuch-Texten von Jugendlichen, die auf der Plattform wattpad.com veröffentlicht wurden, und ermöglicht so eine aktuelle Lesart des antiken Stoffes.

 

Copyright: Adriano Vannini (Foto) - Zijah Jusufovic (Grafik)

Nachdem er lange fort war, kehrt Dionysos nun in Menschengestalt in seine Heimatstadt zurück und kämpft um Anerkennung und Respekt. Er gilt als Fremder in der Stadt, doch eigentlich kommt er nach Hause, zurück zu seiner Familie. Dionysos ist das göttliche Kind, Spielender, Tanzender, eine Figur, die anders sieht und aus anderen Perspektiven auf die Welt schaut. Das macht ihn verführerisch und gefährlich. So sieht sich König Pentheus von ihm herausgefordert und lässt ihn verhaften, doch Dionysos befreit sich, und als er die Stadt triumphierend verlässt, folgen ihm die jungen Leute.

Im Original der griechischen Tragödie sind es die Frauen der Stadt, die mit Dionysos in den Wäldern feiern, doch in der Dortmunder Fassung und in der Inszenierung von Julia Wissert machen sich die Jugendlichen auf den Weg. Sie befreien sich von den Zwängen und Erwartungen ihrer Eltern. Das Tagebuch einer jungen Person, das auf der Plattform wattpad.com veröffentlicht wurde und viele Kommentare von Jugendlichen, die ähnliches erleben und fühlen, ergänzen den antiken Stoff. In dem Tagebuch wird explizit über Depression und Suizid gesprochen.

Die Jugendlichen sagen, sie halten das Leben und diese Gesellschaft nicht mehr aus. Empfindsam und sensibel erleben sie schmerzhaft die Brüche, Widersprüche und Leerstellen unserer Gesellschaft. Zwischen Leistungsdenken, Pandemie, Selbstoptimierung und „Germany’s Next Topmodel“ gehen sie unter in ihren Kinderzimmern, und die meisten Eltern verdrängen den stillen Aufstand der Kinder. Doch Dionysos führt sie hinaus, vor die Tore der Stadt, und bei ihm finden sie die Freiheit, sich selber zu finden. Nicht mehr zu gehorchen, nicht mehr zu funktionieren, nichts mehr leisten zu müssen. Sondern leben, schlafen, atmen. Das ist das Versprechen des Dionysos. Das ist die Sehnsucht.

Regisseurin Julia Wissert setzt die Textkombination von Alt und Neu mit Musik und Tanz szenisch um, schafft mit Körperlichkeit, Bewegung und Bildern eine rauschhafte Welt. So stehen neben Alexander Darkow, Antje Prust, Adi Hrustemović und Valentina Schüler aus dem Schauspielensemble auch Studierende des Studiengangs „Physical Theater“ der Folkwang Universität der Künste auf der Bühne, choreografiert von Keelan Whitmore. Musik gibt es live von Yotam Schlezinger. Die Bühne hat Nicole Wytyczak entworfen, für die Kostüme zeichnet Mascha Mihoa-Bischoff verantwortlich und Video machen Daniela Sülwold und Tobias Hoeft.

Karten (12 bis 33 €) für die Premiere am 17. September (19:30 Uhr) sowie für die weiteren Termine am 25. September, 01., 20. und 23. Oktober (9 bis 23 €) gibt es an der Theaterkasse im Kundencenter (Platz der Alten Synagoge), unter 0231/50 27 222 und im Webshop.

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 16 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

EIN BEWEGENDER FEUERREITER -- Liedmatinee - Verleihung der Hugo-Wolf-Medaille in der Staatsoper Stuttgart

Die New York Times bezeichnete das Liedduo Christian Gerhaher (Bariton) und Gerold Huber (Klavier) als "größte Liedpartnerschaft der Welt". Dies betonte Kammersängerin Christiane Iven in ihrer…

Von: ALEXANDER WALTHER

NEUE SPHÄREN IM LICHTKEGEL -- Sao Paulo Companhina de Danca im Forum am Schlosspark Ludwigsburg

Mit der Deutschen Erstaufführung von "The Eight" gedenkt der Choreograph Stephen Shropshire des 200. Geburtstags von Anton Bruckner. In den Kostümen von Fabio Namatame erklingt das Finale von…

Von: ALEXANDER WALTHER

REIZVOLLES SPIEL MIT KLASSISCHEN FORMEN -- Konzertabend beim deutsch-türkischen Forum mit Gülsin Onay und Erkin Onay im Hospitalhof STUTTGART

Sie ist Staatskünstlerin der Türkei und eine renommierte Pianistin: Gülsin Onay. Sie trat auch mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks auf. Zusammen mit ihrem Sohn Erkin Onay (Violine)…

Von: ALEXANDER WALTHER

EXPLOSIVE KLANGMISCHUNG -- "Eine florentinische Tragödie" von Alexander Zemlinsky bei NAXOS (BR KLassik)

Nicht sonderlich erfolgreich geriet die Stuttgarter Uraufführung der einaktigen Oper "Eine florentinische Tragödie" von Alexander Zemlinsky im Jahre 1917 unter der Leitung von Max von Schillings. In…

Von: ALEXANDER WALTHER

Die ganze Wahrheit? -- „True Crime“ - Andrey Kaydanovskiy | Hege Haagenrud | Demis Volpi in der Deutschen Oper am Rhein

Drei tänzerische Perspektiven zu Wahrheit und Fiktion: Andrey Kaydanovskiy „Chalk“, Hege Haagenrud „The Bystanders“, Demis Volpi „Non-Fiction Études“  

Von: Dagmar Kurtz

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