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CARMINA BURANA - Tanzstück von Mei Hong Lin / Musik von Carl Orff im Landestheater Linz

Premiere Samstag, 1. März 2014 um 19.30 Uhr, Großer Saal, Musiktheater am Volksgarten. -----

O Fortuna – So wird in den Anfangstakten von Carl Orffs Carmina Burana die römische Schicksalsgöttin angebetet. Ihr Rad dreht sich unaufhaltsam: Die vom Glück Bedachten sowie die vom Schicksal Gepeinigten sind alle Teil eines Kreislaufs, dessen einzige Konstante Veränderung ist.

Mei Hong Lins Tanzstück überträgt den Schicksalsbegriff in unsere heutige Gesellschaft. Doch was bedeutet ein vom Schicksal bestimmtes Leben für den modernen Menschen? Im World Wide Web hat ein jeder die Möglichkeit selber Schicksalsgöttin zu sein und ein Bild von sich zu kreieren, welches ihn im Gegensatz zum realen Leben zum vermeintlichen Alleskönner seines eigenen Universums macht. Dabei produziert neue Technik nicht nur neue Wirklichkeiten, sondern re-interpretiert das bereits Vorhandene. Der Vergleich mit dem Leben anderer Menschen, die Wahrnehmung von Glück und Leid erfährt ihre Auseinandersetzung auf der Ebene der Bilder, die in Funk und Fernsehen sowie auf sozialen Plattformen wie Facebook, Twitter und Co. inszeniert werden. Welche Auswirkungen die Unterwerfung unter diese „Apparatewelt“ und deren konstruierte Realität auf die Toleranz des eigenen - eines von Höhen und Tiefen geprägten - Lebens hat, überlässt Mei Hong Lin der unmittelbaren Bilderwelt des Tanzes. Fortuna steht dabei mächtig und allgegenwärtig über dem Geschehen und entfacht erneut die Frage nach der Unausweichlichkeit eines Schicksals, dem niemand entkommen kann.

 

Die thematischen Schwerpunkte der um ca. 1230 entstandenen Liedersammlung Carmina Burana lassen sich grob in moralisch-satirische Gedichte, Liebesgedichte – die im Gegensatz zur Minnedichtung recht derb waren – und Trink- und Spielgedichte einteilen. Man nimmt an, dass die Autoren vorrangig fahrende Gesellen oder junge Studenten waren, die sich in ihrer jugendlich unbekümmerten Freude noch stark von äußeren Einflüssen abhängig gemacht haben. So geht es inhaltlich um die Güter dieser Welt, um Glück im Spiel, um Frauengunst, um spendable Gönner.

 

Eine große Diesseits-Freude, die junge Menschen mitreißen, aber in ihrer negativen Verkehrung auch zerrütten kann. Ein anderer Kerngedanke ist die mittelalterliche Vorstellung, dass die Welt an sich brüchig ist. Damit sind auch die Freuden der Welt brüchig. Die Abbildung des Rades der Fortuna macht das deutlich. Nichts ist beständig. Die einzige Konstante ist die Veränderung. Jeder, dem das Glück gesonnen ist, kann vom Schicksal die Umkehrung erfahren und von Leid gepeinigt sein. Zusätzlich kommt die christliche Komponente des Jüngsten Gerichts hinzu. Den Christen wird bereits zu Lebzeiten vorgeschrieben, wie sie sich zu verhalten haben, um nicht in die Hölle verdammt zu werden. Diese Aussage trifft vor allem auf den Kreis der moralischsatirischen Lieder des Codex Buranus zu, deren Autorengruppe wahrscheinlich aus dem akademisch-klerikalen Milieu stammte.

 

1934 bekam Carl Orff eine von Johann Andreas Schmeller 1847 herausgegebene Druckfassung dieser Lieder aus Benediktbeuren (bei Bad Tölz in Bayern) in die Hände und traf mit Hilfe des Archivars Michael Hoffman eine Auswahl von 22 aus über 250 Liedern, die er bis 1937 vertonte. „Und so flattern Ihre Carmina Burana unter ihrem alten Namen, aber ohne genau „Titel- und Standesangabe“ in die Welt und wollen weiter nichts sein, als ein blühender Reigen lebensfroher Bilder, Stimmungen und Grundgefühle: Schicksalstrotz, Frühlings- und Tanzlust, Freude am Spielen, Essen und Trinken, Liebesglück und Lebensmut. Damit ist zugleich gesagt, was Ihnen selber die in den Carmina Burana beschworene Göttin Fortuna in Fülle gewähren soll.“ Brief von Michael Hoffmann an Carl Orff, 1937

 

MEI HONG LIN (CHOREOGRAFIE)

Mei Hong Lin wurde in Taiwan geboren und erhielt eine Ausbildung in klassischem chinesischem Tanz in ihrer Heimat. Anschließend studierte sie an der Accademia Nazionale di Danza in Rom sowie an der Folkwanghochschule in Essen bei Pina Bausch. Diese unterschiedlichen stilistischen Wurzeln finden Niederschlag in ihrer choreografischen Arbeit. Lin arbeitete als Tänzerin und Choreografin zunächst in Taiwan. Ihre Choreografien wurden unter anderem in Taipeh, Hongkong und in den USA gezeigt. 1991/1992 leitete sie das Ballett am Theater in Plauen, von 1997 bis 2002 war sie Ballettleiterin am Theater Dortmund. Daneben entstanden Tanzabende sowie zahlreiche Choreografien für Oper, Operette, Musical und Schauspiel für die Theater in Augsburg, Bielefeld, Innsbruck, Kaiserslautern, Linz, die Oper Leipzig, das Schauspiel Leipzig, die Staatsoperette Dresden, die Oper Toulon und die Oper Göteborg. Lins Choreografie für Isaac Albéniz Oper Merlin am Teatro Real Madrid (Regie John Dew) wurde von der BBC aufgezeichnet.

