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Internationales Theaterfestival TERRORisms am Schauspiel Stuttgart

vom 24. bis 28. Juni 2015. ----- Seit Beginn der Spielzeit 2013 / 2014 ist das Schauspiel Stuttgart Mitglied der Union des Théâtres de l´Europe (U.T.E.), einer Vereinigung von über 20 Theatern aus 16 Ländern, darunter Griechenland, Österreich, Russland, Luxemburg, Portugal, Bulgarien, Rumänien, Tschechien und Italien.

 

Das erste Großprojekt mit Stuttgarter Beteiligung entstand in Zusammenschluss mit dem norwegischen Nationaltheater Oslo, dem israelischen Nationaltheater Tel Aviv, dem Nationaltheater Belgrad und der Comédie de Reims. An diesen Häusern wurden über die vergangenen beiden Spielzeiten hinweg insgesamt fünf Uraufführungen erarbeitet, die sich mit dem Themenfeld „Terrorismus“ beschäftigen. Ausgehend vom Phänomen realer oder fiktiver Gewalt suchen die Theaterproduktionen nach den länderspezifischen Bedeutungsebenen des Themas. In Stuttgart kommen die Inszenierungen zu einer europaweit einmaligen Gesamtpräsentation zusammen. Sie werden ergänzt durch Vorträge, Diskussionen und Vorstellungen aus dem Stuttgarter Repertoire. Auch die internationalen Teams – Autoren, Regisseure und Ensembles – sind vom 24. bis 28. Juni in Stuttgart zu Gast: fünf Tage für künstlerischen und gesellschaftlichen Austausch, mit den Gästen und mit dem Publikum.

 

Der Titel TERRORisms / Terrorismen verweist dabei nicht nur auf die Verschiedenartigkeit der Blickwinkel auf das Thema, sondern auch auf die Vieldeutigkeit des Gegenstands insgesamt. Staatsterrorismus und Bürgerkrieg, Attentat und Widerstand, Flucht und Folter sind Facetten eines unscharfen und in sich selbst umkämpften Begriffs.

 

Die Gastspiele werden durch Vorträge und Diskussionen, u.a. mit Boris Groys, Günther Beckstein, Jörg Armbruster und dem Leiter des Württembergischen Kunstvereins Hans D. Christ ergänzt. Darüber gibt es in Autorenlesungen und Gesprächen Bücher und Filme zum Thema: Das Guantanamo-Tagebuch, den CIA-Folterreport, den Roman Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969 und Joshua Oppenheimers bahnbrechenden Dokumentarfilm The Act of Killing.

 

Im Nord werden teilweise zum letzten Mal thematisch passende Vorstellungen aus dem Repertoire gezeigt, und die Gesprächsreihe Theater×Wirklichkeit – eine Kooperation mit der Robert Bosch Stiftung und der Stuttgarter Zeitung - wird im Rahmen des Festivals mit dem Philosophen Julian Nida-Rümelin und dem Autor Sherko Fatah fortgesetzt.

 

Festivalproduktionen

 

La Comédie de Reims

Uraufführung: "La Baraque" von Aiat Fayez

Regie: Ludovic Lagarde

Grand und Petit sind zwei zukunfts- und hoffnungslose Männer. Ihr Plan: eine selbstgemachte Bombe zu bauen, um damit eine Schuhfabrik zu attackieren. Einige Tage nach der Explosion steht ein Mann vor ihrer Haustür: Er hat alles gesehen – und ist vom Erfindungsreichtum der beiden Bastler begeistert … In elliptischer Form zeigt La Baraque eine Folge szenischer Entwürfe: Komisch und bitter zugleich erzählt es von zwei Sonderlingen, die das Geschäft mit dem Terror – beinahe ungewollt – zu Marionetten des Profits werden lässt.

 

Young Habima Theatre, Tel Aviv

Uraufführung: "God Waits at the Station" von Maya Arad

Regie: Shay Pitowski

Acht Schauspieler versuchen, die Splitter von Leben und Tod, die eine Selbstmordattentäterin hinterlassen hat, wieder zusammenzubauen. Wer war die Attentäterin? Wusste der Mann, der sie im Auto mitgenommen hat, vom Ziel ihrer Reise? Handelte sie aus Rache oder um sich von ihren Sünden zu befreien? Die Überlebenden versuchen sich in Rekonstruktionen: sie fügen Splitter an Splitter; dennoch zerfällt das so entstandene Bild vor den Augen der Zuschauer im Augenblick der Explosion. Ein Stück über Gewalt und Kontergewalt.

 

Jugoslovensko Dramsko Pozoriste, Belgrad

Uraufführung: "The Dragonslayers" von Milena Marković

Regie: Iva Milošević

The Dragonslayers, geschrieben von der jungen Autorin Milena Marković, kommt in der Form einer Geschichtsstunde daher. Es geht um die Ermordung des Erzherzogs Franz Ferdinand. Aber der Text ist kein historisches Drama. Vielmehr sucht er nach den Spuren, die dieser gesamteuropäische Schicksalstag bis heute hinterlässt. Der Text begibt sich auf die Fährte eines jungen Mannes, der im heutigen Serbien und am Ende einer langen Kette der Gewalt steht – beseelt von einem Wunsch: frei zu sein.

