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Landestheater Linz: "Albert Herring" von Benjamin Britten

Premiere am Samstag, 27. März 2010, 19.30 Uhr Großes Haus

Albert Herring wird von einer Gruppe wichtiger Leute seiner Stadt aus heiterem Himmel für einen Tugendpreis nominiert, und das ist ihm natürlich peinlich. Wenn man fünfzehn, sechzehn ist, dann will man für so etwas ganz sicher keinen Preis bekommen.

Angefangen hat es damit, dass Lady Billows, die empört ist über den Verfall der Sitten, verzweifelt und ergebnislos nach Kandidatinnen für die Maikönigin, einen Ehrentitel für vorbildhaftes tugendhaftes Leben, gesucht hatte. Alle möglichen Kandidatinnen kamen dafür wegen zu kurzer Röcke oder zu vieler Männerbekanntschaften nicht in Frage. Polizeichef Budd kam auf die Idee, stattdessen einen Burschen zu nehmen.

Albert weiß nicht, wie ihm geschieht, er hat keine Wahl. Und schon findet das große Fest zu seinen Ehren statt, Festrede reiht sich an Festrede. Und zu allem Überfluss darf er sich noch laut bei allen bedanken. Nach dem Fest fasst Albert dann aber den wichtigen Entschluss: Er will jetzt endlich sein Leben selbst in die Hand nehmen. An diesem Entschluss ist die mit ein wenig Rum verzierte Limonade schuld, die Alberts Freund Sid ihm auf dem Fest gibt – aber das müssen ja nicht alle wissen.

Dass Albert einen, wenn auch nicht von den Honoratioren gebilligten Schritt in Richtung Erwachsenwerden tut, dass ist der Punkt der Geschichte, an dem sich diese Oper Benjamin Brtittens als „ernste Komödie“ erweist, wie der Britten-Forscher Donald Mitchell schrieb. Der Regisseur der Linzer Produktion, der Engländer Walter Sutcliff, greift diesen Begriff auf, er ist das Motto seiner Arbeit. Eine wichtige Rolle in dieser Gesellschaftssatire hat, so der Regisseur, die Zeit. Sie fehlt dem Festkomitee, das die Maikönigin sucht, sie drängt Lady Billows, die glaubt, sofort etwas gegen den Sittenverfall tun zu müssen, und sie übt Druck auf Albert aus. Er hat noch das ganze Leben vor sich, aber seine Jugend drängt ihn, keine Zeit mehr zu verlieren und die Gelegenheiten zu ergreifen, die sich ihm bieten.

Wie viele Opern über Heranwachsende gibt es? Wie bitte, gar keine? Na ja, eigentlich ist die Mehrzahl der Opernheldinnen und –Helden zumindest im Libretto deutlich unter zwanzig. Dass es fast immer um die erste oder mindestens die große Liebe ganz junger, ganz unerfahrener Menschen geht, vergisst man vielleicht manchmal, weil nicht alle Sänger immer so weit „herunter spielen“ können, wie’s vielleicht nötig wäre.

Fast alle dieser Opern führen draufgängerische, mutige, gewandte Menschen vor, die den wirklich „Erwachsenen“ kaum an Selbstbewusstsein nachstehen. Wo ist denn die Oper, die die Probleme eines jungen Menschen zeigt und auch einen denkbaren Ausweg daraus, den Weg ins Erwachsenwerden? Und nicht etwa nur Selbstmord oder was sonst die romantische Oper an wenig Lebenstauglichem anzubieten hat!

Diese Oper ist Albert Herring von Benjamin Britten. Es ist eine komische Oper mit vielen lustigen Szenen aus dem Leben einer englischen Kleinstadt. Anders als in anderen komischen Opern (einschließlich Platée) lacht man aber über den Helden der Geschichte, Albert, nicht. Mit ihm leidet man mit, denn der schüchterne Bursche hat einiges auszuhalten. Aber anders als in der literarischen Vorlage, der Erzählung „Tugendpreis“ von Guy de Maupassant, hat Brittens Librettist der Geschichte kein düster-tragisches Ende geben wollen. Im Gegenteil: Der Held ist auf einen Weg, der hoffnungsvoll-positiv in die Zukunft weist.

Benjamin Britten zieht alle Register: Tanz, Kinderlied, Marsch, Kirchenlied, Trauerchor, Arie, Lied, Arioso, Rezitativ. Wenn es der Situation angemessen ist, dann darf der Ton auch gern Operette und Musical einbeziehen. Alle Stillagen und Formen sind möglich und werden von Britten zwanglos in den Dienst der „ernsten Komödie“ gestellt. Dabei ist Parodie das große Stichwort. Es gibt auch ungewohnt Neuartiges, etwa die gleichzeitigen Rezitative des ganzen Ensembles, die den Eindruck eines stilisierten Durcheinanderredens hervorrufen. Das Orchester kann Situationen und Empfindungen verstärken, ironisch kommentieren oder mit dem Ernst der symphonischen Tradition auch so groß werden lassen, wie sie einem jungen Menschen in der Pubertät vorkommen.

In englischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Musikalische Leitung

Ingo Ingensand/Borys Sitarski

Inszenierung

Walter Sutcliffe

Bühnenbild und Kostüme

Kaspar Glarner

Dramaturgie

Felix Losert

Lady Billows, eine herrische, ältere Dame

KAREN ROBERTSON

Florence Pike, ihre Haushälterin

LARISSA SCHMIDT/KATHRYN HANDSAKER

Miss Wordsworth, Vorsteherin der kirchlichen Gemeindeschule

CHERYL LICHTER

Mr. Gedge, der Pfarrer

FRANZ BINDER

Mr. Upford, der Bürgermeister

YURANNY HERNÁNDEZ GÓMEZ

Mr. Budd, Chefinspektor der Ortspolizei

FLORIAN SPIESS

Sid, Metzgerbursche

SEHO CHANG

Albert Herring, Gehilfe im Gemüseladen der Mutter

MATTHÄUS SCHMIDLECHNER

Nancy, Bäckerstochter

KATERINA HEBELKOVA, ELSA GIANNOULIDOU

Mrs. Herring, Alberts Mutter, Gemüsehändlerin

CHRISTA RATZENBÖCK

Emmie ELISABETH BREUER

Cis } Kinder des Ortes ILIA VIERLINGER

Harry SEBASTIAN PAUZENBERGER

BRUCKNER ORCHESTER LINZ

Weitere Termine 31. März; 8., 12., 15., 24. 26. und 29. April; 7., 11. und 21. Mai; 8. und 13. Juni 2010

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