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Otello in der Boxarena in Gelsenkirchen

Es ist Verdis vorletzte Oper und sein Meisterwerk: Das packende musikalische Psychodrama „Otello“ von 1887. Die Inszenierung von Dieter Kaegi, der das Drama um den eifersüchtigen „Mohren von Venedig“ in der emotionsgeladenen Atmosphäre einer Boxarena ansiedelt, feiert am Sonntag, 27. Januar 2008, im Großen Haus des Musiktheaters im Revier (MiR) Premiere. Die Musikalische Leitung liegt bei Musikdirektor Samuel Bächli, die Ausstattung stammt von Stefanie Pasterkamp und dramaturgisch begleitet Wiebke Hetmanek die Produktion.

Sein Schicksal ist so bekannt, dass er sogar als Namensgeber für den krankhaften Eifersuchtswahn – das „Othello Syndrom“ – herhalten muss. Diese Prominenz verdankt Othello bekanntlich William Shakespeare. Shakespeare wiederum fand den Stoff in der Novellensammlung von Giovanni Battista Giraldi und verwandelte ihn in die berühmte „Tragedy of Othello, the Moore of Venice“ (1604).

Das historische Vorbild für die Figur des venezianischen Feldherrn Othello gab vermutlich Cristoforo Moro ab. Er war Anfang des 16. Jahrhunderts venezianischer Statthalter auf Zypern, wurde aber bald wieder abberufen, weil seine Frau unter mysteriösen Umständen verstarb. Jener Cristoforo war lediglich dem Nachnamen nach von dunkler Hautfarbe. Bei Giraldi steht die Herkunft Othellos nicht fest; denn das italienische „moro“ – wie im Übrigen auch das englische „moor“ - können sowohl mit „Mohr“ als auch mit „Maure“ übersetzt werden.

Die Entstehung der Oper

Von der ersten Anregung durch Ricordi – der Verleger lenkte das Gespräch beim gemeinsamen Abendessen auf den „Othello“-Stoff und brachte Giuseppe Verdi mit Arrigo Boito zusammen – bis zur umjubelten Uraufführung am 5. Februar 1887 dauerte es knapp acht Jahre. Zunächst schien es, als wollte Verdi sein Vorhaben, nach der „Aida“ keine Oper mehr zu komponieren, tatsächlich wahr machen. Dass Verdi seine Meinung doch noch änderte, ist der Hartnäckigkeit Ricordis, vor allem aber der Qualität des Librettos zu verdanken.

In Arrigo Boito hatte er einen kongenialen Partner gefunden. Denn er war nicht nur ein hervorragender Librettist und Theaterpraktiker, sondern auch ein – wenngleich nicht so erfolgreicher – Komponist. Zudem war er auch als Musiktheoretiker hervorgetreten und hatte manchen mit seinen radikalen Forderungen zur Reform der italienischen Oper vor den Kopf gestoßen.

Der Briefwechsel von Boito und Verdi aus den Jahren der Entstehung ist größtenteils erhalten. Er dokumentiert einerseits ihre Suche nach neuen Formen und andererseits die Auseinandersetzung mit William Shakespeare. Verdi hatte sich immer wieder intensiv mit Shakespeare beschäftigt, hatte den Macbeth vertont, trug sich sein Leben lang mit der Idee einer „Lear“-Oper herum und sollte seine letzte Oper, den „Falstaff“, nach Shakespeares „Lustigen Weibern von Windsor“ komponieren. Der Respekt vor seinem Werk war groß, was die Arbeit an dem Libretto nicht gerade erleichterte. Auf den ersten Blick scheint es, dass Boito ziemlich rabiat mit der Vorlage umgegangen ist: Er kürzte rigoros, den gesamten erste Akt z.B., er legte Szenen zusammen, stellte sie um, textete auch neu oder verschärfte Charaktere. Aber all dies doch unter einer Prämisse: Er wollte es immer im Sinne Shakespeares machen, er wollte ihn nicht buchstabengetreu zitieren, er wollte dem Geist der Tragödie gerecht werden.

Neuartige Dramaturgie

„Otello“ sollte nach Willen der Autoren eine Antwort auf die Krise der italienischen Oper sein, seine Dramaturgie etwas Neuartiges. Sie sollte nicht mehr dem konventionellen Nummernschema folgen, sondern dem durchkomponierten Drama den Weg bereiten. Herausgekommen ist eine Mischform: Musikalische Nummern sind noch zu unterscheiden, es gibt sogar einige traditionelle Modelle darin, wie das Trinklied, das Pezzo Concertato oder das Gebet Desdemonas, um nur einige zu nennen. Allerdings geht Verdi einerseits mit diesen Modellen formal sehr frei um, andererseits sind sie immer aus dem dramatischen Fluss entwickelt und treiben ihn weiter, so dass sie kaum noch als „Nummern“ zu erkennen sind. In diesem Sinne spricht Ulrich Schreiber von „Otello“ als „Gipfel der ernsten italienischen Oper im 19. Jahrhundert und gleichzeitig deren Dekomposition“.

Die Angst vor einem Konkurrenten

Kurze Zeit dachte Verdi darüber nach, seine Oper „Jago“ zu nennen, nach der Triebfeder des Dramas. Schließlich jedoch blieb er bei „Otello“, bei der Figur, die handelt: „Er liebt, er ist eifersüchtig, und er bringt sich um.“ Otellos Tragik besteht in seinem Irrtum, seine Frau zu töten, die ihn über alles liebt. (Max Frisch) Jagos Einflüsterungen sind für ihn insofern glaubwürdig, als er einen Ehebruch durchaus für möglich hält; und zwar nicht, weil er an Desdemonas Untreue glaubt, sondern weil er sich selbst für minderwertig und nicht liebenswert hält: „Vielleicht, weil ich die Netze der Liebeskunst nicht zu legen vermag? Vielleicht, weil ich alt werde? Vielleicht, weil ich schwarz bin?“ (2. Akt). Ob schwarz oder nicht: Otello ist ein Außenseiter. Als Befehlshaber steht er in einer exponierten Position unter ständiger Beobachtung. Erfolg macht mächtig, aber auch angreifbar, die Angst vor einem Konkurrenten, einem Nebenbuhler misstrauisch und verletzlich. „Das allgemeinste Gefühl von Minderwert, das wir alle kennen, ist die Eifersucht.“, weiß Max Frisch – und das weiß auch Jago.

Musikalische Leitung Samuel Bächli

Inszenierung Dieter Kaegi

Bühne und Kostüme Stefanie Pasterkamp

Dramaturgie Wiebke Hetmanek

Chor Christian Jeub

Otello Keith Olsen

Jago Jee-Hyun Kim

Cassio Rémi Garin

Rodrigo William Saetre

Lodovico Christian Helmer / Nicolai Karnolsky

Montano Wolf-Rüdiger Klimm

Desdemona Hrachuhí Bassénz / Noriko Ogawa-Yatake

Emilia Anna Agathonos

Termine: (Datum / Uhrzeit)

27.01.2008 / 18:00; 31.01.2008 / 19:30; 06.02.2008 / 19:30;

17.02.2008 / 15:00; 22.02.2008 / 19:30; 24.02.2008 / 18:00;

04.05.2008 / 18:00; 09.05.2008 / 19:30; 24.05.2008 / 19:30;

01.06.2008 / 18:00

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