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Offener Brief zur Beschlussvorlage zum Grundlagenvertrag des Theaters Plauen Zwickau

Zwickau, 09.12.2014. ----- An die Stadträte in Plauen und Zwickau, sowie an Frau OB Dr. Findeiß und Herrn OB Oberdorfer. Sehr geehrte Damen und Herren! Das Theater ist als kommunal getragene Einrichtung ein Ort der Begegnung, der Identität und Identifikation schafft. Eine intensive Umgestaltung der Struktur dieser Einrichtung greift diese Identifikation massiv an.

 

Viele Mitbürgerinnen und Mitbürger der Städte Plauen und Zwickau werden deshalb das gleiche Bedürfnis haben wie wir: bei einer solchen Umgestaltung einbezogen zu werden. Sie wünschen sich einen Dialog, der nicht nur Entscheidungsprozesse, die zu einer Beschlussvorlage führen, erläutert, sondern es ihnen darüber hinaus ermöglicht, eine Entwicklung anzustoßen, mitzutragen und - ja - auch mitzulenken. Einen solchen Dialog hat es bisher leider nicht gegeben.

 

Die Schockwelle, die die Veröffentlichung der Beschlussvorlage ausgelöst hat, trifft in ihrer Konsequenz ab 2018 nicht nur die Menschen, die am Theater arbeiten, hart. Sämtliche Künstler der Region trifft das, da deutlich weniger Austausch möglich sein wird. Die Musikschulen trifft das, da die Lehrenden werden wegziehen müssen. Die Kindergärten und Schulen trifft das, da es für Kinder keine Musiktheater- und Ballett- Vorstellungen und keine Vorstellung von Instrumenten mehr geben wird. Die Rentner trifft das, die sich ihren Lebensabend auch mit Operette versüßen möchten. Die Kirchen trifft das, die so wie bisher nicht mehr große Konzerte werden veranstalten können.

 

Letztlich trifft das auch die Städte Plauen und Zwickau direkt, deren motorisierte, erwachsene Bewohner in Zukunft in andere Städte fahren werden, um Musiktheater und Sinfoniekonzerte zu hören. Und dann auch dort davor noch essen gehen oder danach dort übernachten. Überhaupt ist der hier angesprochene Effekt der Umwegrentabilität nicht zu unterschätzen. Erst kürzlich hat die HTWK Leipzig eine Studie herausgegeben, die selbst unter schlechten Bedingungen zum Schluss kommt, dass ein Theater mehr Geld in die Taschen der Stadt spült, als diese für das Theater ausgibt ("Studie zur Umwegrentabilität der kulturellen Eigenbetriebe der Stadt Leipzig"). Sicher sind Plauen und Zwickau nicht direkt mit Leipzig vergleichbar. Die Effekte sind aber vergleichbar, zumal hier die Kulturräume eine bedeutende Rolle spielen. Und wollen Sie, unsere Stadträte, wirklich, dass unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger in Zukunft lieber in umliegenden Städten Geld ausgeben, als bei uns, nur weil es kein Musiktheater mehr gibt, oder kein Ballett? Welche Auswirkungen wird das auf Handel und Gewerbe der Städte haben? Und damit auf das Stadtbild insgesamt?

 

Ist diese Beschlussvorlage wirklich die Beste für das Theater und die beiden Städte? Wann wurde beschlossen, dass der Zuschuss nachhaltig begrenzt werden soll, wie es in der Begründung zur Beschlussvorlage heißt? Kann diese Beschlussvorlage mit den ihr immanenten Unwägbarkeiten überhaupt ernsthaft verabschiedet werden? Kann über die Ungewissheit der Höhe der Mitfinanzierung des Kulturraumes hinweggesehen werden? Erkennbar ist auch, dass über Fremdbespielung mit viel weniger Geld keine mit heute vergleichbare Anzahl an Musiktheater- und Ballettaufführungen möglich sind und auch nicht in vergleichbarer Qualität.

 

Wollen Sie im erwartbaren Maß darauf verzichten? Wie genau kann die Schätzung von Abfindungszahlungen sein, wenn die endgültige Struktur des Hauses nicht festgelegt ist und somit nicht klar ist, wer das Haus verlassen muss? Warum geht es hier in erster Linie um die finanzielle Ausstattung, aber zweitrangig um die Struktur des Hauses? Wird das Pferd so nicht von hinten aufgezäumt? Wäre es nicht viel sinnvoller, erst ein Konzept für die Struktur zu erstellen und dann die Finanzierung zu sichern? Ist die Beschlussvorlage in all ihrer Konsequenz durchdacht? Ist sie von Ihnen persönlich mit tragbar? Ist es das, was Sie für Ihr Theater wollen: den Tod auf Raten? Sind wir wirklich, sind Sie wirklich bereit einzugestehen, dass die Fusion der beiden Theater in Plauen und Zwickau gescheitert ist? Viele Fragen, die wir uns stellen, aber auch Ihnen. Und von denen wir uns wünschen, dass Sie sie sich selbst stellen und hoffentlich in einer Weise beantworten, die kulturell reichhaltiges Erleben in unseren beiden Städten auch in Zukunft ermöglicht.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Nathalie Senf

Opernsängerin

früheres Ensemblemitglied am Theater Plauen Zwickau

 

Dr. Lutz Behrens

Vorsitzender Förderverein des Vogtland Theaters Plauen e.V. und

Sprecher des Aktionsbündnisses Pro Vogtlandtheater

 

Jo Harbort

Künstler

 

Katrin Kapplusch

Opernsängerin und

früheres Ensemblemitglied am Theater Plauen Zwickau

 

Rainer Wenke

Regisseur und früherer Oberspielleiter und Operndirektor am Theater Plauen Zwickau

 

Förderverein des Vogtland Theaters Plauen e.V.

Förderverein Theater Zwickau CAROLINE NEUBER e.V.

Aktionsbündnis Pro Vogtlandtheater

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