Hamlets Welt gerät vollends aus den Fugen, als der ruhelose Geist des Vaters ihm offenbart, dass Claudius ihn „um Leben, Krone, Weib mit eins gebracht“ hat und Rache für den an ihm verübten Mord fordert. Der Dänenprinz fühlt sich dieser Aufgabe nicht gewachsen. Um Zeit zu gewinnen und sich zu orientieren, spielt er den Wahnsinnigen. Das beunruhigt den Hof. Ehemalige Freunde, aber auch Hamlets geliebte Ophelia versuchen, hinter sein Geheimnis zu kommen. Doch Hamlet spielt perfekt auf der Klaviatur der Verstellung und weist alle zurück.
Mittels eines Schauspiels überführt Hamlet Claudius des Brudermordes. Als Hamlet kurz darauf den hinter einem Vorhang lauschenden Vater Ophelias, Polonius, tötet, wird eine Kette mörderischer Ereignisse ausgelöst. Der aufs höchste alarmierte König Claudius befiehlt Hamlet nach England, um ihn dort – veranlasst durch geheime Botschaft – hinrichten zu lassen. Hamlet durchschaut das Manöver und tötet die Boten. Inzwischen hat sich Ophelia – am Hof vereinsamt und wahnsinnig geworden – das Leben genommen. Gerade zu ihrer Beerdigung kehrt Hamlet nach Dänemark zurück und gerät in Streit mit Ophelias Bruder Laertes. König Claudius ersinnt eine letzte Intrige, bevor Hamlet im finalen Duell eine Welt in den Abgrund reißt.
William Shakespeares (1564-1616) um 1600 uraufgeführtes Meisterwerk stellt einen sensiblen wie intelligenten Helden ins Zentrum, der sich als Individuum in einer fragwürdig gewordenen Welt orientieren muss. Nicht nur, dass Hamlet immer unklarer wird, wem er in seiner Umgebung trauen kann, er muss zuvörderst festlegen, welche Werte für ihn handlungsleitend sind. Eine Aufgabe, an der er letztlich zerbricht.
Der polnische Regisseur Bogdan Koca montiert die Original-Szenenfolge an einigen Stellen neu. Dadurch werden die betreffenden Szenen geraffter und nahezu simultan gespielt. Die berühmte Rede Hamlets an die Schauspieler stellt er an den Anfang der Inszenierung, gesprochen von Horatio. Koca führt so eine Rahmenhandlung ein, die Reflexionen von Schauspielern über das Selbstverständnis von Theater beinhaltet. Nicht zuletzt sind Theaterspiel und soziale Maskierung zentrale Themen des Stückes. Neben der Übertragung von Elisabeth Plessen integriert Koca Fragmente der Schlegel-Übersetzung, um verschiedene Zeitebenen voneinander abzuheben. Dies kann als indirekter Verweis auf die lange Rezeptionsgeschichte des Stückes verstanden werden. „Hamlet“ kann nicht mehr naiv gespielt werden, sondern nur eingedenk des Wissens, welches über das Stück/die Figur existiert. Kocas Inszenierung nähert sich auch deshalb als Versuchsanordnung dem Stück.
Natürlich sind die großartigen Reflexionen Hamlets über den Sinn menschlichen Handelns im Angesicht des Todes enthalten, ebenso werden sein ambivalentes Verhältnis gegenüber Frauen erzählt, seine Melancholie, seine ungemein scharfsinnige Reflexionskraft sowie seine Überspanntheit/Überforderung zu erleben sein. Mehr als dass Koca die eine von außen herangetragene Interpretation anstrebt – in etwa Hamlet als den politunfähigen Schöngeist – lotet er Shakespeares großartiges Stück facettenreich und auf neue Weise aus sich selbst heraus aus.
Bogdan Koca – Regie, Bühne und Musik
Der polnische Regisseur, Schauspieler, Dramatiker, Komponist, Bühnen- und Kostümbildner und Dozent Bogdan Koca ist ein Global Player. Er studierte bis 1975 Schauspiel an der Warschauer Theaterakademie, war anschließend am Polnischen Theater in Wrocław engagiert und wurde für seine Darstellungen mit zahlreichen Preisen geehrt. Aus dem sozialistischen Polen emigrierte er Ende der 1970er-Jahre nach Australien.
In Sydney etablierte er 1982 die Thalia Theatre Company und 1998 das Sydney Art Theatre, wo er eigene Stücke ebenso inszenierte wie europäische Dramatik von Shakespeare bis Gombrowicz. Von 1994-1997 war er Leiter des Departments Schauspiel der University of Western Sydney. Für seine schauspielerische Leistung in „Ghosts … of the Civil Dead“ (1988) wurde er für die Australian Film Industry Awards als bester Nebendarsteller nominiert. Nach Polen zurückgekehrt, leitete er von 2009-2013 das Cyprian Kamil Norwid Theater in Jelenia Góra. Am Schauspiel Chemnitz inszenierte er in dieser Spielzeit bereits das Stück „Mein Name ist Soundso“, dessen Autor er auch ist.
Aus den Englischen von Elisabeth Plessen
Textfassung von Bogdan Koca
Regie, Bühne und Musik: Bogdan Koca
Kostüme: Elżbieta Terlikowska
mit: Stefan Migge (Hamlet), Susanne Stein (Gertrud), Martin Valdeig (Claudius), Ulrich Lenk (Polonius), Magda Decker (Ophelia), Fabian Jung (Laertes), Christian Ruth (Horatio), Philipp von Schön-Angerer (Clown, Reynaldo, 1. Schauspieler, Osric, Voltemand), Constantin Lücke (Rosenkranz), Marko Bullack (Güldenstern), Christian Neuhof (Diener, Schauspieler), Bianca Kriel (Diener, Schauspieler)
Die nächsten Vorstellungen sind am 6. und 12. März, jeweils 19.30 Uhr.