Der Komponist schuf mit der Partitur zum 1890 in St. Petersburg (in der Choreografie von Marius Petipa) uraufgeführten Ballett «Dornröschen» ein Meisterwerk, in dem Tanzbarkeit, sinfonischer Atem und die geistvolle Charakteristik der Solonummern verschmelzen und sich französische Leichtigkeit mit russischer Seele verbindet. Einen ungewohnten Blick wirft Mats Ek auf den Märchenstoff – und lässt Petipa dabei weit hinter sich. Der schwedische Choreograf fragt sich, um welche Art von «Spindel» es sich handeln könnte, deren Stich Aurora in ihren Dornröschenschlaf versetzt. Vielleicht ist Carabosse weniger eine böse Zauberin als ein Verführer, der mit verbotenen Substanzen lockt?
So übersetzt sich die Geschichte von der Prinzessin, die durch den Nadelstich aus der Realität flieht und erst durch den Kuss Désirés wieder «erwacht», als heutiges Schicksal einer Sechzehnjährigen, die auf Abwege gerät. Mats Ek schuf sein «Dornröschen» 1996 für John Neumeiers Hamburg Ballett. Später nahm auch das Cullberg Ballet, dessen Leitung Mats Ek von 1982 bis 1993 inne hatte und dem er bis heute als Gastchoreograf verbunden ist, das Stück in sein Repertoire auf. Die Inspiration zu seiner eigenwilligen Deutung kam dem Choreografen übrigens während eines Aufenthaltes in Zürich – zu der Zeit, als die offene Drogenszene am Platzspitz täglich Schlagzeilen machte. «Dornröschen» ist nicht der erste Klassiker des Handlungsballetts, den Mats Ek radikal umgedeutet hat. Dabei geht es ihm jedoch nie um vordergründige Provokation, sondern darum, den seelischen Abgründen auf die Spur zu kommen, die sich in solchen Stoffen verbergen. Für dieses Anliegen nutzt Mats Ek virtuos die emotionalisierende Kraft der Musik.
Rossen Milanov
Choreographie
Mats Ek
Ausstattung
Peter Freij
Lichtgestaltung
Göran Westrup
Orchester
Orchester der Oper Zürich
Mit
Zürcher Ballett; Joa Helgesson (Sprecher)