 

Zu ihren Tanzabenden zählen die Choreografien Romeo und Julia, Cinderella (beide mit der Musik von Sergej Prokofjew) und Der Weg ist das Ziel mit dem Dortmunder Ballett. Im Musiktheater schuf sie unter anderem die Choreografien zur Uraufführung von Philip Glass’ La Belle et la Bête und Glucks Orfeo ed Euridice. Im Januar 2003 debütierte sie mit großem Erfolg auch als Regisseurin mit der Deutschen Erstaufführung von Andrew Lloyd Webbers Musical The Beautiful Game an der Staatsoperette Dresden. Es folgten Inszenierungen von Opern, Operetten und Musicals für das Volkstheater Rostock, die Oper Leipzig, das Staatstheater Schwerin und eine spektakuläre Aufführung von Jesus Christ Superstar beim Erfurter Domstufen-Festspiele.

 

Ab Spielzeit 2004/2005 war sie Direktorin des Tanztheaters am Staatstheater Darmstadt. Mit ihren Stücken Das Haus der Bernarda Alba, The Juliet Letters – Briefe an Julia, Last Minute sowie ihre tänzerische Interpretation von Shakespeares Macbeth erhielt sie überregionale Aufmerksamkeit. Die Erfolgsoper Ainadamar von Osvaldo Golijov, die mit einem Grammy Award ausgezeichnet wurde, gelangte 2007 in Darmstadt in Mei Hong Lins spartenübergreifender Inszenierung zur europäischen Erstaufführung. Im Musiktheater folgten die Inszenierungen von Jesus Christ Superstar und Carmen. Unter ihrer Leitung gastierte das Tanztheater Darmstadt in mehreren Theatern Deutschlands, in Frankreich, Taiwan und in Italien. Der Höhepunkt der Spielzeit 2010/2011 war Mei Hong Lins Tanzstück Die Brautschminkerin, in dem sie sich auf sehr persönliche Weise mit der Geschichte ihres Heimatlandes Taiwan auseinandersetzte. Mit dieser Produktion wurde sie 2011 für den deutschen Theaterpreis DER FAUST in der Kategorie Choreografie nominiert.

 

Ebenfalls für den Deutschen Theaterpreis DER FAUST in der Kategorie Choreografie nominiert wurde Mei Hong Lins im November 2011 uraufgeführte Neuinterpretation von Romeo und Julia. Mit der Spielzeit 2013/2014 hat Mei Hong Lin die Ballettdirektion am Landestheater Linz in Oberösterreich übernommen. Die Kompanie stellte sich mit dem Stück Schwanengesang vor, welches im Oktober 2013 im Neuen Musiktheater Premiere feierte. Am Staatstheater Darmstadt trägt sie weiterhin die künstlerische Verantwortung für die Tanzsparte und brachte im Dezember 2013 das Tanzstück Camille auf die Bühne. Carmina Burana ist nun die zweite Produktion unter der Leitung von Mei Hong Lin am Landestheater Linz.

 

Leitungsteam

MUSIKALISCHE LEITUNG Ingo Ingensand/Marc Reibel/Borys Sitarski

CHOREOGRAFIE, INSZENIERUNG Mei Hong Lin

BÜHNE Dirk Hofacker

KOSTÜME Bjanka Adžić Ursulov

CHORLEITUNG Georg Leopold

CHORLEITUNG KINDERCHOR Ursula Wincor

DRAMATURGIE Ira Goldbecher

 

Besetzung

SCHICKSAL Julio Andrés Escudero

IN VERSCHIEDENEN ROLLEN Rie Akiyama

Lara Almonem

Ilja van den Bosch

Mireia González Fernández

Sabra Johnson

Rutsuki Kanazawa

Andressa Miyazato

Stefanie Pechtl

Anna Štĕrbová

Sakher Almonem

Ohad Caspi

Damián Cortes Alberti

Wout Geers

Sven Gettkant

Alexander Novikov

Geoffroy Poplawski

Pavel Povrazník

Jonatan Salgado Romero

Gesangssolisten

SOPRAN Mari Moriya / Myung Joo Lee

TENOR Matthäus Schmidlechner / Sven Hjörleiffson

BARITON Seho Chang / Martin Achrainer

Bruckner Orchester Linz

Chor und Extrachor des Landestheaters Linz

Kinderchor des Landestheaters Linz

Statisterie des Landestheaters Linz

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