Um Präsident der Gesellschaft zu werden, muss Lord Puff heiraten und findet in der jungen Minette eine geeignete Kandidatin. Die unschuldige Minette – die aus einem zivilisationsfernen Winkel Englands stammt, in dem noch gejagt wird – entdeckt in dem frei herumstreunenden Tom ihre große Liebe. Dennoch ist sie bereit, den biederen Lord Puff zu heiraten. Doch Puffs Neffe Arnold, der auf das Erbe des Onkels spekuliert, versucht, die Hochzeit mit allen Mitteln zu verhindern. Lord Puff will – indem er sich bereit erklärt, die erst kurz andauernde Ehe zugunsten der jungen Liebe wieder scheiden zu lassen – das Schlimmste zu verhindern, doch die Kette von Verbrechen und Skandalen im Salon von Mrs. Halifax reißt nicht mehr ab.
Am Ende wird Minette in der Themse ersäuft, und ihr Liebhaber Tom tröstet sich mit ihrer Schwester Babette. Die Maus Louise zieht hieraus den einzig möglichen Schluss: sie lässt sich nicht länger domestizieren, sondern wird wieder Milch und Körner stehlen und feine Damen erschrecken … „Die englische Katze“ ist eine scharfe Gesellschaftssatire, die bürgerliche Bigotterie, Heuchelei und Korruption höchst lustvoll anprangert.
Im November 1977 erlebte Hans Werner Henze im Pariser Théatre Gérard Philipe eine Aufführung von Geneviève Serraults „Peines de Cœur d'une Chatte anglaise“ (Herzbeschwerden einer Englischen Katze), einer Dramatisierung von Balzacs „Erzählung zu den Bildern aus dem Staats- und Familienleben der Tiere“ des Illustrators Grandville. Ein Jahr später bat der Komponist den Dramatiker Edward Bond – dem er schon die Dichtung zu seinen Opern „Wir erreichen den Fluss“ und „Orpheus“ verdankte – um ein Libretto frei nach diesem Stoff. Bonds Libretto verlegt die Handlung ins Viktorianische England, entfernt sich weit von Balzacs Erzählung und übernimmt mit Teilen des Titels nur den Ansatz der Katzen-Fabel. Henzes Musik ist an der traditionellen Opernform orientiert, und verknüpft romantische Stimmungsmalerei mit satirischen Zitaten von Volkslied und Volkstanz und spielerisch-ironischen Variationen von Ludwig van Beethovens „Diabelli-Variationen“. Die Uraufführung der „Englischen Katze“ erfolgte 1983 im Rahmen der Schwetzinger Festspiele, Henze selbst betreute die Einstudierung durch das Ensemble der Württembergischen Staatsoper. Seit den 1980er Jahren entstanden mehrere kammermusikalische Werke mit Bezug zur „Englischen Katze“: Parerga zur Oper „Die englische Katze, Minette – Fünf Melodien für Zither“ sowie „Minette – Canti e impianti amorosi“ für 2 Gitarren.
Hans Werner Henze, geboren 1926 in Gütersloh, studierte Kirchenmusik in Heidelberg, erste Werke erschienen 1947. Von 1948 bis 1952 arbeitete er als Pianist, Dirigent, Hauskomponist und Ballettdirektor am Deutschen Theater Konstanz und am Hessischen Staatstheater Wiesbaden. 1952 wurde seine erste Oper „Boulevard Solitude“ in Hannover uraufgeführt. Seit 1953 lebte Henze in Italien und widmet sich seitdem ausschließlich der Komposition, gelegentlich dirigiert und inszeniert er seine Konzert- und Musiktheaterwerke selbst. In seinen Werken verbindet Henze die Überlieferungen der deutschen Symfonik und des Barocks mit modernen Kompositionstechniken. Mit seinem vielgestaltigen Schaffen zählt Henze seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu den überragenden Komponisten mit internationaler Bekanntheit. Bis heute schuf Henze neun große Opern, Ballette, Orchesterwerke, Kammerkonzerte, Lesungen und Radiostücke. Sein Schaffen ist wie das kaum eines anderen seiner Zeitgenossen durch die Literatur und das Theater geprägt. Er widmete sich dem Musiktheater schon zu einer Zeit, als die musikalische Avantgarde die Gattung ablehnte. Literarische Texte begleiten seine Essays und Schriften, der enge Austausch mit seinen Librettisten und insbesondere sein politisches Engagement schlugen sich in den Texten seiner Kompositionen nieder.
Schon früh arbeitete Henze mit Theatermachern und zeitgenössischen Autoren zusammen: er arbeitete untern anderem mit Luchino Visconti, zu seinen Librettisten gehören Grete Weil, Jean Cocteau und Hans Magnus Enzensberger, gemeinsam mit Ingeborg Bachmann entdeckte er neues Potenzial in Texten von Heinrich von Kleist und Wilhelm Hauff. Weitere Arbeitspartner waren für ihn die Schriftsteller Edward Bond und Hans-Ulrich Treichel. Als Komponist, Festivalleiter, Förderer junger Talente und Impulsgeber gehört Henze vor allem wegen seiner Offenheit für neue Kompositionstechniken zu den prägenden Persönlichkeiten und Pionieren der Moderne, der bereits mehrere nachfolgende Generationen von Musikern inspiriert hat.
Eine Geschichte für Sänger und Instrumentalisten in zwei Akten
von Hans Werner Henze, Libretto von Edward Bond
Deutsche Übertragung von Ken Bartlett
Musikalische Leitung: Fabrizio Ventura
Regie: Ernö Weil
Bühne und Kostüme: Karin Fritz
Dramaturgie: Justus Wenke
N.N. (Lord Puff), Tye Maurice Thomas (Arnold), Donald Rutherford (Mr. Jones), Alan Cemore (Tom), Fritz Steinbacher (Peter), Henrike Jacob (Minette), N.N. (Babette), Melanie Spitau (Louise (Maus)), Jana Havranova (Miss Crisp), N.N. (Mrs. Gomfit), Suzanne McLeod (Lady Toodle), N.N. (Mr. Plunkett/
Staatsanwalt (Hund)), Statisterie
Sinfonieorchester Münster
Weitere Vorstellungen im Juni/ Juli:
Mittwoch, 29. Juni, 19.30 h, Kleines Haus
Freitag, 08. Juli, 19.30 h, Kleines Haus