Berber war eine Frau voller Energie, die es mit der Unmoral genau nahm und gern verschwenderisch lebte. So wurde sie in den frühen Zwanziger Jahren zur Stil- und Tanz-Ikone, die sich nicht davor scheute, nackt vor ihr Publikum zu treten. Sie stand für die Erotisierung des Tanzes und initiierte zugleich in Männerhosen und Jackett eine neue Mode-Ära. Dafür wurde sie vom Publikum geliebt und von Künstlern bewundert.
1925 stand sie nackt für Otto Dix (1891-1969) Modell – jung, schön und berühmt –, doch der Maler brachte eine ganz andere Frau auf sein Gemälde: in einem roten Kleid, mit blutroten Lippen, eingefallenen Wangen, faltiger Haut, dunklen Augen und blassem Teint. Ein Wirklichkeit gewordenes Bildnis des Dorian Gray! Das Publikum sah eine energiegeladene Frau in ihr; Otto Dix eine schwache, und er malte sie älter als sie je wurde. Berbers exzessiver Lebenstanz, Sinnbild eines ganzen Jahrzehnts, endete abrupt, als sie nur drei Jahre später, im Alter von 29 Jahren, verstarb.
Ballettdirektorin Silvana Schröder ist es gelungen für die zweite Neuproduktion des Thüringer Staatsballetts in dieser Spielzeit den international gefragten Choreographen Jiří Bubeníček zu verpflichten. Der ehemalige Erste Solist am Hamburger Staatsballett und am Ballett der Semperoper gibt mit Anita Berber – Göttin der Nacht sein Debüt in der Otto-Dix-Stadt Gera. Inspiration für seinen neuen Ballettabend fand Bubeníček nicht nur im Leben Anita Berbers, sondern auch in der Entstehungsgeschichte um ihr berühmtes Bildnis von Otto Dix.
Jiří Bubeníček arbeitet mit seinem Bruder Otto Bubeníček zusammen, der für Bühnenbild und Kostüme verantwortlich zeichnet. Die Musik schreibt der britische Komponist Simon Wills, der der deutschsprachigen Theaterwelt bereits durch eine Vielzahl von erfolgreichen Konzert- und Opernkompositionen bekannt ist, darunter die Oper The Secret Agent (Feldkirch Festival, 2006), das Orchesterstück The Island (Tonhalle-Orchester Zürich, 2009) und Empress of Blandings – a Charleston for Orchestra, eine musikalische Hommage an den beliebten englischen Schriftsteller P.G. Wodehouse (Norddeutscher Rundfunk, 2013). Es war vor allem dieses letzte Werk, das Jiří Bubeníček auf Wills aufmerksam machte, beweist der Komponist doch darin ein hervorragendes Gespür für Rhythmus und Klang der 20er Jahre – eben jene Welt der Anita Berber.
So entschloss sich Bubeníček Kontakt aufzunehmen: ob der Komponist Interesse an einer neuen, abendfüllenden Komposition für ein Ballett habe? Wills sagte zu und machte sich sogleich an die Arbeit. Im März 2016 wurde dem Philharmonischen Orchester Altenburg-Gera die druckfrische Partitur übergeben. Anita Berber – Göttin der Nacht ist somit eine Uraufführung im doppelten Sinne: Sie lädt zum Kennenlernen einer neuen, choreografischen Handschrift ebenso wie zum erstmaligen Hörerlebnis der Musik. Das Philharmonische Orchester Altenburg-Gera spielt unter der Leitung von Takahiro Nagasaki.
Am 11. Juni um 17.00 Uhr gibt es eine SOIREE im Großen Haus der Bühnen der Stadt Gera. Bei freiem Eintritt können Interessierte die Akteure kennenlernen und erste Ausschnitte erleben.
Anita Berber – Göttin der Nacht
Ballett mit Orchester von Jiří Bubeníček
Musik von Simon Wills
Auftragswerk · Uraufführung
In der Reihe Die goldenen 20er
Zum 125. Geburtstag von Otto Dix
Konzept, Inszenierung, Choreografie: Jiří Bubeníček
Musikalische Leitung: Takahiro Nagasaki
Bühne, Kostüme: Otto Bubeníček
Dramaturgie: Dr. Daniel Siekhaus
Ensemble Thüringer Staatsballett
Philharmonisches Orchester Altenburg-Gera
Weitere Vorstellungen: 18. Juni 19.30 Uhr und 19. Juni 14.30 Uhr
Karten an der Theaterkasse, Telefon 0365-8279105, online buchen unter www.tpthueringen.de