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"Macbeth" von William Shakespeare im Düsseldorfer Schauspielhaus

Ein schwarzer kubistischer Hügel mit scharfen Graten ersetzt die schottische Landschaft. Ein erschöpfter Macbeth, blutbeschmiert nach der Schlacht, wird von drei Hexen, kahlköpfigen geschlechtlosen Wesen in schwarzen Strumpfsuits, aufgestöbert. Sind ihre Sprüche nur rätselhafte Prophezeiungen oder animieren sie nicht vielmehr dazu, das Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und sie wahr werden zu lassen, etwas nachzuhelfen?

 

Copyright: Thomas Rabsch

Inwieweit ist der Weg eines Menschen vorherbestimmt, inwieweit ist er selbstbestimmt, wie lässt er sich beeinflussen? Macbeth verlässt den tugendhaften Pfad mit fatalen Konsequenzen und löst eine Spirale der Gewalt aus.
In einer gekürzten Fassung hat Evgeny Titov für das dhaus in Düsseldorf Shakespeares Tragödie "Macbeth" in Szene gesetzt, dabei konzentriert er sich ganz auf die Hauptperson. Akzente setzt er durch harte Schnitte der einzelnen Szenen, wenn das Licht für einige Sekunden ausgeht, alles in Dunkel getaucht ist und Geräusche eingeblendet werden.

Von der Weissagung der Hexen verwundert hängt Macbeth daheim wie Jacques-Louis Davids Marat in einer Blechbadewanne, um sich das Blut des erfolgreichen Gefechts abzuwaschen. Zum Königsmord wird er von der ehrgeizigen Lady Macbeth angestachelt, die alle Register zu ziehen weiß, ihn mit Schmähungen bedenkt, ihm seine Männlichkeit abspricht, die er wiederum später in einem Akt der Vergewaltigung meint beweisen zu müssen.

König Duncan, hier ein fast seniler Greis, ist Gast in seinem Hause. Das tosende Gewitter, das während des Königsmordes in Shakespeares Original als Zeichen wider die göttliche Ordnung im Weltbild der Renaissance herrscht, wird nur mündlich erwähnt. Die Welt ist aus den Fugen. Dafür stehen hier die Risse in den Wänden der Burg.

Evgeny Titov arbeitet mit starken Kontrasten und Typisierungen der Figuren. Malcom ist ein queerer Mensch mit Reifrock und Glitzerschmuck, der bei sich selbst Verfehlungen anklagt, die er gleich wieder zurücknimmt. Macbeth ist ein jugendlicher Held voller Zögern und Ängste. die er durch großes Getöse zu bändigen meint. Zwischen ihm und seiner Frau gibt es einen großen Altersunterschied, die Lady ist eher ehrgeizige, coole Mutter als ebenbürtige Geliebte. Die Schuldgefühle lassen sich nicht verdrängen und machen sich bei beiden durch psychosomatische Verhaltensweisen (Waschzwang, Schlaflosigkeit) und Kontrollverlust bemerkbar. Macbeth sieht Gespenster, hört deren Sprüche ("Macbeth tötet den Schlaf"), die ihnen verfolgen und tatsächlich Schlaflosigkeit bei ihm selbst auslösen.

Bewundernswert mit welcher Energie André Kaczmarczyk den Macbeth gibt, Manuela Alphons als Lady Macbeth steht ihm in nichts nach.

Eine bildgewaltige Interpretation der noch immer faszinierenden Tragödie, die beim Publikum große Begeisterungsstürme auslöste.

Besetzung
Duncan, König von Schottland: Rainer Philippi
Malcolm, sein Sohn: Florian Claudius Steffens
Macbeth, Than von Glamis: André Kaczmarczyk
Lady Macbeth: Manuela Alphons
Banquo, schottischer General: Matthias Buss
Macduff, Than von Fife: Sebastian Tessenow
Lady Macduff: Claudia Hübbecker
Macduffs Sohn: Moritz Klaus
Drei Hexen: Stella Maria Köb, Blanka Winkler, Caroline Cousin
Lady Banquo: Laura Peters
Fleance, ihr Sohn: Rafael Wohlleber / Maximilian Wrieden
Amme:Frederike Bohr
Macduffs Tochter: Kassandra Giftaki / Violetta Sapunkov

Regie: Evgeny Titov
Bühne: Etienne Pluss
Kostüm: Esther Bialas
Musik: Moritz Wallmüller
Licht: Konstantin Sonneson
Dramaturgie: Janine Ortiz

Premiere am 19. November 2021

 

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