Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
Semperoper Ballett Dresden: »Labyrinth« feiert Ikonen des Modern DanceSemperoper Ballett Dresden: »Labyrinth« feiert Ikonen des Modern DanceSemperoper Ballett...

Semperoper Ballett Dresden: »Labyrinth« feiert Ikonen des Modern Dance

Premiere am Samstag, den 3. November 2018, um 18 Uhr

Vierteiliger Ballettabend mit Stücken von George Balanchine, Martha Graham, Ohad Naharin und einer choreografischen Uraufführung von Joseph Hernandez

 

Unter dem Titel »Labyrinth« präsentiert das Semperoper Ballett vier bedeutende, von der School of American Ballett beeinflusste Choreografen, deren Konzeptionen maßgeblich für die Befreiung des modernen Tanzes von traditionell klassischen Ballettvorstellungen stehen. Die vier von Ballettdirektor Aaron S. Watkin zusammengestellten Stücke widmen sich allesamt auf ihre Weise inhaltlich den Irrwegen der menschlichen Psyche; die Quadrologie – ausgehend von den beiden Koryphäen der Ballettgeschichte, George Balanchine und Martha Graham – gipfelt in der Uraufführung von Joseph Hernandez’ Choreografie »Song for a Siren« und lässt die Revolutionierung des zeitgenössischen Tanzes seit den 1940er Jahren bis heute nachvollziehen.

Der Abend eröffnet mit »Die vier Temperamente« des als Begründer des neoklassischen Tanzes geltenden Georges Balanchine. Seine Arbeiten prägten in der Reduktion von Dekor und Handlungssujet wechselseitig sowohl die amerikanische wie europäische Ballettentwicklung nachhaltig. Bereits bei der New Yorker Premiere vor fast genau 72 Jahren wurde das Stück als Meilenstein des modernen Balletts und als bahnbrechend für die Neufindung des klassischen Balletts erkannt: Kraftvoll, bizarr und den Tanzstil des Musicals zitierend, visualisiert »Four Temptations« – basierend auf der mittelalterlichen Theorie der vier elementaren Charaktere in der menschlichen Natur – auf ekstatische Weise die 1940 in Auftrag gegebene Komposition Paul Hindemiths. Während Hindemiths Musik den Dialog zwischen Klavier und Geigen fordert, entzieht sich Balanchines Choreografie jeglicher Programmatik: Der Tanz antwortet auf die Musik mit einer aus kristallinen Momenten bestehenden Folge wechselnder Soli und Ensembles, die in leidenschaftlich über die Bühne fliegenden Paarkonstellationen gipfelt.

Anschließend führt Martha Graham in den Irrgarten menschlicher Leidenschaften mit dem 1947 entstandenen Tanzstück »Errand into the Maze«. Die Grand Dame des Modern Dance fokussiert das Thema des antiken Mythos vom stierköpfigen Minotaurus auf die Rolle der Ariadne, der Hüterin des Minoischen Labyrinths. Ihre Choreografie beschreibt den furchteinflößenden Weg durch die Dunkelheit als Reise zum Frausein, die Konfrontation mit dem gehörnten Monster als Erwachen der weiblichen Sexualität vor der inkarnierten männlichen Lust. Der sich visuell auf den Ausdruck konzentrierende Kampf der Protagonistin mit den eigenen Dämonen gilt als das wohl populärste Stück Martha Grahams. Basierend auf einem Gedicht von Ben Belitt und musikalisch übersetzt von Gian Carlo Menotti, feierte das Ballett  1947 mit der Choreografin als Ariadne im New Yorker Ziegfeld Theatre seine Premiere und gehört heute zum festen Repertoire der »Martha Graham Dance Company«.

Aus der Schule Martha Grahams hervorgegangen ist auch der israelische Künstler und Hauschoreograf der Batsheva Dance Company, Ohad Naharin, dessen 1985 uraufgeführte Arbeit »Black Milk« programmatisch anschließt. Ursprünglich für ein Frauen-Quintett konzipiert, steigert die ausdrucksvolle Neufassung von 1991 für fünf Tänzer den rauen, archaischen Aspekt des von Energie durchdrungenen Stückes. Marimba-Solist Paul Smadbeck komponierte die Musik für zwei Marimbaphone, welche in der raschen Gegenüberstellung der Tempi und Texturen die Protagonisten in diesem dicht strukturierten Werk bis an die Grenzen ihrer körperlichen Fähigkeiten fordert.

