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dreimal Debussy im Festspielhaus Bregenz

Sehnsüchte, Fantasien, Begierden:

Prélude à l ’après-midi d’un faune, Jeux, Der Untergang des Hauses Usher

Premiere: 7. August 2006 - 19.30 Uhr.

Die Oper im Festspielhaus besteht im Sommer 2006 aus drei Werken des französischen Komponisten Claude Debussy: Den Anfang machen die beiden Ballette Prélude à l ’après-midi d’un faune und Jeux, gefolgt vom Operneinakter Der Untergang des Hauses Usher nach Edgar Allan Poes gleichnamiger Kurzgeschichte.

Erstmals kommen dabei nicht nur Opern- sondern auch Ballettliebhaber ganz auf ihre Kosten: Gesang und Tanz werden in den drei Werken, die ohne Pause aneinander anschließen, untrennbar miteinander verwoben. Auch im Opernfragment Der Untergang des Hauses Usher ist jede Rolle mit jeweils einem Sänger und einem Tänzer besetzt. Roderick Ushers Ringen mit sich und seiner Umgebung wird aber schon in den beiden Balletten erkennbar, deren Geschichten sich ebenfalls um Sehnsüchte und Fantasien drehen.

Die Gestaltung dieser Inszenierung, die Choreographie und Musiktheater, Tanz und Gesang miteinander verbindet, liegt beim dänischen Choreograph Kim Brandstrup und bei der englischen Regisseurin Phyllida Lloyd. Die Ausstattung übernimmt Richard Hudson, der in Bregenz 2001 Bühne und Kostüme der Oper im Festspielhaus Von Mäusen und Menschen entworfen hat, die musikalische Leitung liegt bei Lawrence Foster. Es gastieren die So¬lis¬¬ten des Londoner Royal Ballet, das als eine der besten Tanzkompanien der Welt gilt. Premiere hat die Oper im Festspielhaus aufgrund der um¬fassenden Sanierung des Festspielhauses allerdings erst am 7. August 2006.

Im Mittelpunkt von Debussys neu vollendetem Werk Der Untergang des Hauses Usher steht Roderick Usher, der letzte Spross einer großen Familie. Er hat sich vom Leben abgewendet, obwohl er jung, intelligent und ohne materielle Sorgen ist. Nach dem Tod seiner Eltern nistet er sich in seinem Geburtshaus ein, erfüllt von Erinnerungen an das Leid und die Zerstörung seiner Familie. An der Schwelle zum Wahnsinn ruft Roderick verzweifelt einen alten Jugendfreund zu Hilfe.

Die Novelle Der Untergang des Hauses Usher erschien 1839 und zählt zu den bekanntesten Werken des amerikanischen Schriftstellers Edgar Allan Poe (1809-1849). Nur wenige wissen, dass sich Claude Debussy in seinen letzten Lebensjahren mit dem Stoff von Der Untergang des Hauses Usher befasst hat. Das einstündige Opernfragment stammt aus den von Krankheit überschatteten letzten Lebensjahren Debussys und ist thematisch eng mit dessen eigenen Erfahrungen verbunden. Immer wieder durch die Krankheit unterbrochen, komponierte er, solange es ihm möglich war. 1911 gab er die Arbeit an der Oper auf.

„Debussys Entwürfe für Der Untergang des Hauses Usher sind schon lange bekannt, nun aber hat der englische Musikwissenschaftler und Debussy-Experte Robert Orledge Material gefunden, das es erlaubt, Debussys letztes Werk vollständig aufzuführen. Die Verbindung der schaurigen und unheimlichen Fantasien von Poes meisterhafter Erzählung mit Debussys Klangwelt voller Rätselhaftigkeit und Romantik ist eine ideale Kombination“, begründet Intendant David Pountney seine Werkauswahl.

Der britische Musikologe Robert Orledge, Professor im Department of Music an der Universität Liverpool, gilt als Spezialist für unvollendete Werke. Sein besonderes Interesse gilt den französischen Komponisten der Jahre 1860 bis 1950: Claude Debussy, Eric Satie, Gabriel Fauré, Charles Koechlin und Germaine Tailleferre. Orledges Forschungen beziehen sich vor allem auf die Arbeitsmethoden der einzelnen Komponisten. Seine „musikologische Detektivarbeit” folgt der Spur von Kompositionen bis hin zu ihrem Ursprung in einzelnen Entwürfen und verschiedensten Versionen, um sie historisch in Perspektive zu setzen und so besser bewerten zu können. Die Vollendung von Der Untergang des Hauses Usher ist nicht seine erste Arbeit dieser Art: So vollendete er die Orchesterpartitur von Eric Saties zusätzlicher Musik für Charles Gounods Oper Le médecin malgré lui.

Debussys Musik gilt als Bindeglied zwischen Romantik und Moderne. Zunächst von Wagners Musik begeistert, wandte sich der 1862 geborene Debussy unter dem Einfluss russischer und fernöstlicher Musik nach und nach von der Romantik ab. Im 1892 nach einem Gedicht von Mallarmé komponierten Prélude à l’après-midi d’un faune schildert Debussy einen Faun, der bei nachmittäglicher Hitze voller Begierde Nymphen und Najaden beobachtet, bis er schließlich erneut in tiefen Schlaf versinkt. Prélude à l’après-midi d’un faune soll keine inhaltliche Vertonung des Gedichts sein; die Musik ist vielmehr eine atmosphärische Traumvision, die die Stimmung eines heißen Nachmittags beschreibt. Debussy entwickelte hier einen Stil, der eine Art Pendant zum Impressionismus in der Malerei bildete, und wurde damit zum Wegbereiter der modernen Musik.

Das am 19. Mai 1913 im Théâtre des Champs-Elysées in Paris uraufgeführte Ballett Jeux stammt, wie auch Der Untergang des Hauses Usher, aus dem letzten Jahrzehnt von Debussys Leben, wobei das als Ballettmusik für die Ballets Russes komponierte Jeux als eine der anspruchsvollsten und musikalisch komplexesten Partituren aus Debussys Feder gilt. Die Handlung des Balletts dreht sich um einen jungen Mann und zwei schüchterne Mädchen, die sich zufällig auf dem Tennisplatz begegnen. Der junge Mann flirtet mit den beiden, kann sich aber nicht für eine entscheiden, worauf beide in verschiedene Richtungen verschwinden.

Weitere Aufführungen:

8. August – 19.30 Uhr

13. August – 11.00 Uhr

Eine Produktion von Phyllida Lloyd und Kim Brandstrup

Musikalische Leitung: Lawrence Foster

Inszenierung: Phyllida Lloyd

Choreographie: Kim Brandstrup

Ausstattung: Richard Hudson

Roderick Usher: Scott Hendricks (Gesang), Steven McRae (Tanz)

L’ami de Roderick: Nicholas Cavallier (Gesang), Gary Avis (Tanz)

Le Médecin: John Graham-Hall (Gesang), Johannes Stepanek (Tanz)

Madeleine: Katia Pellegrino (Gesang), Leanne Benjamin (Tanz)

Preise: Euro 100/85/70/55/40

CHF 162/138/113/89/65

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