Um das Reich steht es dort nicht zum Besten, doch Mephisto verschafft Rettung mittels des Papiergelds – „gedeckt“ durch die ungehobenen Schätze des Landes – und Faust rettet vorübergehend die kaiserlichen Finanzen. Faust soll nun Paris und Helena beschwören. Mit Hilfe der „Mütter“, zu denen er hinabsteigt, glückt Faust das Kunststück: Helena, in die er sich sofort verliebt, und Paris, die Urbilder menschlicher Schönheit, erscheinen vor der Hofgesellschaft. Als Paris Helena jedoch entführen will, greift der eifersüchtige Faust ein, und die Erscheinungen verschwinden mit einer Explosion. Der ehemalige Famulus Wagner, inzwischen ein berühmter Professor geworden, arbeitet an der Herstellung eines künstlichen Wesens. Dieser Homunculus erkennt Fausts Sehnsucht nach Helena und führt ihn und Mephisto auf dem Zaubermantel zur klassischen Walpurgisnacht mit all ihren mythologischen Gestalten. Im dritten Akt trifft Faust endlich auf die nach dem Trojanischen Krieg heimkehrende Helena und gewinnt ihre Liebe. Aus dieser Verbindung entsteht Euphorion, der sich trotz aller Warnungen, im Glauben, fliegen zu können, von einem Felsen zu Tode stürzt, wohin ihm Helena folgt und sich auflöst. Faust und Mephisto kehren daraufhin zum Kaiser zurück, dessen Reich erneut in Chaos und Krieg zu versinken droht, woraus sie ihn retten.
Faust bringt es daraufhin zum großen Handelsherrn. Doch Reichtum und Pracht sind wiederum nur mit Teufels Hilfe zustande gekommen. Nicht ganz zu Unrecht glaubt Mephisto, die Wette um Fausts Seele somit endlich gewonnen zu haben. Doch himmlische Heerscharen drängen die Teufel zurück und entführen Fausts Seele in den Himmel. Denn – so sagen die Engel – „Wer immer strebend sich bemüht,/Den können wir erlösen“. Dieser zweite Faust von Goethe galt ihm selbst und allen nach ihm als unverdauliches und mithin unaufführbares Stück.
Wie kaum ein anderer Theatertext wird Goethes „Faust II“ als Herausforderung und großes Wagnis wahrgenommen, denn seine Komplexität und die immense Fülle an mythologischen, kultur- und zeitgeschichtlichen Bezügen lassen sich in ihrer Gesamtheit nur schwer auf der Bühne darstellen.
In zwei ganz unterschiedlichen und jeweils sehr eigenwilligen, zeitgenössischen Regiehandschriften begegnet Goethes „Faust“ dem Publikum in dieser Spielzeit am Deutschen Nationaltheater Weimar. Nach Tilmann Köhlers kontrovers diskutierter Inszenierung des ersten Teils darf man nun gespannt sein auf Laurent Chétouanes Lesart von „Faust. Der Tragödie zweiter Teil“.
Der vielbeachtete junge Regisseur Laurent Chétouane, seit Jahren Gast an allen großen Bühnen der Republik, zuletzt mit einer außerordentlich kontrovers diskutierten Iphigenie an den Kammerspielen in München, erarbeitet mit Schauspielern des Ensembles und verschiedenen Gästen, darunter drei Tänzern, diesen zweiten Teil, indem er Textinseln aus dem riesigen Konvolut herauslöst, sie im Bezug auf das Gesamtwerk szenisch untersucht und deren zum Teil schauerliche Gegenwärtigkeit auf der Bühne präsent werden läßt. Im Mittelpunkt dieser Arbeit an Goethes Text steht die Frage, wie Schauspieler, anders als zum Beispiel Tänzer, sich diese schwierigen Worte im wahrsten Sinne einverleiben, wieder aus sich heraustreiben und mit der Ferne dieses Werks zu der Zeit, in der wir leben, umgehen kann.
Laurent Chétouane (Regie)
Susanne Winnacker (Dramaturgie)
Patrick Koch (Bühne)
Sanna Dembowski* (Kostüme)
Leo Schmidthals (Musik)
Bahadir Hamdemir (Video)
Saskia Walker* (Video)
Sarah Bauerett, Eve Kolb, Elke Wieditz, Thomas Braungardt, Friedemann Eckert
Sigal Zouk, Jan Burkhardt, Frank James Willens (Tänzer)