Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
Luzerner Theater zeigt EINE NACHT IN VENEDIGLuzerner Theater zeigt EINE NACHT IN VENEDIGLuzerner Theater zeigt...

Luzerner Theater zeigt EINE NACHT IN VENEDIG

KOMISCHE OPERETTE IN DREI AKTEN VON JOHANN STRAUSS

PREMIERE: 17. DEZEMBER 2005, 19.30 Uhr

WO LUST UND TOLLHEIT REGIEREN.....

Zum Karneval nach Venedig gekommen, möchte der Herzog ein langersehntes Abenteuer mit der Senatorsgattin Barbara geniessen. Im Schutz der Nacht und der Masken ist jede Überraschung möglich: Aus einer Gattin werden drei, die echte Barbara jedoch ist mit ihrem Liebhaber verschwunden

 

Strauss' Operette aus dem Jahre 1883 stand bei ihrer Uraufführung in Berlin unter keinem guten Stern, vermochte jedoch nach einer Umarbeitung binnen Wochenfrist in Wien und von dort ausstrahlend fortgesetzt zu reüssieren. Ihr Erfolg basiert nicht nur auf dem erprobten Schmelz der Musik des «Wiener Walzerkönigs», sondern massgeblich auch auf dem erotischen Knistern des Plots.

 

Die sinnlich aufgeladene Handlung rankt sich um die Liebesgeschichte der volkstümlichen Paare Annina/Caramello und Ciboletta/Pappacoda sowie um die Senatorsgattin Barbara im mehrbödigen Beziehungsgeflecht mit ihrem Neffen, ihrem Mann und dem liebestollen Herzog, der seinerseits ebenso brenzlige Situationen mit Annina und Ciboletta erlebt. Liebe, sexuelle und materielle Gier mischen sich gepaart mit Eifersucht zu einem brisanten Cocktail. Das närrische Treiben in der Lagunenstadt bietet den Figuren dabei die willkommene Gelegenheit, persönliche und gesellschaftliche Schranken im Schutz der Karnevalsmaske zu überwinden.

 

Der Kitzel dieser Operette erfasst seit gut 120 Jahren immer aufs Neue ein Publikum, das Venedig als Projektionsfläche romantischer Träume nördlich der Alpen bereits lange liebgewonnen hatte. Die Musik Johann Strauss' befördert solchen sinnlichen Taumel auf das Schönste. Der Komponist der «Fleder¬maus» und des «Zigeunerbarons» hat in dieser Erfolgsoperette allen Figuren ihre je charakteristische Musik mitgegeben, vom schmelzenden Liebesständchen zum plebejischen Geburtstagsständchen, vom Spottgesang zum prächtigen Walzer. ‹Schlager› wie «Frutti di mare», «Tacke, tacke» oder «Komm in die Gondel» beweisen immer aufs Neue die unerschöpfliche melodiöse Fertilität des Wiener Aus¬nahme¬komponisten. Das quirlige Pingpongspiel der schlagfertigen Dialoge tut ein Übriges, um das Personal zu verlebendigen und liebevoll zu konturieren.

 

 

BESONDERHEITEN DER LUZERNER INSZENIERUNG

Der österreichische Regisseur Adi Hirschal verschreibt sich auch im scheinbar ‹leichten› Genre der Operette der Psychologie der Bühnenfiguren und ihrem komplexen Beziehungsgeflecht. Im wandlungs¬fähigen, vom barocken Theater inspirierten Bühnenbild Ingrid Erbs spürt er den Motivationen und Sehnsüchten der Handelnden nach, ohne ihre Widersprüche zu verflachen oder sie zu denunzieren. Eine wesentliche Rolle spielen Wortwitz und schneller Schlagabtausch des Textes, die dem Wahlwiener Hirschal schon durch den liebenswerten ‹Wiener Schmäh› wohlvertraut sind. Das präzise Timing einer gelungenen Komödie ist für Hirschal die Voraussetzung einer Operetteninszenierung, die weder in wohlfeilem Rezeptionskitsch erstarren noch mutwillig gegen Zuschauererwartungen verstossen will. Voraussetzung war die Durchforstung verschiedener Textversionen mit dem Ziel, Gechwätzigkeit zu vermeiden, aber sprachlichen Witz und Verständlichkeit der Handlung zu erhalten (siehe auch Interview «Eine Stadt zum Träumen»).

