Der dänische Komponist Erik Højsgaard hat sich Ödön von Horváths Drama "Don Juan kommt aus dem Krieg" (1936/37) als Vorlage für seine gleichnamige Oper gewählt. Beim KlangBogen, der in diesem Jahr mit drei Opern aus drei Jahrhunderten das Thema des Frauenverführers Don Juan alias Don Giovanni umkreist, wird dieses Musiktheaterwerk in einer neuen, überarbeiteten Version als Koproduktion der Neuen Oper Wien und dem
Theater an der Wien uraufgeführt.
Kriegsende in einem Fronttheater. Don Juan glaubt, durch den Krieg ein Anderer geworden zu sein, und macht sich auf die Suche nach seiner früheren Verlobten, die er vor dem Krieg verlassen hatte. Auf dem Weg schreibt er ihr
Briefe, um seine Liebe zu beschwören und sein Kommen anzukündigen, erhält aber keine Antwort. In zahlreichen Begegnungen im Fronttheater, auf der Straße, im Krankenhaus, im Café, als Untermieter, in einer Opernloge und auf
der Flucht trifft er neue Frauen. Sie erinnern ihn an seine frühere Geliebte, und er erinnert sie an all die Männer, die nicht aus dem Krieg zurückgekehrt sind. Seine Briefe sind unterdessen bei der Großmutter seiner bereits gestorbenen
Verlobten angekommen, die voller Rachsucht auf ihn wartet. Als die Tochter seiner Vermieterin behauptet, Don Juan habe sie vergewaltigt, ergreift er die Flucht und endet schließlich am Grab seiner Geliebten.
Zitat aus "Don Juan kommt aus dem Krieg" (Ödön von Horváth):
Don Juan (langsam): Ich glaub, ich bin durch den Krieg ein anderer geworden --
Witwe (höhnisch): Bei deinen Talenten?
Don Juan: Ich glaub, ich hab sie verloren.
Witwe: Nein. Du bleibst, wer du bist.
Don Juan: Ich bin es müde.
Witwe: Man sollte dich ausrotten.
Don Juan: Ich weiß, ich bring den Damen nichts Gutes --
Er lächelt leise.
Witwe: Du wirst ihnen nicht entrinnen.
Højsgaards Musik greift das Assoziative der skizzenhaft erzählten Geschichte von Horváth auf und bleibt auffallend abstrakt. Der Kunstgriff des Komponisten ist es, der Musik keine untermalende oder begleitende Funktion in Bezug auf die Handlung und die Singstimmen zuzuschreiben. Das Orchester erhält eine ganz eigene Rolle: Es fungiert scheinbar als völlig unabhängiger und eigenständiger Körper und klingt wie ein Fremdkörper in der "neuen Welt": als würde es das Chaos zu Klang werden lassen, das der Krieg in den Köpfen der Menschen hinterlassen hat.
Mascha Pörzgen inszeniert als einzige RegisseurIn bereits zum zweiten Mal eine KlangBogen-Koproduktion der Neuen Oper Wien im Semper-Depot. 2002 reüssierte sie hier mit ihrer Regiearbeit von H.J. v. Boses "63:Dreampalace".
An "Don Juan kommt aus dem Krieg" interessiert die junge Regisseurin das für Horváth so typische Element des Visionären und Traumhaften. In dem Heimkehrer Don Juan sieht Pörzgen den Vertreter einer zerstörten, desillusionierten Kriegsgeneration, die jeglicher Möglichkeit zur Veränderung beraubt wurde. Horváths Don Juan hat nichts mehr von der Lebensgier des Mozartschen Don Giovanni.
"So bildet auch Don Juan sich ein, ein anderer Mensch geworden zu sein. Jedoch er bleibt, wer er ist. Er kann nicht anders. Er wird den Damen nicht entrinnen. Alle erliegen ihm - wirklich geliebt wird er von keiner."
(Ödön von Horváth) Das Regieteam dieser Operninszenierung (Bühne: Paul Zoller, Kostüme: Renate Rieder) zeichnet das Bild eines Kriegsfeldes am Ende des 1. Weltkrieges, auf dem Don Juan zwischen Krüppeln und Kriegsversehrten vergeblich nach der Frau sucht, die er vor dem Krieg geliebt und verlassen hat. In seiner Sehnsucht nach Perfektion entwirft er das Traumbild einer Frau, die für immer unerreichbar bleibt. Alle Frauen, denen Don Juan begegnet und die ihn begehren, ähneln der gesuchten Geliebten. Auf dem endlosen Weg zu ihr kommt Don Juan der Glaube an Erlösung
abhanden. Die Sehnsucht nach der idealen Frau wird schließlich zur Todessehnsucht. Am Grab der toten Geliebten erfriert er.
Neue Oper Wien-Intendant Walter Kobéra dirigiert das 16köpfige amadeus ensemble-wien, das Bläser, Schlagwerk, Gitarre, Harfe, Klavier sowie ein Streichquintett umfasst.
Christian Miedl gibt den kriegs- und frauenmüden Don Juan in einer musikalisch und inszenatorisch aufregenden Musiktheater-Produktion!
Musikalische Leitung Walter Kobéra
Inszenierung Mascha Pörzgen
Bühnenbild Paul Zoller
Kostüme Renate Rieder
Lichtdesign Norbert Chmel
Dramaturgie Alexandra Noël
amadeus ensemble-wien
Don Juan Christian Miedl
Soubrette, Gretl, Zerlina, Dorfmädchen Rebecca Nelsen
Loses Mädchen, Krankenschwester, 1. Dame, Maske Petra Simkova
Anna, Kellnerin, 2. Dame Ulla Pilz
Witwe, Magda, 3. Dame Özlem Özkan
Oberin, Mutter, Altes Weib Tamara Gallo
Soubrette, Peter, Don Giovanni, Dorfmädchen Elvira Soukop
Loses Mädchen, Charlie, Dame aus Bern, Altes Weib Gisela Theisen
Großmutter, Nachbarin, 4. Dame Anna Clare Hauf
Eine Koproduktion mit dem THEATER AN DER WIEN
im Rahmen des KlangBogen 2006