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"Le Grand Macabre" von György Ligeti im Opernhaus Chemnitz

Premiere: 28. September 2013, 19.30 Uhr. -----

Im Fantasieland „Breughelland“ verkündet der Große Macabre Nekrotzar den angeblich drohenden Weltuntergang aufgrund eines herannahenden Kometen. Die Bewohner setzen alles daran, die verbleibende Zeit so gut wie möglich auszunutzen für all die sinnlichen Vergnügungen des Lebens.

Nackte Existenzangst und Panik stehen dabei neben dem erotisch-auskostenden Genuss. Da ist die derbe Mescalina, die längst die Oberhand in der Beziehung zu Astradamors gewonnen hat und ihn das in allen Bereichen des Zusammenlebens deutlich spüren lässt. Da ist Piet vom Fass, der – wie der Name schon sagt – eine Fülle verleihende Beziehung zu Freund Alkohol entwickelt hat. Und Fürst Go-Go, der durch seine Minister alles andere als Unterstützung erfährt. Aber da sind auch Amanda und Amando, zwei junge Liebende, die sich nicht von der allgemeinen Endzeitstimmung mitreißen lassen. Zum Schluss stellt sich für alle die Frage: Ist Nekrotzar echt oder ist er ein Schwindler? Ist der Tod echt und die Ankunft im Himmel real, wo es doch dort genauso zugeht wie auf der Erde?

Der Komponist György Ligeti

György Ligeti wurde 1923 in Ungarn geboren und studierte u. a. bei Sándor Veress, Pál Járdányi und Lajos Bárdos an der Franz-Liszt-Akademie in Budapest. Nach der Niederschlagung des Aufstandes 1956 verließ er Ungarn und übersiedelte in die Bundesrepublik Deutschland. Im Studio für elektronische Musik des WDR Köln setzte er sich intensiv mit der Musik von Karlheinz Stockhausen, Mauricio Kagel und Pierre Boulez auseinander. In den 1960er Jahren wirkte Ligeti als Dozent bei den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik und als Gastprofessor an der Stockholmer Musikhochschule. 1973 wurde er als Professor für Komposition an die Hamburger Musikhochschule berufen. Als Hochschullehrer und als Komponist prägte Ligeti maßgeblich die internationale zeitgenössische Musik und wurde zum musikästhetischen Bezugspunkt einer ganzen Generation. Neben den Mitgliedschaften in der Freien Akademie der Künste in Hamburg und der Bayerischen Akademie der Schönen Künste in München wurde Ligeti mit zahlreichen Preisen geehrt. Er starb 2006 in Wien.

Die Stückvorlage

Der Belgier Michel de Ghelderode (1898 – 1962) stammt aus einer flämischen Familie. Allerdings absolvierte er auf Geheiß seines Vaters eine ausschließlich französischsprachige Schulbildung, weil nur diese das Tor zum sozialen Aufstieg öffnete. Seine Mutter war es, die die flämischen Wurzeln pflegte. Sie sprach mit dem Jungen flämisch und legte damit wohl den Grundstein für sein Interesse an der flämischen Kultur, am Land Boschs und Breughels, an einem Land, „bevölkert mit Gnomen, verdorbenen Mönchen, Scharfrichtern, Komödianten, mit Skeletten und Masken, das die Sturmglocke läutet im Rausch des Scheiterhaufens“ (A.-M. Beckers). Seine Stücke weisen eine starke Neigung zum Hässlichen, Schmutzigen, Triebhaften auf, aber er versteht es, diese deftigen Züge mit einer fantastisch-märchenhaften Zauberwelt poesievoll zu verbinden und damit Kunstwerke von großer Sinnenhaftigkeit zu schaffen. „La Balade du Grand Macabre“ gilt als sein Hauptwerk. Es entstand 1935, wurde aber erst 1943 uraufgeführt.

Die Entstehung der Oper

Die Entstehungsgeschichte von György Ligetis Oper „Le Grand Macabre“ reicht bis ins Jahr 1965 zurück. Damals bat ihn der Chef der Stockholmer Oper, Göran Gentele, um ein Bühnenwerk. Ligeti sagte zu und beschäftigte sich thematisch zunächst mit einem aus seiner Kindheit stammenden fantastisch-mythologischen Sujet, entschied sich dann aber für eine „Oidipos“-Version. Aufgeführt wurde sie nie, weil Gentele 1972 bei einem Autounfall ums Leben kam und Ligeti sich emotional außer Stande sah, dieses Opernprojekt ohne ihn auf die Bühne zu bringen. Er wollte noch einmal ganz von vorn anfangen. Auf der Suche nach einer geeigneten Vorlage fand er Michel de Ghelderodes Schauspiel „La Balade du Grand Macabre“. Ligeti war von de Ghelderodes Stück fasziniert: „Dieses Stück war für meine musikalisch-dramatischen Vorstellungen wie geschaffen: ein Weltuntergang, der dann gar nicht wirklich stattfindet, der Tod als Held, der aber vielleicht nur ein kleiner Gaukler ist, die kaputte und doch glücklich gedeihende, versoffene, verhurte Welt des imaginären ‚Breughellandes‘“. Die Uraufführung fand 1978 an der Königlichen Oper Stockholm statt. Die von Ligeti selbst überarbeitete Fassung, die auch Grundlage der Chemnitzer Produktion sein wird, war erstmalig 1997 während der Salzburger Festspiele zu erleben.

Die Musik

„Es ist die Angst vor dem Tod, die Apotheose der Angst und das Überwinden der Angst durch Komik, durch Humor, durch Groteske.“ So fasste György Ligeti sein Werk zusammen. Die absurd-respektlose Persiflage eines Jüngsten Gerichtes ist auch musikalisch von der Parodie geprägt. Das klassische Orchester ist um viel Schlagwerk und Tasteninstrumente erweitert. Es beginnt mit einer Autohupen-Ouvertüre, stellt Slapstick und Improvisiertes neben komplexe Reihenstrukturen und Clusterbildungen und schreckt nicht vor lustvoll geäußerten Derbheiten zurück.

Text von Michael Meschke und vom Komponisten

Frei nach Michel de Ghelderodes „La Ballade du Grand Macabre“

Musikalische Leitung: Frank Beermann

Inszenierung: Walter Sutcliffe

Bühne: Georg Baselitz

Kostüme: John Bock

mit: Heiko Trinsinger (Nekrotzar), Dan Karlström (Piet vom Fass), Monika Straube (Mescalina), Kouta Räsänen (Astradamors), Guibee Yang (Amanda), Tiina Penttinen (Amando), Piia Komsi (Gepopo / Venus), Susanne Thielemann (Fürst Go-Go), André Riemer (Weißer Minister), Andreas Kindschuh (Schwarzer Minister), Matthias Winter (Ruffiack), Martin Gäbler (Schobiack), Thomas Mäthger (Schabernack)

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