 

Nationaltheatret Oslo

Uraufführung: "We chew on the bones of time Four people, a guitar, some mud and some melancholy"

Eine Stückentwicklung von Jonas Corell Petersen

Regie: Jonas Corell Petersen

Vier junge Menschen treffen sich bei einem Langzeit-Seminar, vierzig Tage und Nächte. Sie baden im Dreck, spielen Gitarre, tanzen zu Salsa Musik und sprechen über alles: von der Gartenarbeit über die Einsamkeit bis hin zur Menschheitsentwicklung über die Jahrtausende. Früher, so ihre Vermutung, seien die Menschen glücklich gewesen. Jeder kannte jeden und alle teilten alles: Bakterien, Hautkrankheiten, Läuse. Entweder waren alle krank oder sie kämpften den ewig gleichen Kampf ums Überleben. Ein Stück über die Schatten einer grausamen Welt, und über das Licht in ihr.

 

Schauspiel Stuttgart

Uraufführung: "5 morgen" von Fritz Kater

Regie: Armin Petras

Das Stück spielt in einer Zeit, in der alles schwimmt und verschwimmt: fünf Menschen an fünf Morgen. In einer Stadt wird Katastrophenalarm ausgelöst. Eine Explosion? Atomare Verseuchung? Gefährliche Viren? „Gesellschaftsburnout“? Niemand weiß etwas Genaues. Ein äußerer Feind ist nicht verantwortlich zu machen. Es ist der Zusammenbruch des Jetzt. Die Überraschung bleibt aus. Die Panik hält sich in Grenzen. Die Medien geben die üblichen Parolen aus – und fünf Menschen entwickeln fünf Strategien zum Leben und Überleben.

 

Repertoire

 

Uraufführung: "Furcht und Ekel. Das Privatleben glücklicher Leute" von Dirk Laucke

Regie: Jan Gehler

Dirk Laucke hat in seiner Auftragsarbeit für das Schauspiel Stuttgart dokumentarisches Material recherchiert, gesammelt und zu eindringlichen Szenen verdichtet. Entstanden ist: eine Studie über die erstaunliche Kontinuität rechten Denkens in deutschen Köpfen. Eine Bestandsaufnahme gesellschaftlicher Verwerfungen – mit Blick auf unsere Gegenwart.

 

"Die Reise" frei nach dem Roman von Bernward Vesper

Regie: Martin Laberenz

Bernward Vesper, der Lebensgefährte Gudrun Ensslins, schaut in diesem Romanfragment auf seine eigene, „in den Brunnen gefallene Kindheit“. Psychedelischer Rausch und „einfacher Bericht“ wechseln sich auf dieser Reise ab. Sie endet als „one way trip“ in der Psychiatrie und schließlich im Selbstmord. Nach Vespers Tod 1971 dauert es sechs Jahre, bis der Text verlegt wird. 1977 fällt das Erscheinungsdatum – wie zufällig – in die Zeit des Deutschen Herbstes.

 

Deutschsprachige Erstaufführung: "Mord" von Hanoch Levin

Regie: Wojtek Klemm

„Da gibt es kein Warum, das verstehst du doch.“ Der Mord von israelischen Grenzsoldaten an einem palästinensischen Jungen setzt eine Spirale der Rache und Gewalt frei. Der Krieg ist kein Ausnahmezustand mehr, er wird zur perfiden Form des Alltags. Der in Deutschland bisher wenig bekannte Dramatiker und Regisseur Hanoch Levin war einer der bedeutendsten Theatermacher Israels.

 

"Das schweigende Mädchen" von Elfriede Jelinek

Regie: Alia Luque

Elfriede Jelinek weitet das NSU-Verfahren zu einem Tribunal biblischen Ausmaßes, der laufende Prozess ist hier zugleich das Jüngste Gericht. In seinem Zentrum: die Hauptangeklagte, die als letzte Überlebende beharrlich schweigt. Zwischen Prozessprotokollen, Medienberichten und literarischen Referenzen versucht der Text einen tiefen Blick ins Unbewusste der deutschen Seele.

 

"Autostück. Belgrader Hund" von Anne Habermehl

Regie: Stefan Pucher

Ein Auto fährt durch das abendliche Stuttgart. Vorne zwei Schauspieler. Das Radio läuft. Musik. Nachrichten. Die Ampeln springen um. Ein intimes Kammerspiel entspinnt sich. Wenige Zentimeter vor Ihren Augen, Ohren und Nasen. Ein Stück wie ein Roadmovie, das Auto als kleinstmöglicher Zuschauerraum, Stuttgart als Bühnenbild. Ein Abend über Heimat und Heimatlosigkeit in dieser Stadt.

 

Über die Gastspiele und Repertoirevorstellungen hinaus präsentieren wir weitere Veranstaltungen zum Thema: Vorträge, Podiumsdiskussionen, Buchvorstellungen, Installationen und vieles mehr. Weitere Informationen auf schauspiel-stuttgart.de und auf dem Festival-Blog: terrorisms-festival.com

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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