Mit der Uraufführung von Joseph Hernandez’ neuer Choreografie »Songs for a Siren« schließt das Programm. Nach seiner Ausbildung an der School of American Ballet führten die einzelnen Stationen seiner Karriere den Tänzer und Choreografen unter anderem nach New York, Antwerpen und Monte Carlo sowie auch nach Hellerau und Dresden, wo der US-Amerikaner zurzeit lebt. Seine aktuelle Neukreation, für die der amerikanische Komponist Barret Anspach die Musik als Auftragsarbeit schuf, lässt die choreografierte Reise durch das Labyrinth im utopischen Raum und im Jetzt enden.  

Besetzung

Die vier Temperamente
    Choreografie George Balanchine
    Musik Paul Hindemith
    Kostüme Frauke Schernau
    Licht Fabio Antoci
    Einstudierung Nanette Glushak

Errand into the Maze
    Choreografie und Kostüme Martha Graham
    Musik Gian Carlo Menotti
    Bühnenbild Isamu Noguchi
    Licht Jean Rosenthal
    Adaption Licht Beverly Emmons
    Einstudierung Blakeley White-McGuire Blakeley White-McGuire, Ben Schultz, Denis Vale

Black Milk
    Choreografie Ohad Naharin
    Musik Paul Smadbeck
    Kostüme Rakefet Levy
    Licht Avi Yona Bueno (Bambi)
    Einstudierung Shahar Biniamini

Songs For a Siren
    Choreografie Joseph Hernandez
    Musik Barret Anspach
    Bühnenbild und Kostüme Yannick Cosso, Jordan Pallagès
    Licht Christoph Schmädicke
    Dramaturgie Juliane Schunke
    Musikalische Leitung Nathan Fifield

Semperoper Ballett

Sächsische Staatskapelle Dresden unter der Musikalischen Leitung von Nathan Fifield.

Vorstellungen am 3., 5., 14., 16., 18. & 21. November 2018.
Jeweils 45 Minuten vor Vorstellungsbeginn findet eine Werkeinführung im Opernkeller der Semperoper statt.

Karten für alle Vorstellungen sind an der Schinkelwache am Theaterplatz (T 0351 4911 705) und online erhältlich.

 

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 23 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

JAGENDE HORN-PASSAGEN -- Neue CD von Helmut Lachenmann "My Melodies" bei Naxos (BR Klassik - musica viva)

Ein kompositorischer Umgang mit dem Phänomen Melodie steht im Mittelpunkt der Komposition "My Melodies" für acht Hörner und Orchester des 1935 in Stuttgart geborenen Helmut Lachenmann. Unter der…

Von: ALEXANDER WALTHER

VOLLENDETER FORMALER AUFBAU -- Bachs Matthäus-Passion mit den Stuttgarter Hymnus-Chorknaben in der Stiftskirche STUTTGART

Für Karfreitag 1729 schrieb Johann Sebastian Bach seine "Matthäus-Passion" BWV 244 und arbeitete sie dann noch dreimal um. Der vollendet ausgewogene Aufbau dieses Meisterwerks kam in der Aufführung…

Von: ALEXANDER WALTHER

SCHONUNGSLOSE SELBSTERKENNTNIS --- John Gabriel Borkman im Schauspielhaus Stuttgart

Henrik Ibsen ist der Dramatiker der schuldhaft versäumten Selbstemanzipation. Er setzt sich schonungslos mit den Lebenslügen der Menschen auseinander. Seiner Devise "Dichten ist Gerichtstag halten…

Von: ALEXANDER WALTHER

DRAMATISCH GEBALLTER ABLAUF --- Verdi Operngala im Forum am Schlosspark Ludwigsburg

Vorwiegend Spätwerke Giuseppe Verdis standen bei dieser sehr gelungenen Operngala auf dem Programm. Die vorzüglich musizierende Württembergische Philharmonie Reutlingen unter der inspirierenden…

Von: ALEXANDER WALTHER

FEINSTE SCHATTIERUNGEN DES GEFÜHLS -- Stuttgarter Philharmoniker unter Gabriel Feltz mit Berg und Brahms in der Liederhalle Stuttgart

Wieder konnte man als "Minutenstück" eine interessante Komposition eines Studenten der Kompositionsklasse von Prof. Marco Stroppa an der Stuttgarter Musikhochschule hören. Der 1987 in Mailand geborene…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