 

In musikalischer Hinsicht ging der Luzerner Fassung eine intensive Prüfung bisheriger Versionen der Operette voraus. Dies insbesondere in der Frage von Modifikationen der ursprünglichen Berliner Partitur für die unmittelbar nach der Uraufführung folgende Realisation in Wien. Diese wurden zum Teil hektisch binnen sechs Tagen vorgenommen oder flossen nach und nach ein. Strauss hatte, durch den Misserfolg der Berliner Uraufführung stark verunsichert, einiges eher aus Mutlosigkeit denn aus Über¬zeugung geändert oder von fremder Hand ändern lassen. In genauer Abwägung entsteht in Luzern eine Berlin-Wiener Mischfassung, die danach strebt, die Balance zwischen dramaturgischer Wirksamkeit und ursprünglichem musikalischem Esprit zu finden.

Einige Veränderungen wurden noch von der Nachwelt vorgenommen, insbesondere unter Verwendung anderer Strausskompositionen, so dass mitunter die individuelle Architektur des Werkes aus dem Blick rückte. Die Motivation solcher Ergänzungen war jedoch nicht immer unlauter. Der unzweifelhafte dra¬ma¬turgische Vorteil einer ursprünglich nicht vorhanden Auftrittsarie des Herzogs, der üblicherweise durch die Hinzuziehung einer umgetexteten Arie aus Strauss' Operette «Simplicius» eingelöst wird, er¬fährt am Luzerner Theater nun eine Umsetzung innerhalb der Grenzen des Stücks: Kapellmeister Rick Stengårds und Dramaturg Christoph Kammertöns schufen ein aus dem Material der Operette heraus neukomponiertes und neugetextetes Arioso. Diesem folgt mit der Funktion der eigentlichen Arie die meist gestrichene, textlich nun auf den Herzog zugeschnittene Gesangsnummer «Lustig schwingt den Schellenstab».

Erstmals ermöglicht diese Lösung, ganz in der Musik von «Eine Nacht in Venedig» zu bleiben und den Herzog endlich mit jener Verve auftreten zu lassen, die seinem ebenso romantischen wie schwungvollen Wesen entspricht.

 

ÖFFENTLICHE PROBE: 9. DEZEMBER 2005, 18.00 Uhr

MATINEE ZUR PREMIERE: 11. DEZEMBER 2005, 11.00 Uhr

PREMIERE: 17. DEZEMBER 2005, 19.30 Uhr

WEITERE VORSTELLUNGEN:

23.12., 28.12., 30.12.2005, 02.01., 05.01., 19.01., 22.01., 28.01., 12.02. (20.00 Uhr), 15.02., 25.02., 05.03. (13.30 Uhr), 11.03., 26.03. (13.30 Uhr), 30.03., 05.04., 07.04.2006, jeweils 19.30 Uhr

 

 

 

 

 

 

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 23 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

JAGENDE HORN-PASSAGEN -- Neue CD von Helmut Lachenmann "My Melodies" bei Naxos (BR Klassik - musica viva)

Ein kompositorischer Umgang mit dem Phänomen Melodie steht im Mittelpunkt der Komposition "My Melodies" für acht Hörner und Orchester des 1935 in Stuttgart geborenen Helmut Lachenmann. Unter der…

Von: ALEXANDER WALTHER

VOLLENDETER FORMALER AUFBAU -- Bachs Matthäus-Passion mit den Stuttgarter Hymnus-Chorknaben in der Stiftskirche STUTTGART

Für Karfreitag 1729 schrieb Johann Sebastian Bach seine "Matthäus-Passion" BWV 244 und arbeitete sie dann noch dreimal um. Der vollendet ausgewogene Aufbau dieses Meisterwerks kam in der Aufführung…

Von: ALEXANDER WALTHER

SCHONUNGSLOSE SELBSTERKENNTNIS --- John Gabriel Borkman im Schauspielhaus Stuttgart

Henrik Ibsen ist der Dramatiker der schuldhaft versäumten Selbstemanzipation. Er setzt sich schonungslos mit den Lebenslügen der Menschen auseinander. Seiner Devise "Dichten ist Gerichtstag halten…

Von: ALEXANDER WALTHER

DRAMATISCH GEBALLTER ABLAUF --- Verdi Operngala im Forum am Schlosspark Ludwigsburg

Vorwiegend Spätwerke Giuseppe Verdis standen bei dieser sehr gelungenen Operngala auf dem Programm. Die vorzüglich musizierende Württembergische Philharmonie Reutlingen unter der inspirierenden…

Von: ALEXANDER WALTHER

FEINSTE SCHATTIERUNGEN DES GEFÜHLS -- Stuttgarter Philharmoniker unter Gabriel Feltz mit Berg und Brahms in der Liederhalle Stuttgart

Wieder konnte man als "Minutenstück" eine interessante Komposition eines Studenten der Kompositionsklasse von Prof. Marco Stroppa an der Stuttgarter Musikhochschule hören. Der 1987 in Mailand geborene…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